Dritte Juni-Woche: Sommer! Sommer!

Verfasst von Kristel Vilbasteloodusenaine@hot.ee
Fotos von Arne Ader
 
Heidewiesen sind lila vom Leimkraut
 
Endlich beginnt der richtige Sommer. Schmalgliedrig und besonnten Gesichts besteigt das Wettermädchen ihren Thron Donnerstagnacht um 2.08 Uhr, den Augenblick zu erwarten lohnt sich, denn dann geschieht viel Zauberisches.
 
Die vier Wetter-Zeichen dieser Woche:
Marder als "Herren" der Straße,
saftiggrüne Natur,
rote Flügel des Lilagold-Feuerfalters,
und warmer Sommer.
 
Die Stimmen in der Nacht sind jetzt so geheimnisvoll, das man nun des Nachts hinaus muss, auf die Mittsommernacht zu warten, ihnen zuzuhören. Im Moor kreischt der Ziegenmelker, die Rohrdommel ruft im Gras der Sumpfwiesen, die Nachtigall schlägt in einem Weidenbusch, und der Teichrohrsänger zirpt im Schilf. Vermischt mit den spätabendlichen Rufen der Eulenjungen und aller Arten geheimnisvollen Raschelns, Knackens und Trippelns. Aber mehr und mehr sind da in dieser Nacht Stimmen der Menschen, die in der dunstigen Nacht nicht schlafen können. Mit Gesang und Geschrei wird an Schaukeln geknarrt, das Seewasser mit Booten verspritzt, Tanzwiesen werden zertrampelt. Ich fand diese Woche durch Großvaters Notizen heraus, warum unsere Volkstänze so viel schneidiges und hohes Schwingen der Beine enthalten – die Tanzflächen der Bauersleute waren nicht eben, wie die der walzerdrehenden Herrenhausbewohner. Aber der Tanzboden auf dem Schaukelplatz wurde ebenfalls bis zum Herbst ziemlich platt getreten. Und es war auch interessant, dass nur hundert Jahre zuvor es noch keine Bänke an den Tanzflächen gab, Jung und Alt saßen oder lagen auf dem Boden und redeten. Wenn das Mittsommerfeuer auf einem hochgetürmten Stapel, um von weither gesehen zu werden, angezündet wurde und brannte, hörten Tanz und Gesang auf, dies war ein heiliger Augenblick. Ins Feuer schauend unterhielten sich die Menschen über das kommende und glückliche Jahr. Wenn das heilige Feuer niedersank, sprang man mit dem erwünschten Partner über das auf dem Boden entzündete Mittsommerfeuer: so wurde der Liebesbund nachhaltig gesegnet.
 

Die Badesaison ist eröffnet. Bachstelze
 
Mittsommer-Blütenkranzzeit
Zur Mittsommernacht, die in diesem Jahr auf einen Samstag fällt, lohnt es sich für jedes Mädchen, den schönsten Blütenkranz der Welt zu binden. Wie talentiert auch immer die Hersteller künstlicher Blumen sind, einen Kranz der schönsten Wildblüten kann man nur von der Murueit haben.* Die Wiesen sind bereits voller Margeriten und Glockenblumen, Leimkraut und Kuckuckslichtnelken, dazwischen kann man rosa Klee und Wiesenrauten flechten. Das Gras ist in der Mittsommerzeit brusthoch gewachsen und in dieser grünen Wand blühen zig verschiedene Gräser – Straußgras und Knäuelgras, alle Arten von Grün dem man nicht einmal Namen geben kann. Die Farne haben ihre Rosetten im Wald ausgestreut und warten auf Glückssucher, die ihnen ins Innerste schauen. Und schon bald sollte die Stadt voll sein vom Duft der Lindenblüten, die auswärtigen Lindenarten sind zur Blüte bereit, die alten Lindenbäume unserer eigenen Bauerngehöfte warten bis Juli.
* ein weiblicher Wald- und Erdgeist, mit dem Land der Toten verbunden 

Eigenes Pflanzbeet
In der Wochenmitte unternahmen wir eine aufregende Reise zur Pflanzen-Weisen Mall Värva, um einige Pflanzen für unsere eigenen Heilpflanzen- und Kräuter-Gartenbeete zu holen. Größerer Wert als in den Pflanzen lag sicherlich in den Geschichten, die die Pflanzen-Weise erzählte. Es ist, als ob Mall jede der Pflanzen mit ihren Worten liebkoste, sie kann erzählen als wäre man gebannt von der Engelwurz und der Jakobsleiter, sucht unter einem Busch einige Pflanzenkinder hervor und sie glücklich begrüßend, erzählt deren Lebensgeschichte jedem, der es hören möchte. Zumindest Aotäht war ernstlich beeindruckt von diesem Besuch und machte sich ihr eigenes Beet am Spielhaus. Wir gingen, nach Pflanzen für sie bei Juhans Pflanzenzuchtbetrieb zu schauen, und in dieser enormen Auswahl von Pflanzen habe ich mich wirklich verloren. Ich versuchte, dieses oder jenes zu empfehlen. Aber Aotäht sagte traurig, dass sie "ihr eigenes Beet" anlegen wolle. So riet ihr Mikk, die Pflanzen auszusuchen, die zu ihr sprächen, und so kamen die Rose Aspirlin, Walderdbeere, Schafgarbe, Geranie und Mais in das Beet. Ziemlich merkwürdige Gesellschaft, nicht wahr? Aber eigentlich schön und die Augen des Kindes leuchteten fort.
 
Gelbe Sumpfiris in den Sumpfwiesen und Mooren
 
Schlammspiel der Schwalben
Tausende Kükenaugen leuchten ebenfalls, sie schreien im Gras oder in den Bäumen laut nach Futter, die Staren-Kindergärten werden immer größer. Einmal besuchten auch die Küken unserer Kohlmeise zwitschernd das Haus. Die Elster ist überraschend leise, selbst das Kernbeißerpaar hat vergessen, dass diese Schwätzerin ihre Schwänze gezupft hatte und dass sie wieder zurück ist in der Mirabellen-Hecke. Ich habe versucht, ins Elsternnest zu blicken, aber es scheint, als ob dort noch gebrütet würde. Im Gegensatz dazu sind alle Schlammpfützen voller Mehlschwalben, mit Schnabelfüllungen werden Nester unter dem Dach halbfertiger Häuser zusammengekleistert. Wettermann Gennadi Skromnov erzählt, dass die Kameravögel eine Geburtstagswelle haben. Die Schwarzstorchenjungen wurden einen Monat alt, die Schreiadlerküken eine Woche. Die Fischadler haben zwei Junge ausgebrütet.
 
Marder und junge Eichhörnchen
Kaja Kübar berichtet aus Pärnumaa, dass Marder auf den Straßen sind und dass die jungen Weißstörche bereits über den Horstrand schauen. Die Küste von Kabli ist voller rosa Orchideen ... es sind gefleckte Orchideen, die zweiblättrige Waldhyazinthe blüht noch nicht. Es gibt in diesem Jahr viele Hornissen und Wespen, Bremsen und Gnitzen sind ebenfalls bereits unterwegs. Die letztgenannten so grimmig gemeinsam mit Mücken, dass als ich Pille Tammur fragte, was an der Palupõhja Naturschule neben den herrlichen Pflanzenfärbekursen stattfinde, die erste Antwort war „die Natur lässt sich fühlen“, besonders auf der Haut. Aber die stechenden Blutsauger geraten in den Hintergrund und sie erzählt mir von den drei Eichhörnchenjungen, die den ganzen Tag unter der alten Bergulme Samen futtern und Fangen spielen auf dem Schindeldach, dass die Schindeln fliegen: „Sie haben tatsächlich ein Stück des Daches an einer Ecke zerspielt!“ Das Wasser ist sowohl im Meer als auch im Emajõgi-Fluss badegeeignet. Im Emajõgi seien, sagt Tammur, auch ein paar Hechtjungfische: „Ein wenig hechtartige Gesichter, aber sonst gerade mal Babys allesamt.“
 
Karmingimpel singt auf einem Weidenzweig
 
ZITAT:
Die Vorfahren sagten, dass wenn die Tageslänge sich wendete, der Tag kürzer zu werden begann, dann verschwand der Appetit, man mochte nicht so viel essen, bist zur Wintersonnenwende. Rõuge
 
Empfehlung:
Die Volksüberlieferung von Nõo besagt, dass am Johannistag, Jaanipäev, das Gedenken an König Jaan begangen werde. In der Mittsommernacht reite dieser alte König von einem Fleck zum anderen, um zu sehen ob die Mittsommernachtsfeuer oder Johannisfeuer brennen. Die wichtigste Tradition des Mittsommertages zeigt unseren Respekt vor unseren Ahnen. Mittsommertag ist auch Friedhofstag überall im Land gewesen, alle gingen auf den Friedhof, ihre Vorfahren zu ehren. Sicherlich wurden die Gräber mit den schönsten Blumen geschmückt. Speisen auf den Gräbern sich zu teilen war ebenfalls eine Tradition im ganzen Land.
 
Estlands Quellen: Hõbeallikas (Silberquelle) im Oru Park
Im Toila-Oru-Park auf der rechten Hangseite neben den Burgtreppen liegt die heilige Hõbeallikas. Im unteren Teil des hohen Sandsteinfelsens ist eine Höhle mit einer dreieckigen Öffnung, etwa 6 Meter lang. Der hohe und breite vordere Teil der Höhle zerfiel 1956, als in der Nachbarschaft gefundene und zur Höhle gebrachte Munition explodierte. Die Höhle wurde im Jahr 1971in ihren derzeitigen Zustand versetzt. In den Dreißigern, als die Residenz des Präsidenten hier war, wurde die Höhle mit farbigen Laternen schmückt. Am Ende der Höhle entspringt die Hõbeallikas aus Felsspalten und überflutet den Boden der Höhle. Aus dem Höhleneingang fließt ein kleiner Bach mit einem Durchfluss von weniger als 1 l/sec.; sein Wasser ist erstaunlich klar, verglichen mit dem hohen Eisengehalt in den benachbarten Bächen. Die Hõbekoobas (Silberhöhle) war das alte Versteck sowohl während der russischen als auch der Deutschordenszüge. Der Volksüberlieferung nach gingen die Dorfjungen in mondhellen Nächten hierher, um die Elfen auszuhorchen, deshalb wurde die Quelle auch Elfenquelle genannt. Seitlich der Quelle ist auch ein Opferstein.
 


Übersetzung: Liis und Leonia


 

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