Ist es für Meisen gesünder, in der Stadt oder auf dem Land zu leben?

Wissenschaftsnachrichten zum Jahr der Kohlmeise von Marko Mägi UT Vogel-Forscher 
Foto Arne Ader
Übersetzung ins Englische: Liis
Vom Englischen ins Deutsche: Leonia
 
Rivalisierende Kohlmeisen
 

Kohlmeise     Rasvatihane      Parus major    

 
In den Städten ernähren sie sich oft von dem, was leicht zu erlangen ist und scheinen sich überhaupt nicht um die Qualität der Nahrung zu scheren. Aber das Futter sollte zusätzlich zu den Hauptnährstoffen (zum Beispiel Proteine, Kohlehydrate) noch Vitamine, Mineralien und verschiedene Fettsäuren enthalten. Die erforderliche Menge und Zusammensetzung der energiereichen Fettsäuren für die normale Funktion des Organismus hängt stark von den Nahrungs- und Umweltbedingungen ab. Wissenschaftler der Universität von Lund, Schweden, untersuchten die Fettsäuren in den Körpern von Kohlmeisen in der Stadt Malmö und in ihrer Umgebung und verknüpften die Ergebnisse mit der Ernährung der Vögel im Sommer und im Winter. Soweit bekannt, ist dies das erste Mal, dass die Auswirkungen der Verstädterung von Vögeln im Hinblick auf die Fettsäuren untersucht wurde.
 
Im Winter ernähren sich Kohlmeisen im Wesentlichen von Körnerfutter, im Sommer jedoch von Insekten. Da die Stadt und die Waldlandschaften sich in Bezug auf Temperatur und Nahrung unterscheiden – in der Stadt ist Nahrung (einschließlich Junkfood) leichter verfügbar als im Wald – wurde angenommen, dass sich die Zusammensetzung der Fettsäuren in den Organismen der in der Stadt und der im Wald lebenden Vögel unterscheiden würde.
 
In Bezug auf Körpermasse und Maße waren die Kohlmeisen in der Stadt im Winter in besserer Verfassung, aber im Sommer während der Brutzeit ging es den im Wald lebenden Vögeln besser. Der Unterschied ist auf das reichhaltigere Nahrungsangebot in der Stadt im Winter zurückzuführen (auch durch extra Fütterung), gegenüber dem qualitativ besseren Futter im Wald während der Brutzeit. Das Blut von überwinternden und brütenden Vögeln unterschied sich auch in Bezug auf den Gehalt an Fettsäuren – der Gehalt an Omega-3-Fettsäuren war im Winter 30 Mal niedriger als zur Brutzeit. Es gibt viel Omega-3-Fettsäuren in der hauptsächlichen Sommernahrung der Kohlmeisen – Raupen. Aber die Öl- und Linolsäuren zum Beispiel, die reichlich in Samen und Nüssen vorkommen, wurden im Winter in größerer Menge gefunden, wenn die Vögel sich unabhängig von der Umgebung hauptsächlich pflanzenfressend ernähren.
 
Der Gehalt verschiedener Fettsäuren unterschied sich auch wesentlich bei Stadt- und Wald-Kohlmeisen. Zum Beispiel ist Arachidonsäure (Omega-6-Fettsäure), die mit der Thermoregulation verbunden ist und im Organismus im Zusammenhang mit dem Aufflackern von Entzündungen vorkommt, in größerer Menge in den in der Stadt überwinternden Kohlmeisen vorhanden. Im Gegensatz dazu haben die im Wald lebenden Kohlmeisen mehr Omega-3-Fettsäuren, die Entzündungen unterdrücken. Die Unterschiede zwischen in der Stadt und im Wald lebenden Kohlmeisen mit Bezug auf die Fettsäuren verweisen auf die negativen Aspekte des Stadtlebens durch Schadstoffe, die zu intensiveren entzündlichen Prozessen im Organismus führen. Physiologisch sind solche Prozesse energetisch anspruchsvoll und beeinträchtigen die normalen Funktionen des Organismus.
 
Auf den ersten Blick könnte man davon ausgehen, dass das Leben einer Kohlmeise in der Stadt einfacher ist, aber der dafür zu zahlende Preis ist recht hoch.
 
Andersson MN, Wang H-L, Nord A, Salmón P, Isaksson C. (2015) Composition of physiologically important fatty acids in great tits differs between urban and rural populations on a seasonal basis. Frontiers in Ecology and Evolution 3:93. doi: 10.3389/fevo.2015.00093


 

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