Foto: Uku Paal
Übersetzung ins Englische: Liis
Vom Englischen ins Deutsche: Leonia
1. Januar
Wo beginnt man mit einer Vogelbeobachtung, die ein ganzes Jahr dauern soll? Bei mehreren früheren Gelegenheiten fand der Beginn auf Saaremaa statt, bei Sõrve säär, weil dort Anfang Januar der strenge Winter noch nicht begonnen hat und daher einige verspätete Zugvögel zu finden sein können. Aber in diesem Jahr ist der Winter überall spät dran und es gibt mehr Auswahlmöglichkeiten, überall an der Küste sind Schwäne, Meergänse, Enten und andere noch nicht fortgezogene Zugvögel anzutreffen. Auf dem Festland gibt es keine Zweifel – man sollte in Läänemaa beginnen und am ersten Tag des Jahres die besten Beobachtungspunkte rund um Haapsalu überprüfen.
Das Neue Jahr erreicht die Saunja-Bucht am ehemaligen Zentrum des Silma-Naturschutzgebietes und unmittelbar nach Mitternacht kann man die ersten Arten auf der Jahresliste vermerken. Vom Feuerwerk in Haapsalu beunruhigte Schellenten (
Bucephala clangula) in der Saunja-Bucht fliegen nervös herum und der Knall des Sektkorkens lässt im Schilf eine Stockente (
Anas platyrhinchos) quacken. Nach dem Aufschreiben der ersten Arten kann man friedlich schlafen gehen.
Der bereits am Abend begonnene starke Schneefall hielt in der Nacht an, und am Morgen lag bereit eine Schneedecke bis zur halben Wade. Ein schöner Anblick und nicht nur, weil der unerwartete winterliche Morgen so hübsch anzuschauen ist, sondern auch, weil Vögel sich bei diesen Verhältnissen an den wenigen schneefreien Orten sammeln, man muss nur diese Stellen finden.
Eine der besten Plätze Nordeuropas zur Beobachtung arktischer Wasservögel ist die Põõsaspea-Halbinsel, dorthin gehen wir zu Beginn. Auf dem Wege halten wir ein paar Mal an und eine Anzahl verbreiteter Arten kommt auf die Artenliste – Wacholderdrossel (
Turdus pilaris), Dompfaff (
Pyrrhula pyrrhula), Birkenzeisig (
Carduelis flammea), Erlenzeisig (
Carduelis spinus), Kolkrabe (
Corvus corax), Haubenmeise (
Parus cristatis), Weidenmeise (
Parus montanus), Mantelmöwe (
Larus marinus), Silbermöwe (
Larus argentatus), Seidenschwanz (
Bombycilla garrulus). Auf der Põõsaspea-Halbinsel waren wir am Morgen 6 Vogelbeobachter und wir verfolgten den Vogelzug über 1,5 Stunden. Für die Jahresliste summierten sich die Arten reichlich, aber für einen erfahrenen Beobachter gab es keinen besonderen Blickfang. Die aufregendste Art waren Tordalken (
Alca torda) (3 ziehende Vögel), weitere neue Arten waren Eisenten (
Clangula hyemalis) (1500 Durchzieher), Gänsesäger (
Mergus merganser), Mittelsäger (
Mergus serrator), Sterntaucher (
Gavia Stellata), Prachttaucher (
Gavia arctica), Kormoran (
Phalacrocorax carbo), Samtente (
Melanitta fusca), Trauerente (
Melanitta nigra), Singschwan (
Cygnus cygnus), Höckerschwan (
Cygnus olor), Sturmmöwe (
Larus canus), Zwergmöwe (
Hydrocoloeus minutus/Larus minutus), Lachmöwe (
Larus ridibundus), Nebelkrähe (
Corvus corone cornix), Grünling/Grünfink (
Cardulis chloris), Seeadler (
Haliaeetus albicilla) (2 Jungvögel, Richtung Osmussaare).
Am letzten Tag des Jahres fand Uku nahe Paldiski, an der Küste von Laoküla ein Thorshühnchen (
Phalaropus fulicarius). Weil es sich um eine echte Rarität handelt (nur 15 Beobachtungen in Estland), wurde eine Twitcher-Tour dorthin unternommen. Auf dem Weg wurde die Jahres-Artenliste um eine Anzahl verbreiteter Arten ergänzt – Stieglitz (
Carduelis carduelis), Elster (
Pica pica), Kohlmeise (
Parus major), Blaumeise (
Parus caeruleus), Weidenmeise (
Parus palustris), Kleiber (
Sitta europaea), Feldsperling (
Passer montanus), Schwarzspecht (
Dryocopus martius), Buntspecht (
Dendrocopus major), Star (
Sturnus vulgaris) (12 Individuen nahe Padise), Haustaube (
Columba livia), Dohle (
Corvus mondedula). An der Küste von Laoküla gehen wir, von Uku geführt, zu dem Thorshühnchen-Beobachtungsplatz von gestern und der Vogel findet sich an derselben Stelle, in seichtem Wasser am Rande eines Algenstreifens – auf der Jahresliste wird bereits am ersten Tag des Jahres eine echte Rarität aufgeführt und für mich ist es außerdem die 5. Beobachtung dieser Art in Estland. Auf der Jahresartenliste werden noch ein Raubwürger (
Lanius excubitor) und ein Zaunkönig (
Troglodytes troglodytes) ergänzt. Unter den Winterraritäten entdeckt Uku am selben Ort noch eine Bekassine (
Gallinago gallinago) und zwei Rohrammern (
Emberiza schoeniclus), aber ich habe sie nicht beobachtet.

Die erste Rarität des Jahres – ein Thorshühnchen (Küste von Laoküla, Harjumaa. 1.01.2012)
Weil der Wintertag kurz ist, kehren wir schnell in die Umgebung von Haapsalu zurück, die Ziele sind Põgari und Haeska. Auf der Straße werden Sperber (
Accipiter nisus), Krähe (
Corvus frugilegus) und Eichelhäher (
Garrulus glandarius) zur Artenliste hinzugefügt. Bei Põgari reicht das Wasser bis zur Straße. aber der Küstenbereich ist gefroren und wir finden die Kiebitze und Goldregenpfeifer nicht mehr, die hier noch vor wenigen Tagen gesehen wurden. Auf dem Meer schwimmt eine große Anzahl Schwäne und Enten, als neue Arten finden sich Pfeifente (
Anas penelope), Zwergsäger (
Mergellus albellus) und Reiherente (
Aythya fulgula). Weil die Sonne bereits untergeht, beeilen wir uns, zum Vogelbeobachtungsturm von Haeska zu gelangen. Hier sind ebenfalls die Uferwiesen gefroren, aber auf den Dünen vor dem Turm finden wir 24 Kiebitze (
Vanellus vanellus). Etwas weiter entfernt in der Bucht von Matsalu fiel uns eine dichte Hühnerschar auf, die sich bei näherer Untersuchung als eine Ansammlung von 2000 Blässhühnern (
Fulica atra) entpuppte, eine für diese Art sehr große Zahl im Winter.
In der Abenddämmerung gingen wir zur Kläranlage von Haapsalu, wo wir zunächst zwei Graureiher (
Ardea cinerea) bemerkten und einen Augenblick später noch eine Teichralle/Grünfüßiges Teichhuhn (
Gallinula chloropus), das ist schon eher eine Winter-Seltenheit. Die Vogel-Exkursion am ersten Tag des Jahres endete am Promenadenhotel, wo wir im letzten Licht eine Schar von Schnatterenten (
Anas strepera) fanden.
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Die regelmäßige Winter-Wasservogel-Zählung steht bevor —
http://looduskalender.ee/en/node/12027 — und wir sind glücklich, dass uns Margus großzügig die Erlaubnis gab, sein Tagebuch im Looduskalender zu publizieren.
Die Links auf die Vogelnamen im Text weisen auf Kurzbeschreibungen der Vögel auf Margus' Vogelbeobachter-Webseite; in Estnisch, aber ebenso mit lateinischen Namen, mit denen man die Vögel in anderen Sprachen finden kann. Oder wie immer sei die mehrsprachige Vogelsuchseite (
Multilingual Birdsearch Engine) als nützliches Werkzeug empfohlen.