Herausgeber der wissenschaftlichen Nachrichten des Jahres der Kohlmeise Marko Mägi, marko.magi@ut.ee, Vogelforscher an der Universität Tartu
Photo Marko Mägi
Übersetzung ins Englische Liis
Vom Englischen ins Deutsche Leonia
Nistkästen für Kohlmeisen
Wer würde nicht einen singenden Star oder eine Kohlmeise im eigenen Garten an einem Frühlingsmorgen lieben? Das planvolle Anbringen von Nistkästen in Gärten ist eine der einfachsten Möglichkeiten, Brutmöglichkeiten für Höhlenbrüter zu schaffen. Darüber hinaus ist das Anbieten von Nistkästen in Gärten eine einfache Methode festzustellen, ob und wie sehr sich die Zahl der Vögel dadurch erhöht hat – falls es vorher keine Vögel gab, aber viele Arten nach dem Anbringen der Nistkästen vorhanden sind, ist es nachvollziehbar zu glauben, dass es bis dahin ein Mangel an für die Vögel geeigneten Höhlen gab. Jedoch ist es am Beispiel eines einzelnen Gartens schwierig, irgendwelche wesentlichen Schlussfolgerungen zu ziehen und die Frage zu beantworten, ob die Brutdichte der höhlenbrütenden Vögel durch die Nutzung von Nistkästen tatsächlich ansteigt. Die Wälder in Nordwest-Estland in der Region Kilingi-Nõmme bieten uns darauf eine Antwort. Über Tausend dort angebrachte Nistkästen wurden von den Vogel-Forschern der Universität Tartu schon seit Jahrzehnten überwacht.
In den Wäldern hatten die aufgehängten Nistkästen einen positiven Einfluss auf die Brutdichte der Kohlmeisen. In Gebieten ohne Nistkästen in Laub- beziehungsweise Nadelwäldern lag die Brutdichte bei 1,8 beziehungsweise 0,2 Paaren je gezähltem Kilometer. Mit dem Anbringen von Nistkästen im Wald stieg die Zahl der Brutpaare in Laufwäldern um das 2,9-fache (auf 5,2 Paare) und in Nadelwäldern um das 16,5-fache (auf 3,3 Paare). Der starke Anstieg in Nadelwäldern war erwartbar, weil es dort wenige passende natürliche Höhlen gibt. Aber auch in Laubwäldern, welche ein Vorzugshabitat der Kohlmeise sind, stieg die Brutdichte an und und dies offensichtlich, weil Nistkästen häufig von besserer Qualität (größer, trockener, sicherer) sind als natürliche Höhlen. Im Lichte wissenschaftlicher Forschungsergebnisse betrachtet, kann die Nutzung von Nistkästen im Hausgarten ebenso empfohlen werden wie im Wald.
Aber ist es so einfach? Aus der Ökologie ist bekannt, dass mit dem Ansteigen der Brutdichte negative Effekte auftreten können. In Hausgärten sind diese Effekte nicht unbedingt feststellbar, weil häufig eine ausreichende Anzahl von Nistkästen oder in ihnen brütende Vögeln fehlen. Darüber hinaus verlangen präzise Untersuchungen häufig, dass die Vögel eingefangen oder in irgendeiner Form während der Brutperiode gestört werden, was in der Regel nur Wissenschaftlern gestattet ist.
Verschiedene Fallen werden genutzt, um Nistvögel einzufangen, aber es gibt auch eine ganz andere Art von Falle – die ökologische Falle – in welcher der Vogel, der dorthin gelockt wird, Schaden erleidet. Ökologische Fallen sind unsichtbar und ihr Existenz wird nur durch Untersuchungen erkennbar. Ökologische Falle ist ein Name für eine Situation, in der scheinbar alle Voraussetzungen für eine erfolgreiche Brut vorhanden sind, aber dennoch ergeht es den Individuen schlecht und ihr Bruterfolg in einem anscheinend günstigen Lebensraum ist niedrig.
Die Verwendung von Nistkästen kann ganz leicht durch das Anbringen einer undurchdachten Anzahl von Nistkästen in einem für die Vögel günstigen Lebensraum eine ökologische Falle entstehen lassen. Die Falle wirkt auf die Vögel durch evolutionär begründete Entscheidungsregeln, die sie nur schwer ignorieren können. Im Fall der Kohlmeise kann dies zum Beispiel das Vorhandensein einer Höhle sein. Von der evolutionären Entwicklung her haben Kohlmeisen lange Zeit in Laubwäldern mit einer ausreichenden Anzahl von Höhlen und genug Futter, ihre Jungen aufzuziehen, genistet. Daher ist die Beziehung zwischen attraktiven Brutplätzen und einer erfolgreichen Brut verwurzelt. Aber da neben Kohlmeisen viele andere Vogelarten gern in Laubwäldern nisten, kann das Anbringen von Nistkästen die Brutdichte zu einer Höchstgrenze führen, bei der es nicht genügend Nahrung zur Aufzucht der Küken gibt. Die Falle kann besonders in relativ kleinen Waldbeständen, die zum Beispiel durch landwirtschaftliche Felder vom Rest einer Waldlandschaft getrennt sind, gefährlich werden. Forschung in Südwest-Estland zeigt, dass ein Laubwald insbesondere unter bestimmten Bedingungen eine ökologische Falle werden kann. Die Brutdichte von Kohlmeisen ist in Laubwälder dort niedriger als in Nadelwäldern. Das ergänzende Anbringen von Nistkästen in Nadelwäldern jedoch hat einen positiven Effekt auf Kohlmeisen, weil dies eine Möglichkeit eröffnet, eine bisher ungenutzte Nahrungsquelle zu nutzen, die dort lebenden Insekten.
Am Beispiel der Kohlmeisen konnten wir ziemlich gut auf den Entstehungsmechanismus einer möglichen ökologischen Falle aufmerksam werden. Ihn zu verfolgen jedoch dauerte mehrere Jahre. Dies ist eines der Merkmale ökologischer Fallen – sie sind heimtückisch und schwer feststellbar. Bevor man Nistkästen anbringt, sollte man sorgfältig prüfen, wie viele und wo sie platziert werden sollten, damit sie nicht schaden, statt für die Vögel von Nutzen zu sein.
Mänd R, Leivits A, Leivits M, Rodenhouse NL, 2009. Provision of nest-boxes raises the breeding density of Great Tits Parus major equally in coniferous and deciduous woodland. Ibis 151: 487−492. DOI: 10.1111/j.1474-919X.2009.00929.x
Mänd R, Tilgar V, Lõhmus A, Leivits A, 2005. Providing nest boxes for hole-nesting birds – Does habitat matter? Biodiversity and Conservation 14: 1823−1840. DOI 10.1007/s10531-004-1039-7