Mein Großvater Gustav Vilbaste schrieb 1939 in seinem Aufsatz „Taimedega värvimisi Eestis – Pflanzenfärbung in Estland”, dass „kornblumenblaue Blüten in früheren Zeiten zum Färben nicht ungenutzt bleiben konnten, weil die schöne Blütenfarbe den gleichfarbigen Farbstoff erzeugte.”
Die Leute von Kullamaa waren in der Lage, aus Kornblumen Dunkelblau zu gewinnen, aber ebenso jene in Setomaa und Rakvere. Und Jaan Jakobson hat eine lange, eingehende Anweisung aus Vastseliina aufgezeichnet, wie man aus Kornblumen ein Blau erzeugt, dass nicht durch Waschen oder durch Sonneneinwirkung ausbleicht.
Es gibt sicherlich viele Dinge, die wir über unsere Nationalblume noch zu entdecken haben. Vielleicht sogar, wann Kornblumen auf unseren Feldern zu blühen beginnen? Als ich meine Facebook-Freunde dazu befragte, meinten sie, es müsse um das Sängerfest herum sein, weil jeder Kornblumen in den Händen oder auf den Köpfen trage. Aber das sind meist Garten-Kornblumen. Hervorragend, dass Estland die e-Biodiversitäts-Datenbank hat, denn dort fand ich durch einen Hinweis des Pflanzenspezialisten Toomas Kukk den frühesten Fund – von meiner Studienfreundin Jana-Maria Habicht am 17. Juni gepflückte Kornblumen. Dort ergab sich auch, dass Kornblumen in Estland hauptsächlich im Juli blühen und dies bis Ende September dauert.
Zu einer Überraschung fand ich diese Woche in meiner eigenen Bildersammlung ein Foto einer blühenden Kornblume, dass ich am Võrtsjärv-See am 15. Juni gemacht hatte. Vom Kranbeeren-Anbauer Toomas Jaadla kommend, konnte ich einfach nicht an diesem Kornblumenfeld vorbeifahren ohne anzuhalten und ein paar Blumen zu pflücken. Also bedarf das Leben unserer Nationalblume eines genaueren und landesweiten Monitoring.
Es gibt einen weiteren interessanten Umstand, den Menschen, die noch keine Kornblumen auf einem Feld gepflückt haben, nicht wissen. Eine Kornblume kann tatsächlich mehr als einen Meter hoch wachsen. Gerade über den Kopf eines kleinen Kindes. An der Spitze des Kornblumenstengels gibt es nicht nur eine „Blüte“ – sondern vielmehr einen schönen blauen Blütenstand; es gibt da mindestens ein halbes hundert hervorsprießend. Alle in verschiedenen Stadien des Blühens – einige bereits weiß vor Alter, einige noch in der kegelförmigen Knospe, mit nur wenig blau unten an der Spitze.
Während viele behaupten, dass Kornblumen auf verdreckten Feldern wachsen würden, ist sie für mich ein Symbol der Reinheit und eine rein ökologische Nahrung. In mit Unkrautvernichtern besprühten Gebieten kann sie nicht wachsen. Aber auch dieses Thema bedarf einer genaueren Erforschung.
Kornblumensamen zwischen Roggen oder Weizen zu finden ist schwierig, daher hält sie sich hartnäckig auf unseren Feldern wachsend. Um Kornblumen zu pflücken, muss man immer eine Schere oder ein Messer mitnehmen, man kann sie nicht abbrechen. Entweder verlässt sie das Feld vollständig – mit der Wurzel – oder die Blume, die zu Pflücken versucht wurde, verbleibt, abgeknickt. Aber die übrigen Blumen versuchen, desto beharrlicher Samen anzusetzen und eine neue Generation zu erschaffen.