Marko und "Habe"
Habe ("Bart")ist ein männlicher Wolf der am 23. Mai um 14 Uhr mit einem Sender ausgestattet wurde. Als er gefangen wurde wog Habe 40,8 kg. Körperlänge 127 cm. Das Alter wurde auf drei Jahre geschätzt.
Besonderes Erkennungsmerkmal: ein ungefähr 3 x 2 cm großes Stück fehlt am linken Ohr.
Marko Kübarsepp, vertraut mit dem Thema der großen Wildtiere, sprach 2010 im Journal Loodusesõber über den Zustand der Wölfe in Estland.
Mark Kübarsepp, was waren als Kind Ihre Interessen und Beschäftigungen? In der Schule? Wie und warum sind Sie auf den Wolf gekommen?
Meine Interessen in der Kindheit hatten natürlich immer mit Spielen zu tun. Nachdem ich in Tallinn geboren wurde, habe ich mich immer danach gesehnt, auf das Land zu gehen, zu meiner Großmutter die am See Võrtsjärv lebte. Zusammen mit meinem Bruder waren wir während der Schulferien dort. Das schlimmste Gefühl war immer wenn wir im Herbst, nach langen Ferien von der Schule, als auch von der Stadt, zurück zum Asphalt gehen mussten. Mit meinem Bruder waren auch unsere Cousins bei meiner Großmutter. Wir waren zu viert, und wir spielten zusammen und machten alles Mögliche. Ich mag vielleicht 11 gewesen sein, als ich begann, mich mehr als meine gleichaltrigen Freunde, für die Natur zu interessieren. Ich nehme an, ich war 12 Jahre alt, als mir mein Großvater das Buch von Nikolai Rukovski “Mööda ulukite jälgi” (Entlang der Wildspuren) gab. Zusammen mit meinem Bruder und Cousins gingen wir zuerst im Wald und Feld herum und lernten über Spuren aus dem Buch. Nachdem wir nicht wirklich alleine im Wald herumstreifen durften, mussten wir etwas erfinderisch sein. Ich versuchte auch, meine Eltern zu überreden mich auf dem Land in die Schule zu lassen, doch das führte natürlich zu nichts….wenigstens erreichte mich auf diese Art die Liebe zur Natur.
Ich las das Buch von Großvater sehr gründlich und nahm es sogar mit in den Wald. Ichsammelte Spurenkarten und solche Sachen und baute mir sogar eine Gipssammlung von Gipsabdrücken von Spuren auf. Leider sind nur noch wenige Exemplare davon übrig. Leise vertiefte sich meine Liebe zur Natur und vor allem die Zoologie der Säugetiere, immer mehr.
Wölfe haben mich, seit ich denken kann, interessiert, doch nachdem es in der Nähe von Großmutters Zuhause keine Wölfe gab, konnte ich sie nicht studieren. So begann ich mich im Winter 1997 ernsthaft mit Wölfen zu beschäftigen, als ich das erst Mal zum Alam-Pedja Naturschutzgebiet kam. Alam-Pedja reizte mich vor allem weil es dort so viele Wölfe gab und es dazu geeignet schien, mehr über den Wolf als Art zu erfahren.
Dort habe ich auch die Bekanntschaft mit dem damaligen, inzwischen verstorbenen, Direktor des Naturschutzgebietes, Einar Tammur, gemacht, der selbst großes Interesse an Wölfen hatte. Ich möchte ihm hier noch einmal für alles danken. Einar war eine große Unterstützung und half die Feldarbeit auszuführen und die örtlichen Konditionen kennen zu lernen. Meine Besuche in Alam-Pedja wurden immer häufiger, bis ich dort zeitweise sogar gelebt habe.
Ihre erste oder die denkwürdigste Begegnung mit Wölfen?
Das war 2001, als ich Alam-Pedja mit Ilmar Rootsi besuchte, um Wölfe anzulocken. Durch nachahmendes Heulen, rief Ilmar einen Wolf bis auf nur ca. 5 Meter Entfernung heran. Wir standen auf einer Seite eines Grabens, der Wolf auf der anderen. Da es so ruhiges Wetter war, roch uns der Wolf nicht und kam so nah, ohne irgendetwas zu ahnen. Das Keuchen des Wolfes und seine eifrigen Versuche den Geruch des fremden „Wolfes“ einzufangen, waren hörbar. Als ob ich mit meinem eigenen Hund spazieren ginge.
Das war mein erstes Zusammentreffen mit einem Wolf in solcher Nähe, und das Gefühl war in jeder Hinsicht erhebend. Danach gab es mehrere solche Treffen (ich erinnere mich nicht wie viele genau) in Alam-Pedja und sonst wo in Estland.
Wie ist das allgemeine Niveau der Raubtier Forschung in Estland und in welche Richtung, denken Sie, wird das gehen? Haben Sie über die letzten Jahrzehnten Änderungen bemerkt?
Verglichen mit dem restlichen Europa steckt die Raubtier Forschung hier noch in den Kinderschuhen. Im Falle eines so kleinen Landes wie Estland denke ich, dass es nicht korrekt ist, über Wildtier Forschung zu sprechen. Die große Mehrzahl der Studien beruht auf Begeisterung einiger weniger Forscher. In den letzten paar Jahren gingen die Dinge in dieser Hinsicht sogar noch weiter bergab. Im Zusammenhand mit dem Rückgang der allgemeinen wirtschaftlichen Lage hier wurden die Mittel für Wildtier Forschung stark beschränkt. Gleichzeitig ist es nicht überraschend, denn dieses Gebiet fordert die meisten Mittel aller Branchen der Biologie. Daher können nur reiche Länder sich das leisten: dort, jedoch wurde große Raubtiere leider längst, zusammen mit den für sie passenden Lebensräumen, vernichtet.
Sie leben und führen Ihre Forschungen in diesem Lande durch. Sind die örtlichen Reaktionen ähnlich denen die in den Nachrichten gezeigt werden? Die Haltung derer, deren Leben vielleicht am meisten von Wölfen beeinflusst ist?
Ich mag keine Verallgemeinerungen, doch auf Grund meiner Erfahrungen kann ich sagen, dass es überall in Estland ähnlich ist. Viel hängt sicherlich von Bildung und Erfahrungen der Menschen ab. Wer viel negative Erfahrungen in Zusammenhang mit Wölfen gemacht hat, reagiert negativ. In gleicher Weise erregen Wildschweine nicht viel Freude bei einem Kartoffelbauern, dessen Kartoffeln sie im Hochsommer „ernten“. Auf dem Land kommt es leichter zu „Kollisionen“ zwischen Mensch und Wildtieren. Ich habe Geschichten weit zurück in der Kindheit gehört, in denen Wolfsterror beschrieben wird, sogar von Menschen die auf dem Land aufgewachsen sind, und solche Erfahrungen halten sich lange, sogar wenn überhaupt keine echten Kontakte mit Wölfen vorkommen.
Wie geht es unseren Wölfen im Moment? Wo gibt es womöglich zu viele von ihnen, und gibt es Gegenden, die sie aus irgendeinem Grund verlassen mussten?
Im Moment steht es recht günstig um unsere Wolfspopulation. Es gab bisher genug von ihren Grundnahrungsmitteln und der Jagddruck war in den letzten Jahren moderat. Tatsächlich blieb die Anzahl der Wölfe relativ stabil von dem Moment an, als eine bestimmte Jagdzeit und genaue Abschussquoten vorgeschrieben wurden. Die Jagdquoten basieren auf den Ergebnissen der jährlichen Beobachtungen. So beträgt die in dem „Suurkiskjate kaitse- ja ohjamiskavas – Schutz- und Management Programm für große Raubtiere“ empfohlene Anzahl der Wolfspopulation 100 – 150 Tiere. Vor einigen Jahren kam es zu einem relativ starken Anstieg der Anzahl der Wölfe, und so mussten mehrere von ihnen erjagt werden. Einer höheren Anzahl folgt automatisch größerer Schaden an Haustieren. In der Tat ist das einer der Hauptgründe, warum die Anzahl der Wölfe kontrolliert bleiben muss. Die Untaten bleiben in der Regel nicht unbeobachtet von Menschen, erzeugen Groll, Wut und Trotz gegen die Wölfe. Die negative Einstellung der Gesellschaft dem Wolf gegenüber ist tatsächlich eine der größten Bedrohungen für diese und andere Arten. Hier greift das altbekannte Sprichwort „Wölfe die gefressen haben halten Schafe gut und gesund“.
Wölfe die in verschiedenen Gegenden von Europa leben sind unterschiedlich. Wie groß sind unsere Wölfe und wie gesund?
Der Wolf, der in Estland lebt gehört nicht zu den größten in der Welt. Das Durchschnittsgewicht von Wölfen, die hier geschossen wurden war 38 Kilo. Doch es gibt auch Einzeltiere mit bis zu 50 kg. Geschichten von Wölfen mit über 80 kg sind eindeutig übertrieben. Die größten Wölfe leben in der subarktischen Zone – Nordkanada, Grönland und den russischen subarktischen Inseln. Deren Gewicht erreicht durchschnittlich 70 kg.
Die Parasitenfauna der Wölfe ist, mit Blick auf ihre Nahrungspräferenzen, ziemlich unterschiedlich. Ein Fünftel der Wölfe, die letzten Winter getötet wurden, hatten Anzeichen von Krätze (Räude), was eindeutig eine ziemlich ernsthafte Gefahr ist. Die zunehmende Verbreitung von Räude scheint zu einem starken Anstieg bei kleinen Raubtieren zu führen, was umgekehrt mit der Anti-Tollwutimpfung in Zusammenhang steht. So hat die Natur selbst einen Ersatz für die Tollwut gefunden.
Für das Studium und auch die Jagd ist eine Schneedecke eine große Hilfe.
Die Schneedecke spielt tatsächlich eine wichtige Rolle sowohl beim Wolfsstudium als auch bei der Wolfsjagd. Den Spuren im Schnee zu folgen, ermöglicht uns die Bewegungen der Tiere zu beobachten und zu erklären, die Größe der Lebensräume, Jagdgewohnheiten und vieles mehr. Für die Jäger ist der Schnee eine große Hilfe den Aufenthaltsort des Raubtieres zu bestimmen. So beeinflusst unser recht wechselhaftes Wetter sowohl die Feldarbeit als auch den Jagderfolg sehr deutlich.
*Das Interview wurde im Journal Loodusesõber im Winter 2010 veröffentlicht.
Derzeit hat sich die Situation deutlich verbessert: im Jahr 2012 wurden in Estland drei Wölfe mit Sendern ausgestattet, und den Wölfen auf einer täglichen Basis zu folgen wird vom KIK ((Keskkonnainvesteeringute Keskus – Estnischem Umweltinvestitionszentrum) unterstützt.
Marko Kübarsepp in der Stadt-Bibliothek von Viljandi
Am 13. Februar, Beginn um 17:30 Uhr, findet im 3. Stock der Ausstellungshalle der Stadt-Bibliothek von Viljandi (Tallinna 11/1) ein Natur Abend “Tier des Jahres – Wolf” statt. Gast des Naturabends ist der Leiter der Raubtier Überwachung der KIK Abteilung für Wildtierüberwachung, Marko Kübarsepp. Der Wolf, als Tier des Jahres, insbesondere seine Verbreitung in Estland und in der Welt und seine Rolle im Ökosystem werden präsentiert werden. Das Verhalten der Art und andere interessante Aspekte werden begutachtet und Überwachung und Untersuchungstechniken in Estland und vorläufige Ergebnisse werden vorgestellt.
Der Eintritt ist frei. Die Natur Nacht wird 2 Stunden dauern