Zweite September-Woche: Hagelgeprassel im Sonnenschein
Verfasst von Kristel Vilbaste, loodusenaine@hot.ee
Fotos von Arne Ader
Spitzenzeit für Pilze. Birnenstäubling (Lycoperdon pyriforme) in Paganamaa
Auf dem an einem sonnigen Tag flirrenden westlichen Himmel taucht ein dunkler Streifen auf. Der Wind erhebt sich und die Wolke bedroht die Bäume am Seeufer und die Menschen mit ihrer finsterblauen Bedrückung. Die Wolke reicht bis zum Himmelszenit, plötzlich zischt ein Blitz herab und der Himmel schüttet einen silbernen Blitz in das Seewasser.
Die Wetterzeichen dieser Woche:
blühende Trollblume,Entenscharen auf dem See,Fruchtfliegeninvasionund Hagelschauer.
Ich sitze bei Lohesuu im Kahn der Looduslodja-Natur-Bootfahrten, der Weg hierher war so deprimierend, der heftige Herbstregen trommelte auf die Windschutzscheibe, kein einziges Wolkenloch, der graue Himmel verband sich mit der Erde. Und dann der Peipussee. Frieden, Ruhe. Der Wasserspiegel schimmernd bei gelegentlichen Sonnenstrahlen, sanftfreundliche Wellen plätschernd. Im Hintergrund ziehen schwarz-weiße Reiherenten ihrer Wege, bei den Fischereibetrieben hocken Möwen in tiefstem Frieden. Der Starenschwarm, der hier und dort auftaucht wie ein Bienenschwarm. Alle folgen der kleinsten Richtungsänderung des großen Schwarmes, sie wissen bereits, dass bald der Abflug beginnt. Niemand will vom Schwarm zurückgelassen werden. Die Rauchschwalben, es mag etwa ein Dutzend sein, die meisten sind vermutlich bereits auf dem Weg in warme Länder, diese letzten schnappen nach dem Insektenmahl im Schilf. Keine summenden Libellen oder surrenden Mücken und noch nicht einmal die sonst zu dieser Zeit fröhlich kreisenden Admiral-Schmetterlinge – diese schwarz-orange-weiß gemusterten wunderschönen Schmetterlinge. Und in der Tat scheint der See auf etwas zu warten. Und dann während der zweiten Tour kommt es. Es kommt mit einem derartigen Tempo, dass obwohl der Kahn mit Höchstgeschwindigkeit mit fünf Knoten nach Mustvee eilt, es uns doch erwischt. Am Anfang hängt die dunkelblaue Masse über dem Land, aus ihr erscheinen blaue Schläuche, wahrscheinlich eine Art Wassertornado. Dann folgt es uns immer dichter auf den Fersen, der Wolkenrand ist silbergrau. Bei Mustvee regnet es bereits, der einzig sonnige Fleck ist bei Vilusi. Und dann fällt die Wolke mit Hagel auf uns nieder, die Wellen klatschen stärker, die Hagelkörner fliegen durch die offenen Luken herein wie grobkörniges Meersalz. Und dann eilt die Wolke hinweg Richtung Russland, wohin ich den Regen hin sang als ich herkam. Wieder ist Ruhe auf dem See, die Fischer tuckern mit ihren Booten auf den See hinaus.
Die Besonderheit dieses Pilzherbstes, die Perlpilze (Amanita rubescens) haben schöne kugelige Kappen!
In die Preiselbeeren!
Das Schlüsselwort der Woche lautet sicherlich: Pilze! Sie sind überall und von allen Arten. Neben den Flaschenbovisten sind die Kartoffelboviste (Sklerodermie citrinum) erschienen, es gibt sie sogar im Raadi Park. Auf den städtischen Grünflächen kann man die abendliche Pilzsauce finden, Tintlinge und Champignons, Steinpilze und Birkenreizker (Lactarius torminosus). Das Füllhorn wurde über unserem Land ausgeleert. Und die Preiselbeer-Sümpfe warten. Pille Tammus, die im Laeva-Moor Preiselbeer-Führungen gemacht hat, sagt, dass in diesem Jahr nicht viel Preiselbeeren gegeben hat: „Dort gibt es sie massenweise, sie sind im Freien und zwischen den Bäumen. Und jetzt ist es Zeit, sie aus dem Moor herauszuholen!“ Wahrhaftig, die diesjährige Honigernte war dürftig, ungefähr 25 Liter je Stock, so dass wer bisher noch nichts gefunden hat die Winterkrankheiten zu bekämpfen, einen Rücken voll Preiselbeeren nach Hause bringen kann, es ist sicherlich hilfreicher als an irgendeinem Sonntag in diesem Jahr an einem Volkslauf teilzunehmen.
Eichelmangel
Aber in dieser Woche war ich vor allem überrascht von der ungenauen Schätzung der Eicheln und Kastanien aus dem Autofenster heraus. Ich habe in diesem Jahr einige Eichen mit vielen Eicheln darunter gesehen und einige Rosskastanienbäume waren ebenfalls voller „Stachelkugeln“, aber als wir mit dem Rad mit Aotäht und Mari zum Raadi Park fuhren, um Material für die Eicheltiere zu holen, war unsere Ernte dürftig. Eicheln wurden letztlich doch langsam eingesammelt, von etwa zwanzig Eichen hatten nur zwei üblich große Eicheln, die anderen waren erbsenklein. Und die Rosskastanie, die im vergangenen Jahr eine reiche Ernte ausschüttete, war in diesem Jahr ziemlich leer. Die Kinder sammelten die vorjährigen Kastanien darunter auf und dachten, sie zu Hause sauber zu waschen, aber am Abend kamen nur Eichel-Giraffen und -Pferde und -Männchen zur Besuchsparade in einer Reihe aus dem Kinderzimmer hervor.
Mäusejagd auf Stoppelfeldern beginnt. Hiireviu
Frühling im Herbst
Der Boden ist nass, so voller Wasser, dass selbst das kleinste Bündel Sonnenstrahlen die Pflanzen an das Frühlingsglück erinnert. Und so sind in Tartumaa Sumpfdotterblumen und Trollblumen am blühen, in Soomaa sogar der Seidelbast. In Tartu sind die Straßenränder mit blühendem Löwenzahn übersät und Erdbeeren blühen in weißer Schönheit, einige haben sogar ein Beerenknöpfchen oben drauf. Äpfel gibt es dieses Jahr nur örtlich. In Kütioru gab es keine Pflaumen oder Birnen und nicht mal Fruchtreste. Karotten und Zwiebeln blieben klein, keine Kürbisse. Aber die Ackerwinde war herbstlich schön, die Schafgarbe wartet, für den Tee gepflückt zu werden. Die Früchte der Wildrosen und Ebereschen sind schön rot. Die Beeren der Maiglöckchen sind in diesem Jahr überraschend groß. Und weil die Staren-Scharen bereits fort sind, bleiben hier und da sogar Apfelbeeren an den Büschen. Die Sanddorn-Ernte ist in diesem Jahr dürftiger. Feldfrüchte sehnten sich nach Sonne.
Kraniche sind bereit zum Aufbruch
Die Zugunruhe ist bei den Vögeln so stark, dass die aus dem Norden kommenden Vögel sich nicht mal um Menschen scheren. Als ich Aotäht zur Schule brachte, flog mich fast ein Kleiber um. Die Kraniche stehen in großen Gruppen und warten auf geeigneten Wind, am Ende dieser Woche sollten die ersten langsam beginnen Richtung Ägypten zu segeln. Mein Bruder Enn Vilbaste sagte, dass er nur einmal in diesem Jahr die Gänse hat ziehen hören und auch einmal ein Dutzend Singschwäne in der Luft war, aber vielleicht ist es noch zu früh. Es sind viele Falken in der Luft. Bei Einbruch der Nacht heulen Wölfe am Rand des Moores, vor dem Winter wird der jungen Generation das Jagen beigebracht. Bären drängen in die Apfelplantagen. Füchse sind auf den Feldern bei der Mäusejagd zu sehen, es ist ein schlechtes Mäusejahr.
Sumpf-Heidelbeerblätter sind im Herbst bunt
Schafe muss man scheren, wenn die Sichel des Neumondes zu sehen ist, dann wird wieder die Wolle lang wachsen und die Wolle wird nicht von Motten und Raupen zerfressen. Suislepa
Wenn man Wölfe in Schach halten will, damit sie einem nicht die Schafe reißen, dann darf man den Namen Wolf nicht nennen. Die Bewohner Saaremaas tragen den Namen dieses Schafschlächters vielleicht allzu häufig auf der Zunge. Die Lehre eines alten Mannes der Gemeinde Kihelkonna war folgende: „Den Wolf darf man nie bei seinem richtigen Namen nennen. Man muss sagen Herr des Waldes oder Schöner des Waldes oder Pelzträger oder Waldedelmann. Wer den Wolf in der Nähe von Wohngebäuden oder ähnlichem erwähnte, dem wurde die ganze Herde von Wölfen gerissen.“
Estlands Quellen: Maimu-Quelle
An der Straße Polli-Halliste auf den Ländereien des Mäkiste-Hofes am linken Steilhang des kleinen Seitentales, dass in das Halliste-Urstromtal mündet, liegt das Höllengrab von Mäkiste oder die Maimuhöhle. Es ist eine Stelle, wo die Aruküla-Schicht aus rotem Sandstein ans Licht kommt. Früher floss eine Quelle, die jetzt in ganz schlechtem Zustand ist, aus der Höhle. Die Höhe der Höhle beträgt 3 m, ihre Breite 12,5 m und die Tiefe bis zu 7,5 m. Die Höhle wurde nach der Veröffentlichung von A. Kitzbergs Erzählung „Maimu‟ bekannt und man konnte sie besuchten. Die Stelle wird für den Ort gehalten, an dem die Tochter Maimu des alten Karksi von Venda wegen ihrer verbotenen Liebe auf einem Holzstoß verbrannt wurde; als Zeichen ihres Mitgefühls schnitten sich alle Frauen und Mädchen in Polli ihre Haare kurz. Sogar noch viele Jahre später trugen die Frauen der Polli-Region kurze Haare. Die Männer rissen allen Schmuck, Schnüre, Bänder als Zeichen der Trauer von ihrem Wams. Daher sind die Wämser der Gemeinden Halliste und Karksi bis heute schmucklos wie schwarze Trauerkleidung geblieben.