Übersetzung ins Englische: Liis
Vom Englischen ins Deutsche: Leonia
3. Januar
Wir beginnen den heutigen Ausflug im Westen von Saaremaa, in Karala, zusammen mit Jüri-Karl Seim. Beim Verlassen des Hauses in der Morgendämmerung ist nirgends etwas von Winter zu sehen, ein sehr herbstliches Gefühl stellt sich ein – in den Büschen ticksen 2 Rotkehlchen (
Erithacus rubecula), am Straßenrand ist eine Feldlerche (
Alauda arvensis) emsig. Der erste Halt an der Küste von Karala bei Naistekivi erweitert die 2012er Artenliste um zwei weitere Arten, und nicht etwa Winterarten – in einer Schar Singschwäne fliegt eine Weißwangen- oder Nonnengans (
Branta leucopsis) vorüber und auf der Uferwiese sind einige Rufe einer Heidelerche (
Lullula arborea) zu hören.
Das Tagesziel ist Harilaid im Nordwesten von Saaremaa, aber wir beginnen mit der Suche an der Küste der Halbinsel Tagamõisa etwas weiter entfernt vom Hafen von Veere. Die See ist glatt wie ein Spiegel und die Vögel gut sichtbar und bestimmbar selbst aus der Entfernung einiger Kilometer. Unter anderen Lebewesen fallen die ersten Taucher dieses Jahres ins Auge – Rothalstaucher (
Podiceps grisegna) und Haubentaucher (
Podiceps cristatus).
Am Ufer von Suuriku erscheinen erst ein, dann zwei und letztlich insgesamt acht Gryllteiste (
black guillemots) im Blickfeld der Ferngläser. Was machen sie jetzt hier? Man sagt, dass wenn die Eisverhältnisse es zulassen diese Art in der Nähe ihrer Brutplätze überwintert. Die Einschnitte im Uferhang der Küste von Suuriku sind sicherlich brauchbare Brutareale für Gryllteiste, aber bislang wurde hier keine Brut dieser Art festgestellt. Der einzige dauerhafte Gryllteist-Brutplatz Estlands ist auf der Pakri-Halbinsel. Wie auch immer, im Sommer sollte auf jeden Fall das Ufer von Suuriku überprüft werden.
An der Spitze von Undva, dem Wind frei zugänglich, ist die See ziemlich aufgewühlt, aber zwischen den Wellen gelingt es uns, Eiderente (
Somateria mollissima) und Bergente (
Aythya marila) als neue Namen für die Jahresliste zu finden. Im inneren Bereich der Uudepanga-Bucht ist das Meer ruhiger und wir finden hier den berühmtesten Überwinterer dieser Gewässer – in einem dichten Schwarm schwimmen etwa 115 Scheckenten (
Polysticta stelleri). Offensichtlich sind die Vögel gerade erst hier eingetroffen, denn vor wenigen Tagen wurden bei Undva noch kaum zehn Vögel gesichtet.
Diffuses Bild von Uudepank oder wie etwa eine Schar Scheckenten fern draußen auf See aussieht
Das wichtigste Ziel dieser Tagestour ist die westliche Küste von Harilaid, wo jedes Jahr eine kleine Gruppe von Meerstrandläufern (
Calidris maritima) überwintert. Um diese Art zu finden ist eine längere Fußwanderung zu bewältigen, weil das Gebiet mit dem Auto nicht zu erreichen ist. Im stetig stärker werdenden Gegenwind wird die Ausstattung schwerer und schwerer und als unerfreuliche Überraschung gibt die Kamera gerade dann den Geist auf, als eine kleine Zwergmöwe (
Hydrocoloeus minutus) nur wenige Meter entfernt das Schweben im Wind beendet. Ich habe sie noch nie so nahe gesehen. Glücklicherweise finden wir die Meeresstrandläufer sofort, weiter draußen auf der Halbinsel bis zum Meer hin sind sogar zwei, und der Grund der Tour war damit, wie man sagen kann, erfüllt. Aber unerwartet erscheint ein Greifvogel in Sichtweite, ein großer Falke, ein Wanderfalke (
Falco peregrinus)! Der Vogel kämpft mit seiner Beute, etwas Weißem in seinen Fängen, es scheint eine Möwe zu sein, vermutlich die kleine Zwergmöwe, die wenige Augenblicke vorher so nett posierte, weil wir den Vogel nirgends mehr sehen. Der Falke verschwindet schnell über den Dünen im Wald. Der Wanderfalke ist ein seltener Durchzügler in Estland und im Winter sehr selten zu sehen. Ein hübscher Ergänzungspunkt der Tour nach Harilaiu.
Auf dem Weg zurück nach Karala fällt in einem Baum beim Loona-Landsitz ein Bussard (
Buteo buteo) ins Auge, die
73. Art auf meiner 2012er Artenliste; heute wurden 13 neue Arten hinzugefügt. Morgen wird ein weiterer stürmischer Tag sein und wir wissen nicht, ob es überhaupt möglich sein wird, einen weiteren Ausflug zu machen.
2. Januar
Wieder wird es Morgen auf der
Põõsaspea-Halbinsel, aber verglichen mit gestern sind die Wetterbedingungen schlecht – es regnet, es ist windig und nahezu keine Sicht. Nur wenige Vögel sind zu sehen, tatsächlich mag dies mein von allen kümmerlichster Morgen von allen auf der Halbinsel Põõsaspea gewesen sein. In die Datenbank kommen nur wenige Beobachtungen, und erstaunlicherweise keine kann nach 1,5 Stunden keine einzige neue Art zur 2012er Artenliste hinzugefügt werden.
In dem unendlichen Matsch kann man an keinem Fleck länger stehen bleiben und ich kehre früher als geplant zur Straße nach Saaremaa zurück. Beim Verlassen von Põõsaspea endlich eine neue Art für die diesjährige Liste beim Ort Tuksi — Wintergoldhähnchen (
Regulus regulus).
Ich hielt wieder bei der Kläranlage von Haapsalu, hinter der kürzlich der Randsalu-Bach vertieft wurde und wo es möglich ist, am Ufer entlang bis zur Küste zu gehen. Ein Zaunkönig (
Troglodytes troglodytes) befand sich im Schilf und als neue Art für die diesjährige Liste fand ich eine Rohrammer (
Emberiza schoeniclus), beides sind hier im Winter recht seltene Lebewesen.
Bevor ich zum Hafen von Virtsu ging, drehte ich mich kurz nach Keemu (südliche Küste der Bucht von Matsalu). Der Niederschlag war zwar noch dichter geworden, aber ich registrierte dennoch fern an der Halbinsel einen Watvogel, aber um ihn zu identifizieren, musste ich näher ran, bei dem garstigen Wetter sind Ferngläser wenig hilfreich. An der entsprechenden Stelle entpuppte sich der Watvogel als Goldregenpfeifer (
Pluvialis apricaria) und er ist nicht allein, es sind ihrer 160! In diesem warmen Winter ist eine Rekordzahl von Regenpfeifern in Estland geblieben, es gibt dazu Informationen aus verschiedenen Quellen. Darüber hinaus sind noch 7 Kiebitze (
Vanellus vanellus) am Ufer und zu meinen Füßen ergreift eine Bekassine (
Gallinago gallinago) die Flucht.