Kohlmeise – Generalist oder vielmehr Spezialist?

Eingereicht von Looduskalender - Di., 14.02.2017 - 23.17
Autorid

Herausgeber der wissenschaftlichen Neuigkeiten zum Jahr der Kohlmeise  Marko Mägimarko.magi@ut.ee, Vogelökologieforscher der Universität Tartu

Übersetzung ins Englische Liis; vom Englischen ins Deutsche Leonia

 

Textkörper

Veröffentlich in Estnisch 29.12.2017

Ökologisch kann man Arten nach Spezialisten und Generalisten unterscheiden. Während die spezialisierten Arten an besondere Umweltbedingungen angepasst sind und schnelle Veränderungen für sie schwierig werden können, kommen Generalisten mit einer Vielzahl von Bedingungen zurecht – sowohl innerstädtisch wie ländlich, warm oder kalt, in Wäldern oder im Offenland. Daher ist es nicht überraschend, dass die Generalisten häufiger Kulturfolger oder mit Menschen vergesellschaftet sind, d.h. Arten die sich aufgrund ihrer hohen Anpassungsfähigkeit und ihrer Anspruchslosigkeit an städtisches Leben anpassen konnten und zahlreich wurden. Einer der bekanntesten Generalisten ist der Mensch selbst, der in allen Regionen (außer der Arktis) zurecht kommt. Nur wenige Tierarten sind in der Lage, darin mit dem Menschen gleich zu ziehen.

Typisch für alle Generalisten ist eine relativ breite Nahrungsbasis – sie essen, was gerade verfügbar ist und sie sind nicht besonders wählerisch. Allerdings sind die Gesundheitsindikatoren von städtischen Generalisten häufig schlechter als jene ihrer in Wäldern lebenden Artgenossen, da es in den Städten einen Überfluss an ungesunder Nahrung gibt. Die allgemeine Ansicht zu Nahrungspräferenzen – oder eher zur Nicht-Anspruchshaltung – der städtischen Generalisten ist, dass die städtischen Generalisten eine Fülle von Junk-Food zur Verfügung haben. Dennoch haben Menschen sehr unterschiedliche Geschmacksvorlieben – manche mögen Paprika, andere nicht, manche mögen Rote Beete, andere machen einen Bogen darum.

Kann sich die Kohlmeise erlauben so wählerisch zu sein, oder werden diejenigen mit anspruchsvollen Geschmäckern schnell durch natürliche Selektion verschwinden?

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Foto: Karl Adami

Die Kohlmeise ist eine Art, die zweifellos als Generalist betrachtet werden kann, zumindest was die Nahrung betrifft – sie isst sowohl pflanzliche als auch tierische Nahrung, und in der Nähe der Menschen werden alle Arten von Nahrungsabfällen verwertet. Während der Jungenaufzucht besteht der größere Teil der den Jungen gebrachten Nahrung aus Larven, aber das Verhältnis hängt von der Größe des Habitats ab – man kann Unterschiede zwischen der Nahrung von Kohlmeisen feststellen, die in Nadelbäumen, Laufwäldern oder immergrünen Wäldern brüten. Auf Grund dieser breiten Nahrungsauswahl kann man daher sagen, dass sie keine „pingelige“ Art ist.

Es scheint jedoch als ob die Genügsamkeit nur oberflächlich ist. Nach einer aktuellen Zusammenfassung von Studien zu Fütterungsgewohnheiten der Meisen scheint es, als ob wir es auf der individuellen ebenso wie auf der Populationsebene mit Spezialisten zu tun haben, deren Nahrung im Wesentlichen von den örtlichen Bedingungen abhängt. Im Beispiel der Population der nördlichen Kohlmeise, welche auch die estnischen Kohlmeisen umfasst, sind Individuen eher Generalisten, die das essen, was in der Natur zur Zeit leicht zu erlangen ist. Kohlmeisen in Mittelmeerländern jedoch sind eher Spezialisten, weil die Umwelt dort vielfältiger ist und den Meisen mehr Gelegenheit zur Nahrungsauswahl bietet und es für die Vögel nützlicher ist, sich auf eine Nahrungsauswahl aus ihrer Nachbarschaft zu spezialisieren. Die kognitiven Fähigkeiten der Kohlmeisen können vermutlich solch eine Spezialisierung beeinflussen. Die Blaumeise jedoch wird von den Verfassern der Studie als Generalist im gesamten Verbreitungsgebiet angesehen, individuell und als Art.

Es ist jedoch anzumerken, dass die Autoren der Studie die Schlussfolgerungen auf Nahrungsmittel, die den Jungen während der Aufzucht gebracht wurden, bezogen haben, was keine Schlüsse über die Winternahrung zulässt. Wenn man bedenkt, dass es im Winter deutlich weniger Nahrung gibt, kann man davon ausgehen, dass unsere Kohlmeisen auch im Winter Generalisten sind, die fast alles essen, was im Futterhäuschen angeboten wird. Die bedeutet jedoch nicht, dass in Futterhäuschen alles Mögliche wahllos angeboten werden sollte.

Pagani-Núñez E, Barnett CA, Gu H, Goodale E, 2016. The need for new categorizations of dietary specialism incorporating spatio-temporal variability of individual diet specialization. Journal of Zoology 300:1-7. DOI:10.1111/jzo.12364

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