Garten-Werklers Jahr. Oktober

Illustration und Geschichte:Tiit Kändler
Übersetzung ins Englische: Liis
Vom Englischen ins Deutsche: Leonia
 
Oktober: Kraniche mit einer Axt jagen
 
Das Jahr des Garten-Werklers
 
Es gibt keinen Anlass, daraus ein Geheimnis zu machen — Der tschechische Gourmand, Humorist und Autor Karel Čapek war außerdem noch ein passionierter Gärtner. Gleichgültig, dass er in Prag lebte, dass nun als die Stadt der Wanderer beworben wird. Statt sich in der Stadt herumzutreiben, saß Čapek in einer Kneipe und schrieb die Gärtner-Anmerkungen, die dann das wunderbare Buch "Das Jahr des Gärtners" ergaben. 
Aber wenn Sie das Glück haben, einen eigenen Garten zu besitzen — oder freien Grundbesitz, wie der korrekte Begriff lautet — müssen Sie kein Gärtner sein, um dies zu genießen. Sie können auch bloß Garten-Werkler werden.
Das Leben eines Garten-Werklers ist glücklicher als das eines Gärtners. Man muss noch nicht mal raus gehen, um den eigenen Garten zu genießen. Sie können über Ihren Garten nachdenken, oder nur einen Blick aus dem Fenster werfen — und der ganze Garten kommt zu Ihnen herein — zumindest die Hälfte davon.
Dennoch ist es noch besser, rauszugehen in den Garten und sich dort mit irgendwas zu beschäftigen. Aber Vorsicht — das Risiko, zum Gärtner zu werden, ist groß.
 
Oktober
 
Für den Garten-Werkler ist das ein angenehmer Monat. Wenn Sie es als Gärtner nicht übertrieben haben, werden Sie feststellen, dass es nicht allzuviel im Garten zu tun gibt. Es stört nicht, dass alle Medien — Radio, Fernsehen, Zeitungen und alle anderen Kommunikationskanäle Sie damit belästigen, es sei höchste Zeit, alles auf den Winter vorzubereiten.
Aber wenn Sie sich noch Ihren gesunden Menschenverstand bewahrt haben, dann stellen Sie fest, das Sie die Vorbereitungen für den Winter problemlos den Pflanzen, Insekten und anderen Lebewesen überlassen können. Schließlich ist es ihre Aufgabe hier auf der Erde.
Der Oktober ist einer der gefühlsbeladensten und veränderlichsten Monate. Die Bäume tragen noch verschiedene Farben, und sie ändern ihr Aussehen jeden Tag, bis sie am Monatsende ganz kahl sind. Die Blätter können sehr gut am Boden liegen bleiben — lassen Sie sie bis zum Frühjahr warten, dann macht es mehr Spaß, sie zusammen zu harken und es sind auch irgendwie weniger. Vielleicht trug der Wind sie in Nachbars Garten.
Oktober-Nachbarn sind viel sympathischer als zum Beispiel Juni-Nachbarn. Sie zünden keine stinkenden Lagerfeuer an, und sie rattern und donnern nicht mit ihren Rasenmähern und Motorsägen herum. Und zusätzlich gibt es weniger davon. Wer kein Garten-Werkler ist, flieht ab Oktober in ein warmes Stadt-Zimmer, oder bittet die Bankfiliale um Unterstützung. Das untergräbt alle Krach-Mach-Bemühungen.
Der Oktober kann wunderbares Herbstwetter bieten, und zehn Grad Wärme fühlen sich im Herbst wärmer an als fünfzehn im Frühjahr. Die Erde selbst hilft, die überwinternden Pflanzen zu wärmen und zu schützen.
Daher ist der Oktober die beste Zeit, aus dem eigenen Garten herauszukommen und zu sehen, was in den Wäldern los ist. Wenn der Garten-Werkler in ein Moosbeeren-Moor eindringt, wird der Wald ihn freundlich empfangen. Seine Ohren werden nicht wie im Mai durch das Gezeter der Vögel betäubt, es ist nicht notwendig, Pilze oder Beeren zu pflücken, nicht mal Sauna-Birkenreiser. Die Pilze haben sich in ihr Myezel unter die Erdoberfläche zurückgezogen, die Beeren sind irgendwo zwischen Himmel und Erde verschwunden, und aus den Birken kann man nur neue, gründlich kehrende Besen herstellen — aber der Garten-Werkler hat dafür keinen unmittelbaren Bedarf.
Wenn Sie Glück haben, bietet der Oktober schon einige harte Frosttage. Das erinnert den Garten-Werkler an den Umstand, dass Winter im Hof droht und dass das Winter-Brennholz noch nicht bestellt ist. Keine Sorge, noch ist Zeit. Egal, dass der Preis für Feuerholz ungefähr auf dem Niveau von dem der Hochsommer-Erdbeeren liegt.
 
Wenn der Oktober freundlich zu Ihnen ist, bringt er Ihnen die Gabe einiger kräftiger Sturm-Tage, die den alten Baum, den Sie selbst bereits insgeheim zum Umlegen bestimmt hatten, zu Fall bringen. Und als Feuerholz wird er sich gut machen, das ist sicher.
Aber was auch immer der Oktober Ihnen bieten wird, wird es Pflanzen geben, die nicht davon betroffen sind. Der Ringelblumentopf blüht unermüdlich, die Kastanien lassen ihre Früchte fallen und bedecken sie im November mit ihren gefingerten Blättern, und der Flieder wird nicht gelb werden, aber seine grünen Blätter an nur einem Tag mit solchem Nachdruck ins Moos abwerfen, dass der Garten-Werkler davon erwachen würde — wenn er schliefe.
 
Manchmal fliegt ein Zug Gänse über den Hof, oder sogar ein Schwarm Kraniche, indem sie ein großes "V" als Siegeszeichen in den Himmel schreiben. Aber sie erregen keinerlei Wünsche, mit Ihnen aus der Umfassung des Hofes zu fliegen. Schauen Sie besser den letzten Astern ins Antlitz, und tröste Sie sie, dass es wirklich kein Problem gäbe, und das auch im Mai noch Zeit genug ist, ein Beet für ihre zukünftigen Verwandten zu bereiten.


 

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