Zweite Februarwoche: Valentinstags-Sitsikleit

Kristel Vilbasteloodusenaine@hot.ee
Fotos: Arne Ader
 
Füchse unterwegs – es ist Ranzzeit.
 
„Sitsikleit sitsikleit“ rufen die Meisen mit voller Lautstärke*. Der eisige Strahl der roten, aufgehenden Sonne versucht mit seinem Frost, den kleinen Sängern die Zunge gefrieren zu lassen, aber der uralte Frühlingsruf strömt ohne Unterbrechung aus dem Schnabel des Gelbbäuchleins. 
 
*) [Ähnlich wie unsere Meisen Zizidäh, rufen Estlands Meisen Sitsikleit. Sitsikleit ist eine Art Sommerkleid, teils ein Lehnwort aus dem Deutschen.] 
 
Empfehlung:
Wenn bisweilen Blasen oder Beulen am Körper eines Menschen aufbrechen, kann das vom Wind oder vom Boden herrühren. Sie können durch Rauch geheilt werden. Das Material für den Rauch kommt von neun Stellen. Streu vom Friedhof und Späne von den Kreuzen, Steine von den Gräbern und Stroh von den Wegen und Staub von den Torschwellen. Dann müssen Hexenbesen aus dem Land der drei Gemeinden, von der Spitze der Bäume, am besten von Birken genommen, herbeigeholt werden. Alles wird in Brand gesetzt und dann wird der Rauch auf die Blasen geleitet. Das sollte sie zum Verschwinden bringen. So werden Blasen, die durch Boden oder Wasser verursacht wurden, geheilt und gegen solche, die durch Zauberei entstanden, ist dies ebenfalls eine gute Heilmethode.
Pöide
 
Die vier Wetterzeichen dieser Woche:
Herumtobende Wiesel,
Dohlen Seite an Seite, 
Samenausstreu der Erlen
und unbesiegte Kälte.
 
Das strenge Winterwetter war vor allem für kleine Tiere lebensbedrohlich – eine Wühlmaus ist auf ihrem Weg erfroren.
 

Am liebsten sehe ich zur Zeit die Natur durch das Glas meiner Fenster, meine Ohren, die bei einem Ski-Marathon vor Jahren erfroren, beginnen bereits bei -15 Grad zu jucken und lassen mich wissen, dass für einen Menschen solche Kälte nur für kurze Zeit erträglich ist. Aber all das Geraschel und Gewusel der Tiere und Vögel hat sich recht nah zu den Glasfenstern der Menschen hin begeben. Ich staunte gerade am Freitag, als ich mich vom Computer weg ablenken ließ und die Futterralley der Meisen für einen Augenblick beobachtete und ... plötzlich sprang etwa 10 Meter vom Haus entfernt unter der Hecke ein hübsches weißes Wiesel heraus. Weiß auf weiß. Und das Hüpfspiel, dass dieser Körper, sich windend wie eine Schlange, darbot, war faszinierend – wups auf diese Seite der Schneewehe, wups auf die andere Seite, ein Seitensprung zwischen die Baumstämme, hops neben den Stein. All diese Windungen wurden vom heftigen Protest der Meisen begleitet. Die Sperlinge, bequeme Wesen, schlugen pflichtbewusst einige Male an, aber blieben in der Mittagssonne auf dem Dach des Spielhauses sitzen. Aber die heftige Beunruhigung der Meisen hatte sich kaum gelegt, als ... aus dem Schatten der Hecke ein Fuchs auf meinen schneebedeckten Rasen ins Licht hinaus trat, ein ängstlicher Blick zum Nachbarhaus, und in schwerfälligem Lauf eilte der Fuchs neben der Garage auf die Straße und von dort in Richtung Stadt. Aber welch ein Unterschied zwischen diesen Tieren – das Wiesel reinweiß, gesund, ein Sieger voll quirliger Kraft, der Fuchs scheu, mit struppigem Fell, der Hinterleib fast kahl vor Räude, der Schwanz eine lange kahle Rute. Kleine Wiesel, haltet Euch fern von den Menschen, der Drang der Menschen alles zu regeln und zu kurieren macht aus den Tieren arme Schwächlinge!

 
Der Dreizehenspecht sucht unter der Rinde einer verdorrten Fichte nach Nahrung.
 
Zu Paaren, zu Paaren
Die Füchse im Wald sind bereits zu zweit. Als ich Donnerstag mit dem Bus aus Tallinn kam, versuchte ich durch das Busfenster zu ergründen, was im Wald los ist. Das Fährten-Buch ist derzeit leicht zu lesen, es gab wenig Schnee, das bisschen Eisgegriesel hat die Zeichen der Aktivitäten nicht verdeckt. Auf größeren Feldern waren die Hauptakteure die Füchse und Hasen. Die Fuchsspuren sind jetzt interessant, einige zehn Meter Laufspur und dann ein Gewirr von Abdrücken – hier hat der Mäusejäger gelauscht, was sich unter dem Schnee abspielt, aber an manchen Stellen sind mehr Spuren und sogar gescharrte Löcher, hier wurde wahrscheinlich eine Maus gefangen, um den Magen zu füllen. Aber nicht nur Spuren sind auf den Feldern zu sehen, auf einer 100-Kilometer-Tour waren 3 Mäusejäger in vollem Tageslicht zu sehen, zusätzlich zu einem 4-köpfigen Hirschrudel. Es gibt viele Hasenfährten, aber sie sind meist in der Nähe von Bäumen aktiv, die Füchse mehr im Freien. Interessanterweise verlaufen manche Fuchsfährten parallel zu einer anderen Fuchsspur.
 
Wolfsgeheul und Rehfährten
Nur wenige Spuren größerer Tiere kreuzen die Straße. Desto überraschender ist die Meldung meines Bruders aus Pärnumaa, dass in deren Revier ein 15-köpfiges Hirschrudel aufgetaucht ist, irgendetwas hat die Tiere aufgescheucht. „Der Rand der Lichtung ist voller Hirschspuren,“ erzählt Enn Vilbaste, „die Wölfe sind dadurch so aufgeregt, dass sie ziemlich durchdringend im Mondschein heulen, der Wald ist jetzt nachts so hell, vermutlich ist es so leicht zu jagen.“ Aber wenn die Jagd der Wölfe abklingt, dann beginnt das Knallen der Flinten. Die Treiber in schicken neonfarbenen Westen lassen die Waldtiere nicht einmal am Tage in Ruhe. Lasst uns die Daumen drücken für die Bärenmütter, die kleinen Bären müssten nun mindestens einen Monat alt sein und gerade so groß wie ein knuddeliger Teddybär.
 
Menschlichkeit

Die Stämme der Vögel halten sich eng an die menschlichen Siedlungen. Von Zeit zu Zeit singen die Meisen in einer höheren Birke und die Kleiber klettern pfeifend an den Stämmen entlang, aber ansonsten sind sie auf der Jagd nach Sämereien. Aber dennoch ... die Schwärme von Birkenzeisigen, zwitschernd, lassen die kleinen Erlen-Zäpfchen ihre Samen verteilen, der Schnee ist voll feiner Körnchen. Und die Wintergoldhähnchen zwitschern aus irgendeinem Grund aufgeregt in den Baumwipfeln. Eulen fliegen des Nachts sehr aktiv herum, aber Frühjahrsrufe sind bislang noch nicht zu hören. Die Spechte sind in ihren Schmieden beschäftigt, aber sie machen noch keine Anstalten, auf trockenem Fichtenholz herum zu hämmern. Die Dohlen hocken nun stets zu zweit in den Parks, sie werden den Valentinstag kaum feiern, aber sie haben sichtlich bereits Frühlingsgefühle.

 
Schneegebilde an einem Ast.
 
Estlands Quellen:  Meeksi Silmaallikas, die Augenquelle von Meeksi
In Setomaa in der Nähe von Meeksi gibt es den heiligen Jaanikivi, den Johannesstein, den die Leute am 7. Juli schwärzen, zur Mittsommernacht oder einem alten Kalender entsprechend dem Tag des heiligen Johannes. Heilkraft soll auch der Miikse-Bach besitzen, der neben der Quelle fließt. Am Ufer des Baches, in einer in den Sandstein geschlagenen Halbmeter-Höhlung, befindet sich eine Quelle mit klarem Wasser. Die Quelle ist berühmt für ihre Kraft die Augen zu heilen, Hände und Füße werden auch mit dem Wasser gewaschen und Münzen als Gabe in das Wasser geworfen. Die Menschen nennen den Miikse-Bach Silmaallikas, Augenfrühling.
 
Zitat:
Fällt ein Stern, so ändert sich das Wetter. Wenn ein großer Stern (ein Meteor) herabstürzt, wird es Krieg geben oder das Ende der Welt kommen.
Rakvere
 

Übersetzung: Liis und Leonia



 

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