Das Lied vom Tuhala Hexen-Brunnen

Komponist: Urmas Sisask
 
Hören Sie das Lied:
 
 
Über 55 000 Unterschriften sind Ende April 2010 gesammelt worden, um die geplante industrielle Gewinnung von Kalkstein in der Tuhala Nabala-Region zu stoppen. Zur Zeit ist das Problem noch ungelöst (Anfang Mai 2010).
Mehr über den Hintergrund sowie einen Link zu weiteren Informationen und zur Unterschriften-Liste am Ende dieses Artikels
 
Ein Besuch bei Ants Talioja, um den Geist von Tuhala zu erleben:
Tuhala, unterirdische Flüsse, Pläne für Kalksteinbrüche, besorgte Einwohner, enttäuschte Unternehmen. Und eine unverantwortliche Regierung?
 
Als die Idee aufkam, nach Tuhala zu fahren, um Ants Talioja gemeinsam mit Geologen und Umweltschützern zu besuchen, damit wir eine Vorstellung von seinem Kampf gegen den Kalkstein-Tagebau erhalten, versuchte ich mich zu erinneren, wann ich Ants zum ersten Mal besucht hatte. Für mich ist er immer dort gewesen. Eine ständige Präsenz. Mit meinem Freund Jaan Riisa haben wir das Anschwellen des Tuhala Hexen-Brunnens als sozusagen großartige Nachrichtengeschichte beobachtet. Dies hat sich in unser Gedächtnis eingeprägt als das Zusammenwirken dreier Männer: das Wissen des Geologen Ülo Heinsalu, der Skulpturenpark des Bildhauers Ülo Õun und die grenzenlose Begeisterung und Hingabe von Ants.
Die Geschichte der Tuhala Region wurde ein wesentlicher Bestandteil der estnischen Kultur, ebenso wie der unermüdliche Erzähler der Geschichte, Ants Talioja.
Man kann endlos mit Ants diskutieren: Energie-Säulen, unterirdische Flüsse und alles, was dazugehört. Viele meiner Bekannten stimmen nicht mit seinen Ansichten überein, aber es gibt niemanden, der Ants nicht respektiert. Dank meines Ex-Kollegen Journalist Tiit Kändler wurde ich vertraut mit der Vorstellung eines "genius loci", des „Geistes eines Ortes"und dies ist wie ich denke die bestgeeignete Art und Weise, Ants zu charakterisieren. Solche Leute sind wertvoll, man muss sie erhalten.
"Green Gate" besuchte Ants am 28. April 2008 mit den Geologen Rein Einasto und Rein Perens und Umweltschützer Marek Strandberg.
An einem schönen Frühlingstag an einem runden Steintisch neben dem Tuhala Hexen-Brunnen führte Ants zunächst die Ergebnisse der Geo-Radar-Untersuchungen des finnischen Unternehmens Roadscanners OY vor. Es wurde erwähnt, dass in Tuhala sowie in Nabala ein ausgedehntes Netz unterirdischer Flüsse gefunden worden war.
Wie üblich brach ein heftiger Streit aus. Da die Ergebnisse der Untersuchung noch nicht mit andere Methoden geprüft wurden, wird die Wahrheit erst irgendwann in der Zukunft zu Tage treten.
Das brennendste Thema war der für die Menschen in der Region Tuhala erschreckende Umstand, dass drei Unternehmen - OÜ Paekivitoodete Tehas, OÜ Merko Kaevandused und AS Kiirkandur - auf die Erlaubnis zur Anlage von sieben Kalksteinbrüchen in der Umgebung warteten. Ich hörte der Diskussion am Tisch zu, wie man die Wirkung der Kalksteingewinnung auf den Grundwasserspiegel der Umgebung ermitteln sollte, aber zur gleichen Zeit hatte ich das Gefühl, dass nicht dies alles, sondern etwas ganz anderes hier das vielleicht Wichtigste sei.
Der Exil-Este Enn Andersoni war an der Rettung der antiken Tempelanlage Abu Simbel in Ägypten vor der Überflutng durch den Nasser Staudamm beteiligt. Sie wurde 64 Meter höher gesetzt ...
Wie also den Geist von Tuhala bewahren? Ist das Wissen eines Ingenieur dafür ausreichend? Wie man von einem Unternehmen erwarten darf, wurde auch gefragt, wie das Problem der bedrohten Trinkwasserressourcen in Zuammensicht mit dem regnerischen und wasserreichen Estland erscheine; würde eine vierspurige Autobahn zwischen Tallinn und Tartu wirklich gebraucht; sollte die Regierung die Förderung des kommunalen Verkehrs bevorzugen etc, etc.
Aber was schließlich übrig blieb, war die Erkenntnis eines gravierenden Mankos in der Organisation unseres Gemeinwesens. Die Regierung hat für die Bestandsaufnahme der geologischen Ressourcen die oben genannten Gesellschaften in Anspruch genommen. Ein Unternehmen kauft Land, beauftragt Untersuchungen und die Bewertung der Auswirkungen auf die Umwelt. Es investiert einen großen Geldbetrag in das alles - und bewirkt damit offensichtlich die Voraussetzung dafür, die Grabungserlaubnis als Gegenleistung für das angelegte Geld zu bekommen.
Die Gemeinde mit ihren kommunalen Interessen gerät in die Rolle eines Waisen. Natürlich will niemand eine Industrie-Landschaft vor seiner Haustür und in seinem Hinterhof. Aber die Gewinnung muss irgendwo stattfinden, wenn wir eine vierspurige Autobahn Tallinn-Tartu haben wollen.
Nur - wollen wir dies wirklich?

Autor: Tiit Lepik, Roheline Värav (Green Gate), 9. Mai 2008.
Übersetzung ins Englische: Liis
Übersetzung vom Englischen ins Deutsche: Leonia
 
 
Über Tuhala - kurze Hintergrundinformation
Tuhala und das nahegelegene Nabala bilden die größte Karstlandschaftsregion Estlands mit Höhlen, unterirdischen Flüssen, Brunnen und Senken.
Tuhala liegt süd-südöstlich von Tallinn, an der Hauptverbindung Tallinn-Tartu. Es ist seit 1989 Naturschutzgebiet und besonders bekannt durch den "Hexen-Brunnen", Nõiakaev, dessen Wasser überläuft ("kocht") wenn benachbarte Flüsse Hochwasser führen. Der Überlauf kann Tage bis Wochen dauern.

Tuhala wurde erstmals in der wissenschaftlichen Literatur im Jahre 1782 von Professor Wilhelm Humpel beschrieben. Untersuchungen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bis heute wiesen ein komplexes Netz unterirdischer Flüsse und Grundwasserströme aus.
Einige der geplanten Tagebaue sollen bis in eine Tiefe von etwa 20 Metern führen und damit unter den aktuellen Grundwasserspiegel. Die Steine werden in erster Linie für eine geplante 4-spurige Autobahn Tallinn-Tartu benötigt. Es besteht Uneinigkeit über die Ergebnisse der jüngsten geo-hydrologischen Untersuchungen, ihre Interpretation und die verwendeten Modelle, die die Auswirkungen der Steinbrüche auf die Hydrologie zeigen sollen.
 
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