Vierte Oktoberwoche: Pechschwarze Dunkelheit und zweiter Frühling

Text: Kristel Vilbaste, loodusenaine@hot.ee
Fotos: Arne Ader
 
Später Altweibersommer: gelbes Rapsfeld und gelbes Birkenwäldchen
 
In der pechschwarzen Dunkelheit des Oktoberabends stolperte ich nach Hause. Die Hülle aus Dunkelheit war so dicht, dass einzig das Licht des leuchtenden Großen Bären sich durch die Löcher der Hülle zeigt. Nein, wenn ich nach oben schaue, gibt es ebenso die eng besternte Milchstraße und den leuchtenden Jupiter, den kaltweißen Polarstern und den dicht-gepunkteten Großen Wagen. 
 
Die vier Wetterzeichen dieser Woche:
Schwarzer bestirnter Himmel,
schwarze hungrige Meisenaugen,
schwarze schlangenähnliche Baumkronen
und bereiftes Gras.
 
Die Nase gen Himmel gewandt (Kopf im Nacken) und der Geist grübend, ob der helle Streifen quer über den Himmel ein Nordlicht sei, stolperte ich über einen Maulwurfshaufen. Zum Glück sind die herbstlichen Bauten der Samtpelze noch weich, dem Frost ist es noch nicht gelungen, die Ökohäuser auszuhärten. Hartnäckig wieder nach dem Kleinen Bären suchend, der beim Polarstern beginnt, stolpere ich über den nächsten und wieder über einen weiteren Maulwurfshaufen. In der Tat werden die Maulwürfe jeden Herbst verrückt, vielleicht rumpeln die Rasenmäher nicht mehr so schrecklich und die Maulwürfe feiern Feste in den frühen Morgenstunden. Es scheint keinen Mangel an Regenwürmern zu geben, sie kriechen haufenweise nach einem Regen über den Asphalt, so dass es später Berge von in der Sonne gedörrten Regenwurm-Chips für die Vögel gibt. Aber es gibt keine Vögel, sind alle die Milchstraße entlang nach Süden gezogen, um im Süden das neue Jahr zu erwarten ... ? Oder ob die Uhr-Umstellungs-Wirren ihre morgendliche Mahlzeit ebenfalls zeitlich versetzt hat.
 
Es gibt in Estland Ende Oktober etwa zwanzig Arten von herumfliegenden Nachtfaltern. Buchenfrostspanner
 
Leerer Wald und leere Wiese
Letztes Jahr um diese Zeit konnte ich noch schreiben, das eine einsame Bachstelze an der Küste zwitschert, aber dieses Jahr gibt es keine. Es gibt auch keine ticksenden Rotkehlchen oder große Drosselschwärme. Aber ich sah noch einen fünfzigköpfigen Gänseschwarm über einem sprießenden Getreidefeld kreisen und nach einem saftigeren Abendbrottisch suchen. Südlicher gibt es nicht einmal eine Spitze von einem Gänseschwanz. Es gibt noch immer Saatkrähen, aber nur wenige in Krähen- und Nebelkrähen-Gruppen. Die Spechte rufen sehr selten, die meiste Zeit ist ein geschäftiges Klopfen aus dem Wald zu hören — Frost und ein leerer Magen setzen der Unterhaltung ein Ende und lassen die Arbeit beginnen. Seidenschwänze sind überall in Estland angekommen, ihre Glöckchengeklingel scheucht die Schwärme der Wintergoldhähnchen und Birkenzeisiggruppen, die was die Windrichtung betrifft wählerisch sind und noch nicht ziehen wollen.
 
Haustier-Gartenzoo
Tatsächlich gäbe es genug zu futtern, der Garten ist voll der verschiedensten Arten von Mücken, die Weberknechte lungern noch an den Hauswänden herum und einige kleinere Spinnen unternehmen einen staksigen Spaziergang auf ihren steifen Beinen. Aotäht und das kleine Nachbarskind Marit sind dem Heimtierwahn verfallen – die Schützlinge dieser Woche waren eine sehr schläfrig wirkende Nacktschnecke und eine absolut unbewegliche Schnecke. Desto glücklicher war meine kleine Tochter, einen Sieben-Punkt-Marienkäfer in Vilusi zu finden. Aber letztlich setzte sie ihn, nach meinen Erklärungen, zwischen zwei Eichenblätter vor dem Laden von Avinurme zum Schlafen ab. Definitiv keine Anzeichen von Schlaf zeigen die Nachtfalter, sie sind recht agil und so gibt es kaum Gelegenheit, an Hand ihrer Flügelmuster nach ihrem Namen zu fragen.
 
Kohlmeise im Weißdorn
 
Zweiter Frühling
Der verrückte Drang zu einer zweiten Blüte entwickelte sich in diesem Jahr ungewöhnlich früh ... üblicherweise jubelten wir gegen Ende November-Dezember über die große Blumenernte. Nun sind die Komposthaufen wie Blumenbeete – Löwenzahn, geruchlose Kamille, Hohlzahn und Taubnesseln, Rainfarn und Hirtentäschel – geradezu wie Frühling im Spätherbst. Aber die heranschleichenden Rauhreifnächte haben die Blätter von fast allen Bäumen gelöst, auch die Äste der Erlen sind kahl und die Erlenzapfen leuchten rot. Einzig einige einsame Büschel hängen noch an den Weiden. Nur die in Sowjetzeiten gepflanzten Lärchen zeigen sich in einigen Waldgehölzen wie goldgelbe Igel. Die Natur ist arm an Beeren, Die Ebereschen tragen keine Beeren, die einzigen roten, die ich in dieser Woche sah, waren die der Maiglöckchen am Hang von Ebavere.
 
Hainabholzer
In dieser Woche besuchte ich zufällig zwei Hügel, die für unsere Vorfahren besonders wichtig und heilig waren: Ich war bei Taarapadu oder Toomemägi und am Ebavere-Hügel, von wo aus Taara begleitet von einem glühenden Sternenwirbel zum Schutz des Volkes von Saaremaa gegen die Deutschen herbei eilte. In diesen Hainen, in denen man früher nicht einmal eine Blume anrühren konnte, sind die neuen Esten mit ihrer Hauptaufgabe beschäftigt: bei Toomemägi wurde die Parkanlage zwischen der Geburtsklinik und dem alten Anatomie-Gebäude kahl geschlagen; Tausende estnischer Mütter haben dort Energie für die Geburt gefunden. In Ebavere haben die Sägen am Fuße des Hügels gedröhnt, keiner kann erkennen, ob dies zur Beseitigung von Windbruch dient oder um Platz für Grillparties zu schaffen. Aber der Ebavere-Hügel ist zumindest den hässlichen Eisenturm losgeworden; zum ersten Mal hat mich der Hügel nicht irre gemacht, und zusammen mit Mikk konnten wir eine Kupfermünze und einen roten Apfel zum heiligen Stein bringen, ohne uns im Wald zu verlaufen.
 
Die Bäume sind kahl
 
Blumengeschichte: Morgengabe
Eine alte estnische Geschichte erzählt, dass Koit, die Morgendämmerung, und Hämarik, die Abenddämmerung, einst einander in dem schönen Tal suchten, in dem es ihnen erlaubt war, sich in jedem Jahr zu treffen. Aber dieses Mal waren alle Arten dichter Wildrosendickichte aufgeschossen, so dass die Suchenden nicht zueinander fanden. Sehnsüchtig liefen sie, der eine hier, der andere dort im Wald herum, bis schließlich Hämarik neben einem Rosenstrauch frische Blutstropfen im Gras sah. Schnell folgte er den  Blutstropfen und endlich sah er seinen Freund Koit an einem Brunnen, in dem kühlen Wasser seine Wunden waschen, die er sich an den Rosen zugezogen hatte. Auf Bitten von Koit und Hämarik verwandelte der Urvater die wegweisenden Blutstropfen in Blüten und steckte sie auf die Rose. Und von dieser Zeit an erhielt die Wildrose*), die vordem nicht geblüht hatte, den Namen Morgengabe und ihre Blüten sind die schönsten Juwelen an Braut und Bräutigam.
 
*) orjavits = Sklaven-Rohr(stock), Beiname der Wildrose aus der Zeit der deutschen Herrschaft, die die dornigen Stecken der Wildrosen zur Züchtigung ihre einheimischen Leibeigenen nutzte.
 
Zitat:
Beim ersten Anblick der jungen Mondsichel soll man das, was man in der Hand hält, unter das Kopfkissen legen und wird dann im Traum sehen, was in jenem Monat geschehen wird.
 
Übersetzung: Liis und Leonia


 

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