Verstecken, es nähert sich ein Tier!

Text und Fotos: Tõnu Ling, Loodusfotod 
Übersetzung ins Englische: Liis
Übersetzung ins Deutsche: Leonia
 
 
Es ist ziemlich komisch, wenn sich Menschen – obwohl sie sich für die Krone der Schöpfung halten – vor ihren Untertanen, den wilden Tieren und den Vögeln verstecken.
Eigentlich ist der Mensch von heute keine gute Gesellschaft für Vögel und Tiere. Er besteht auf zu großer Nähe zu ihnen, anstatt das Leben unserer Mitbewohner auf diesem Planeten mit einem dezenten Abstand zu beobachten. Und dies ist vermutlich der Grund, warum sie "sich immer nur aus dem Staub machen", wie sich ein junger Naturfoto-Enthusiast mir gegenüber beschwerte. Du magst Dich an sie heranschleichen so gut Du kannst, aber sie hauen sofort ab. Offenbar haben sie einen bereits seit Generationen angeborenen Instinkt, der ihnen sagt, dass, wenn sie nicht im Kochtopf landen wollen, es besser ist, sich fern zu halten.
Aber es ist auch eine Tatsache, dass manche Tiere den Menschen Schaden zufügen können, mögen es etwa Bären, Wölfe, Löwen und Flusspferde sein. Flusspferde lassen einen an einen ziemlich schockierenden Videoausschnitt von irgendwo über einen Mann denken, der, als er das Treiben eines Nilpferds filmte, nicht stets sicheren Abstand hielt, und dann tragischerweise: "schnapp!". Der finnische Naturfotograf Hannu Hautala erzählte von seinem Freund, einem japanischen Naturfotografen, der Opfer von Bären in Kamtschatka wurde. Möglicherweise drang aus sein Zelt der Geruch von Futter und dann ... Aber üblicherweise halten sich diese Raubtiere von allein von Menschen fern, und wenn sie aus speziellen Schutzräumen heraus fotografiert werden, besteht keine Gefahr.
Es gibt Tiere und Vögel, die mit Menschen recht vertraut sind, aber es gibt auch jene, die sehr scheu sind, und eben auch diejenigen, die gefährlich sind, so sehr, dass es, um ihr Treiben zu beobachten und zu fotografieren, notwendig ist, in ein Versteck zu kriechen und sich zu verbergen. Aber wie?
 
Tarnkleidung
Der erste Schritt, um auf Ausflügen in die Natur mehr zu sehen, ist tarnende Bekleidung, sowohl für einen selbst als auch für die Fotoausrüstung. Auf diese Weise ist es zum Beispiel möglich, ganz in die Nähe von Hirschen oder Wildschweinen zu kriechen. Sogar Dachse -, die offensichtlich in der Ferne nicht sehr gut sehen können - tolerieren einen getarnt gekleideten Fotografen ganz gut. Natürlich ist bei ihnen und anderen "Nasentieren" auch die Windrichtung zu beachten, damit der Geruch des Fotografen ihnen nicht in die Nase dringt. Ich habe sogar selbst erlebt, dass die sonst sehr scheuen Rehe Anstalten machten, jemanden zu beschnuppern, der sich eine Kapuze über den Kopf gezogen hatte. Selbst ein Elch bleibt manchmal stehen um zu schauen. Menschengeruch jedoch kündet von Gefahr, und dann ist da Zutrauen schnell zu Ende.
 
Wilde Tiere beobachten bisweilen einen getarnten Fotografen mit großem Interesse, bis sie den menschlichen Geruch wahrnehmen und hastig davoneilen.
 
Einfache Verstecke
Wenn man Tarnkleidung trägt, ist es möglich, sich auch hinter Büschen oder Bäumen zu verstecken, die Heuballen an den Rändern der Felder bieten manchmal ausgezeichnete Gelegenheit, im Umfeld äsende Tiere zu fotografieren. Ebenso kann ein Tarnnetz aufgehängt werden, um sich dahinter zu verstecken. Sie kann man oft in Geschäften für Jagd- oder Militär-Ausrüstung finden. Das Netz kann schnell an einem Ast oder einem Pfosten aufgehängt werden. Und für das Fotografieren von kleinen Vögeln zum Beispiel funktioniert das sehr gut.
 
Auch aus einem Busch heraus ist es möglich, das Leben der Tiere zu beobachten, wenn die Windrichtung stimmt. Hier ein männlicher Dachs beim Flöhen.
 
Zeltverstecke
Noch besser ist es, besondere Tarn-Fotozelte zu verwenden. Aus Zelten heraus habe ich zum Beispiel Wasservögel, Auerhähne und Seeadler fotografiert. Aber in der kalten Jahreszeit ist es hart, dem "Ruf der Natur" zu widerstehen, und die natürlichen Bedürfnisse scheinen auch noch ungewöhnlich drängend zu werden. Aber wenn man bei Tageslicht einen Schritt aus dem Zelt heraus macht, dann ist es mit dem Beobachten für dieses Mal vorbei. Natürlich kann man spezielle "Behältnisse" verwenden, um das Problem zu lösen, aber für viele ist das ziemlich unangenehm. Ich kenne einen deutschen Naturfotografen, der deshalb nichts isst oder trinkt, bevor er sich ins Versteck begibt. Asketisch? Na ja, eher eine persönliche Entscheidung.
 
Es ist nicht besonders angenehm, versteckt aus einem kleinen Zelt heraus bei Minus-Temperaturen zu fotografieren. Aber am Morgen auf das Gurren des Birkhahns zu lauern ist ein herrliches Erlebnis.

Feste Unterstände
Lohnenswerter im Hinblick auf die Ergebnisse und sicherlich viel angenehmer aber auch viel teurer ist es, sich eine Versteck mit festen Wänden zu errichten. Feste Unterstände können bisweilen auch geruchsneutral gemacht werden. Vögel stören sich soweit bekannt nicht sonderlich am Geruch von Menschen, aber sie werden durch jedes Geraschel aus der Hütte alarmiert. Aus diesem Grund sind gute Beobachtungshütten auch schallgedämmt. Isolierte Unterstände halten auch die Wärme besser und sind angenehmer, um in ihnen von morgens bis abends zu sitzen und die Natur zu beobachten.
In größeren Unterständen ist es sogar möglich, für eine oder zwei Nächte zu bleiben. Sie haben in der Regel eine Kochmöglichkeit und eine Toilette. Ihr Bau ist jedoch recht teuer, und sie werden eher von kommerziellen Unternehmen für Vogel-und Tierfotografie-Aufenthalte als Dienstleistung angeboten. Natürlich können Naturfoto-Enthusiasten sich als Gruppe organisieren und eine eigene Beobachtungshütte bauen. Aber lohnt es sich zu prüfen, ob auch Zeit und Engagement genug vorhanden ist, stets Lebensmittel dorthin zu bringen.
Professionelle Naturfotografen können während ihrer beruflichen Laufbahn zig Jahre lang in "Einzelhaft" in Fotoverstecken verbringen. Mit einem am Ort vorbereiteten Versteck eröffnen sich wunderbare Foto-Gelegenheiten. Als im April 2004 mein erstes Zeltversteck fertig war, und ich es an einem Ufer in Muhu nahe einer eisfreien Stelle im Wassers aufgestellt hatte, konnte ich unvergessliche Bilder von Brandenten und Lachmöwen einfangen. Das war etwas ganz Besonderes. Damit war es möglich, in die Nähe sonst scheuer Vögel zu gelangen, ohne sie in ihrem Alltagstreiben zu stören.
Seither habe ich unterschiedliche Fotoverstecke errichtet, und damit hatte ich das Vergnügen, das Treiben von Vögeln und Tieren ganz hautnah zu verfolgen, wie es sonst nicht möglich gewesen wäre. Einmal kam ein junger Birkhahn bis auf wenige Meter an das Zeltversteck heran, um die Machart meines Kameraobjektivs zu überprüfen. Als er das nicht recht ergründen konnte, zog er gelassen davon. Auf diese Weise kann man den Vögeln und Tieren die Hoheit in ihrem Territorium erhalten, was allen gut tut.
 
Bei kaltem Wetter ist es angenehmer, aus einem beheizbaren festen Versteck heraus zu fotografieren. Lebensmittel verfügbar zu halten macht zwar Arbeit, aber mit einem Foto von einem Seeadler wird man reichlich entschädigt.
 
Schwimmende Verstecke
Schwimmende Verstecke eignen sich ausgezeichnet für das Fotografieren von Wasservögeln. Ihre Konstruktion muss einfallsreich sein, und sie müssen mit weiser Voraussicht genutzt werden. Ein Schwimm-Versteck sollte nie ohne Schwimmweste oder Taucheranzug in Gewässern genutzt werden, in denen man keinen Bodenkontakt mehr hat. Schwimmende Verstecke auf großen Gewässern oder vor der Meeresküste zu nutzen erfordert besondere Vorsichtsmaßnahmen, da der Wind das Versteck mit dem Fotografen ins offene Wasser hinaus treiben kann. Wenn die Füße den Grund nicht mehr erreichen können, es keinen Anker gibt, und man kein wasserdichtes Gefährt hat, lohnt das Risiko nicht.
Wenn schwimmenden Verstecke bis hinein in den kälteren Teil der Saison genutzt werden, ist es wichtig, die unteren Körperteile warm halten zu können. Dann kann man auch im Wasser arbeiten, ohne zu riskieren, dass sich durch das häufige Nutzen eines Schwimm-Verstecks rheumatische oder Unterleibskrankheiten entwickeln, die sich möglicherweise erst Jahre später zeigen.
 
Haubentaucher-Familie beim morgendlichen Schwimmausflug. Das kleine Küken lässt sich huckepack transportieren, während es gleichzeitig sein Daunengefieder pflegt. Foto aus einem Schwimm-Versteck.
 
Auch ein Auto kann als mögliches Versteck dienen, von dem aus man mit ein bisschen Glück das Naturleben fotografieren kann. Aber die Kamera muss auf dem Schoß oder auf dem Nebensitz bereit liegen.
Das Versteck-Spiel macht viel Spaß und würzt das Leben mit unvergesslichen Erinnerungen. Es lohnt sich, mit der einfachsten Form mit Tarnkleidung zu beginnen und auf die Windrichtung zu achten. Und wenn man sich keine Zelte oder Unterstände bauen kann, kann es sich lohnen, sich nach kommerziellen Angeboten umzusehen. In Estland machen das bereits sehr viele. Also schnell verstecken - die Tiere könnten schon bald auftauchen!
 
Diese Brandgans war der erste "Star" auf einem meiner Fotos von einem Zelt aus.
 
Siehe auch die Webseite, auf der dieser Artikel ursprünglich veröffentlicht wurde: http://blog.photopoint.ee/
 
Artikel veröffentlicht im Estnischen Looduskalender am 13. Januar 2010


 

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