Linda! Weine woanders!

Autorid

Text Kristel Vilbaste

Übersetzung ins Englische Liis

Vom Englischen ins Deutsche Leonia

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Textkörper

Lindas Felsblock im Ülemiste-See. Postkarte ca. 1920er Jahre

Letzte Woche ging eine Meldung durch die Zeitungen, dass Muinsuskaitseamet (die Estnische Nationalerbe-Behörde) letztlich die Erlaubnis für die Entfernung dreier Opferfelsblöcke gewährt hat, die den Ausbau des Tallinner Flughafens behindern. Das Bemerkenswerte an den Nachrichten ist jedoch der Umstand, dass ein 100 Tonnen Opferfindling mit Sägen in vier Teile gesägt und zu den anderen transportiert werden sollte.

Unwillkührlich kam mir die Geschichte des heilfähigen Meeksi Jaani-Felsens von Setomaa in den Sinn. Dort hatte ein Herr vor ein paar hundert Jahren den Einfall, seine Viehställe könnten aus diesem Stein eine schöne Grundmauer erhalten. Er hat den Jaani-Felsblock zerkleinert und die Stücke in die Grundmauer eingefügt. Jedoch begannen die Tiere im Stall zu sterben und Weise rieten ihm, den Fels an seinen ursprünglichen Ort zurückzubringen. Dies geschah und die Krankheit endete. Der Fels steht jetzt an seinem ursprünglichen Platz in vier Teilen und jedes Jahr drängen sich dort Menschen, um für ihre Gesundheit ein Opfer darzubringen. Sie sagen, es helfe.

Soll man alten Geschichten glauben? Natürlich gibt es viel Unglaubliches in ihnen. Vieles, dass wie eine Übermaß-Mystifizierung und vieles das wie Übertreibung erscheint. Aber die Geschichten sind es wert, sie anzuhören. In ihnen sind auch die Werte unserer Vorfahren niedergelegt. Die Geschichten sind mächtiger und strenger als heutige Gesetze und Strafen. In ihnen beschriebene Auswirkungen der Vernachlässigung der Werte kann man mit beschämenden Einträgen in heutigen Medien vergleichen. Etwas, dass sogar heute noch von ruchlosen oder korrupten Geschäftsleuten gefürchtet wird.

Natürlich kann man fragen, was diese alten Felsen mit der heutigen technologischen Gesellschaft zu tun haben, wer sie immer noch anbetet? Wann ist zuletzt ein Vertreter überlieferten Glaubens gekommen, um dem Flughafen-Felsblock Opfer zu bringen?

Aber man kann auch fragen, ob diese Flughafenerweiterung überhaupt notwendig ist? Vielleicht sind diese Steine da als Symbol, dass wir vernünftige Entscheidungen treffen sollten. Ist es nicht klüger, den Flughafen Ämari statt dessen zu erweitern oder einen separaten Flughafen für den Warentransport zu bauen, damit der Flughafen von Tallinn nicht über seine Grenzen wächst und das einzige Trinkwasserreservoir Tallinns gefährdet? Zum Glück wird er von Linda bewacht. Ich hoffe aufrichtig, dass niemand auf die Idee kommt, Lindas Felsblock vom Ülemiste-See zu entfernen.

Der Ausbau des Flughafens von Tallinn erinnert sehr stark an die Entwicklung des Tiefwasserhafens Saaremaa. Erinnern Sie sich noch an die Streitereien vor 15 Jahren über die Lage des Hafens? Der Hafen, den Naturschützer von Undva, einem der schönsten Orte und Nationalparks von Saaremaa fernhalten konnten. Der aber unglücklicherweise am Ufer gegenüber einem anderen wichtigen heiligen Bereich und touristischen Objekt, der Panga-Steilküste verwirklicht wurde. Wo sind nun die versprochenen weißen Schiffe? Wo ist das versprochene Aufblühen Saaremaas und wo sind die Scharen der Touristen?

Ein ähnliches „Hauptobjekt“ entsteht auf der Grundlage unserer heiligen Quellen und der noch erhaltenen heiligen Haine. Der Bau der baltische Eisenbahntrasse zerstört viele heilige Orte, schneidet lebenswichtige Wasseradern ab. In Berichten wurden diese Plätze alle von Forschern aufgezeigt. Wenn man die Liste anschaut, wird man von Traurigkeit überwältigt. Während Felssteine zerlegt und entfernt werden können, kann man Quellen nicht schließen. Das Wasser fließt irgendwo anders heraus, aber es kann unsere Brunnen trocken fallen lassen, die mit Euro-Geldern entstandene Wasserwirtschaft kleiner Gemeinden auf den Kopf stellen.

Um so mehr, als nicht mehr bekannt ist, wer die Entscheidung für die Menschen getroffen hat. Wer in unserem Land beschlossen hat, dass die neue Eisenbahn über heilige Stätten gebaut werden soll. Die Journalistin Inga Raitar sucht bereits seit langem nach Dokumenten, in denen klar erklärt wird, wer die Gründung der baltischen Bahn in Estland beschlossen hat und wessen Unterschrift dort steht.

Es ist immer noch möglich, seinen Namen gegen die Trasse des Eisenrosses zu setzen, der Estland mit Zäunen in zwei Hälften teilen wird. Die Trasse, deren Nutzen sich die meisten Esten wahrscheinlich nicht vorstellen können. Wer reist in diesen Tagen 10 Stunden nach Europa, welche Waren müssen in solchen Mengen nach Europa gebracht werden, dass man Milliarden daran verschwendet.

Ein anderer Zaun kommt unmittelbar neben die Bahn: wieder spricht man von der vierspurigen Tallinn-Tartu-Autobahn. Die beiden Zäune werden so eng und so undurchdringlich für Tiere sein, dass die Naturschützer untereinander scherzen, Estland baue Barrieren gegen Schakale.

Vielleicht sind es die Erkennungszeichen, die unseren Vorfahren zeigten, dass sie nicht überschritten werden sollten? Es fehlt nur eine Sage vom Sturz des feuerspeienden Eisenrosses in die Hölle von Viru, und vom Sieg des Drachentöters, damit alle glücklich und zufrieden leben könnten.

Lasst uns die Daumen drücken, dass beim Bau der Autobahn Tallinn-Tartu und beim Ausbau des Dammes keiner auf die Idee kommt, Lindas Felsblock vom Ufer des Ülemiste-Sees entfernt und sagt: “Linda! Weine woanders!”

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