Dritte Dezemberwoche: fröhliche grüne Weihnacht!

Text: Kristel Vilbaste, loodusenaine@hot.ee
Fotos: Arne Ader
 
Schafe im Schneematsch. Otepää-Hügelland
 
Der Winter wird sich am Donnerstagmorgen um 7.30 Uhr fast zu Tode erschreckt haben, als er bei seiner Ankunft in Estland grüne Wiesen, Bäume mit triefenden Regentropfen und einen Boden, der Wärme atmete, entdeckte. Aber hoffen wir, dass die Sonnenwende auch das Wetter ändert und uns ein Weihnachten mit Puderzuckerschnee schenkt.
 
Die vier Wetterzeichen dieser Woche:
Weiße Kehrseiten der Rehe,
tanzende Raben,
glückliche Regenwürmer
und Hochwasser in Soomaa.
 
Nein, vor einem Jahr hätte keiner von uns geglaubt, dass wir den Schnee einmal vermissen würden. Gerade damals war Monica vorüber getobt, die Schneewehen reichten an Neujahr bis nahezu an die Fenster. Der Schweiß auf der Stirn vom Schneeschippen konnte keinen Augenblick trocknen. Jetzt ist dies alles nur noch eine schöne Weihnachtsgeschichte. Die diesjährige Weihnachtsbeleuchtung glitzert, von ungeheuren Pfützen reflektiert, sogar Frost erleben wir nur an manchem trockneren Morgen. Bereits seit einer Woche weckt uns der an das Fenster klopfende Regen. Die von Trockenheit heimgesuchte Erde Ostestlands schlürfte die triefenden Regentränen mit Vergnügen, der Emajõgi-Fluss ist bislang noch nicht sonderlich angestiegen, am Ufer zeigen sich noch hier und da die Felsen. Jedoch in Soomaa notieren die Menschen bereits wieder die Zentimeter des steigenden Wassers und bringen die Kanus in Ordnung. Die „Fünfte Jahreszeit‟ hat eingesetzt; um die Karukose-Hängebrücke zu überqueren, benötigt man Gummistiefel mit langen Schäften. Tierzüchter an der lettischen Grenze überlegen jeden Morgen, wie sie die Heuballen aus den überschwemmten Wiesen bekommen. Aber vermutlich kann man die Tiere bald auf eine frischgrüne Weide hinauslassen, denn in Tartu zum Beispiel mähen die Stadtbewohner bereits den Rasen.
 
Anblick der Woche: viel Wasser und wenig Schnee
 
Hoher Meerespegel, überschwemmtes Land
Der Grund für den steigenden Wasserspiegel in Soomaa war nach des Wettermannes Gennadi Skromnovs Meinung simpel. Der Meereswasserspiegel liegt einen Meter höher als normal und das Wasser des Pärnu-Flusses kann nicht abfließen. Der Wasserstand in Soomaa ist wegen des Regens der letzten zwei Wochen um mehr als einen Meter gestiegen, und deshalb steht das Wasser auf den Straßen und die Flüsse fließen an Orten, an denen sie sonst nur im Frühjahr ihre Wege suchen. In Soomaa läuft die Hochwasser-Kamera, mit der man sehen kann, wann man sich auf Kanu-Tour begeben kann. Sicherlich gibt es viel in den Sumpfwäldern zu sehen, weil sich bei diesem nebeligen Wetter und in der blattlosen Zeit die Moose und Flechten an den Bäumen deutlich zeigen. Baumpilze sind hübsch und farbenfroh. Ziemlich helle Schwefelporlinge kann man auch in den Laubwäldern Nordestlands sehen.
 
Roter Schneeball
Der Unterschied der Pegelstände in den Flusssystemen des Emajõe und des Pärnu ist tatsächlich außergewöhnlich. Pille Tammur erzählt, dass sie sich nicht erinnern könne, einen solch niedrigen Wasserstand des Emajõe einmal im Winter erlebt zu haben. Der Fluss fließt zwischen Hochufern, die Ufer sind mit den tiefen Spuren der Marderhunde verziert. Die Farbe im Ufergebüsch stammt von schön leuchtend roten Beeren des Schneeballs, die im tiefen Weihnachtsfrieden der Natur wie Weihnachtsschmuck wirken. Und tatsächlich sind die einzigen, die Geräusche erzeugen, die herumplantschenden Fische im Emajõe, die keckernden Elstern und der Schwarzspecht, der verärgert auf die herum stapfenden Menschen reagiert. Gerade in der vergangenen Woche konnte man das Kollern des Auerhahns aus dem Laeva-Moor hören, aber im dichten Regen mögen nicht einmal Auerhähne mit Frühlingsgefühlen rufen. Und es ist sicherlich besser, sich den „Dampf‟ bis zum Frühjahr zu bewahren.
 
Walderdbeeren
 
Rehe und Wildschweine brauchen eine Atempause
Laut Vahur Sepa, der mit seinen Kindern auf einer Wanderung unterwegs war, gibt es so wenig Rehe und Wildschweine, dass man den alten Wettergott bitten müsse, in diesem Jahr mit dem Schnee ein wenig zurückhaltender zu sein. Vermutlich hat bereits jeder den Rückgang der Zahl der Wildschweine auf dem Gelände seines Wochenendhauses bemerkt – wo sonst in jedem Jahr die Wildschweine eine Ralley-Spur zwischen den Maulwurfshaufen schufen, befinden sich in diesem Jahr keine „Ackerfurchen‟, oder vielleicht gerade mal auf den Inseln und an einigen Orten in Võrumaa, wo es im vergangenen Jahr weniger Schnee gab. Wenn es so weiter geht, dann wird es den Jägern, denen die weißen Fährten fehlen, nicht gelingen, die Wölfe zu bejagen, um ihr gewohntes Quantum Beute zu machen. Und mehr noch – auch wenn jetzt Schnee fällt, fällt er auf ungefrorenen Boden, was eine enorme Zunahme der Mäuse zur Folge haben wird.
 
Klee und Kreuzkraut blühen
All der Schnee, der in der vergangenen Woche vom Himmel rieselte, schmolz mit Lichtgeschwindigkeit. Der Boden ist immer noch so warm, dass die hübsche Schneeflocken-Frostdecke kaum länger als eine halbe Stunde währt. Und wenn man einen Spaten in den Boden schiebt, dann sieht man, dass er überhaupt nicht gefroren ist und die Regenwürmer begegnen uns zappelnd bereits in 10 Zentimetern Tiefe. Dennoch sind die Insektenvölker nicht mehr zu sehen, und auch die Schnecken sind tief in den Boden gekrochen. Auf den Gartenbeeten stehen Sellerie und Winterzwiebeln in freundlichem Grün, die Köstlichkeiten für den Tisch scheint es noch bis Weihnachten zu geben. An geschützten Stellen blühen noch Kreuzkraut und Klee. Und man sollte bitte nicht über all der anderen Aufräumarbeit vergessen, am St.-Thomas-Tag, dem 21. Dezember, die Hitzesteine in der Sauna auszutauschen. Mikk Sarv erinnert uns daran, dass dieser Tag auch der der spirituellen Reinigung ist. Achten Sie darauf, die Gräber Ihrer Ahnen zu pflegen und in Ordnung zu bringen. Säubern Sie alle Kamine und Kanäle, damit die Häuser atmen können. Damit wird auch die eigene Seele gereinigt und der Weg für die bevor stehende Weihnachtsfreude ist bereitet.
 
Die roten Büschel der Schneeball-Beeren
 
Pflanzengeschichte: die Baummenschen
Es war einmal ein Volk, das die Bäume als seine Brüder und Schwestern betrachtete. Wenn sie sehr eng nebeneinander standen, dann sagten sie, sie seien beieinander. War jemand von ihnen sehr weit weggegangen und nicht bei den anderen, dann sagte man, er fehle, als ob er zurückgegangen sei in den Wald zu den anderen Bäumen.
In gleicher Weise, wie Menschen verloren gehen konnten, dachte man, dass Bäume vom Wald zu den Menschen kommen könnten. Zwei Bäume waren für die Leute die wertvollsten von allen. Dies waren der Baum des Lichtes, die weiß-stämmige Birke, und der Baum der tiefsten Dunkelheit – die Fichte. Diese Bäume hatten das Recht, Zeit bei den Menschen zu verbringen: die hellste Zeit des Jahres, wenn Birken von der Spitze bis zum Stumpf ins Haus gebracht wurden, und die dunkelste Zeit des Jahres, wenn die Fichte mit ihrem angenehmen Duft in gleicher Weise von der Spitze bis zum Stumpf von den Menschen zur Gesellschaft eingeladen wurde. Und nun ratet, welches Volk dies ist.
 
Zitat:
Wolle, wolle Weihnacht sich nähern, Freizeit sich dehnen, Schneelicht sich zeigen.
 
Übersetzung: Liis und Leonia


 

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