Kronsbeeren

Estnisches Original veröffentlicht 24.08.2014
Text Kristel Vilbaste
Foto: Arne Ader
Übersetzung ins Englische: Liis
Vom Englischen ins Deutsche: Leonia
 
Wespe
 
Das Gebrumme über unseren Köpfen ist anhaltend und laut. Wespen! Sie dringen in Räume und Autos. Höfe und Gärten sind voll von ihnen. Einige von ihnen haben sich in einen gerade reifen Apfel gebohrt und nun, zum Platzen voll, können sie sich nicht rühren.
 
Mit den Wespen müssen wir noch einen guten Monat leben. Nur wenn die Wetterweisen den ersten ernsteren Nachtfrost vorhersagen, verschwinden sie aus unserem Leben. Deshalb: je eher der Frost in diesem Jahr kommt, desto besser.
 
Aber es ist auch ein wenig traurig mit diesen Brummern. Es braucht sie schlicht niemand mehr. Sie haben fleißig den ganzen Sommer hindurch gewerkelt und nun wurden sie aus dem Nest geworfen. Statt eiweißreiche Insekten zum Nest zu tragen, müssen sie sich nun ums eigene Überleben sorgen. Und sie überleben, auf allem was gut ist und süß.
 
Ihre Beziehung zum Menschen ist keine glückliche. Obwohl wir wahrscheinlich nur ein paar wenige Male im Herbst gestochen werden, wollen wir das nicht akzeptieren. Nun ja, verglichen mit Mücken sind sie die um ein Vielfaches geringere Plage. 
Die Brüder der Wespen, die Bienen, haben ihre Sommeraufgabe ebenfalls beendet, und obwohl in diesem Jahr ein schlechtes Honigjahr vorhergesagt wurde, hat die Mittsommerhitze Mengen an Honig in die Stöcke gebracht. Er ist in diesem Jahr wie geschmolzenes Gold und voll des Geruchs tausender Blüten. Es ist gar nicht möglich, genug Honig aus den Waben zu bekommen.
 
Wölfe reißen wieder einmal Schafe, in diesem Jahr sind ihre Zähne besonders scharf. Die estnische Reierung sollte ihre Wolfspolitik überdenken wie es scheint, denn die Schafe werden nicht mehr durch die diesjährigen Welpen gerissen, die zu jagen lernen, sondern durch alte einsame alte Wölfe.
 
An vielen Orten ist es nicht mehr sinnvoll, Schafe zu halten, und wenn es keine Schafe mehr gibt, werden die Wölfe Kälber und Fohlen angreifen. Wenn sie hungrig sind, werden sie auch Menschen belästigen. Würfe in Naturlandschaften müssen erhalten werden, das heißt, wenn es genügend Beutetiere im Wald gibt. Jetzt scheinen einsame Schafschlächter zu dominieren, und die Vorfahren wussten, dass wer den Geschmack von Schaffleisch im Maul hatte, niemals zurück wollte, ein Waldbewohner zu sein – sie wurden auch im Sommer hinter dem Schafstall bejagt. Tiere darf man sich nicht so verändern lassen, dass sie vom Menschen abhängig werden. 
 
Wildschwein auf der Straße
 
Aber die Wildschweinjagd sollte jetzt auf jeden Fall verboten werden, um die Wildschweine nicht herumzutreiben, und so die Schweinepest zu verbreiten. Am Taasiseseisvumispäeval jedoch hörte ich Gewehrschüsse genau vom Wildschwein-Futterplatz.
 
Der Herbst trifft im Pflanzenreich in Etappen ein. Birkenblätter sind bereits gelb, Ebereschen beugen sich unter sich rötenden Beeren. Und obwohl wir in diesem Jahr außer den Ebereschen wenig andere Beeren haben, scheint es zumindest ein gutes Kronsbeerenjahr zu werden.
Preiselbeeren können bereits gepflückt werden falls notwendig, sie haben immer noch eine weiße Wange, wie Gott sie schuf, örtlich sogar grün, aber für Kronsbeeren ist es definitiv noch zu früh.
 
Kronsbeeren
 
Beeren sind reif, wenn der Samen in ihnen reif ist. Wie bei Äpfeln mit weißen Samen, die nicht richtig schmecken wollen, so hat eine rohe Kronsbeere nicht die richtige Säure, und wenn sie für den Wintervorrat gepflückt werden, dann neigen sie zum Verrotten. Außerdem sind im August gesammelte Beeren um 1/3 kleiner als die zur rechten Zeit gesammelten.
 
Wann also ist der richtige Zeitpunkt, in das Kronsbeerenmoor zu gehen? Es ist das zweite Wochenende im September. Zu dieser Zeit wird mein neues Buch “Jõhvikas (Kronsbeeren)” die Läden erreicht haben. Darin habe ich mit Hilfe vieler Freunde und meiner Kronsbeeren züchtenden Mutter einen 250-seitigen Überblick über unsere heimischen Kronsbeeren gegeben.
“Esst Euch gesund!” ist die wichtigste Botschaft, die die Vorfahren uns mitteilten. Kronsbeeren zu essen sichert ein langes Leben. Nur drei Kronsbeeren je Tag verhelfen zu einem fast hundertjährigen Leben.
Im Buch finden Sie Anleitungen, wie Heilmittel aus Kronsbeeren herzustellen sind und wahre gesundheitsfördernde Rezepte für Jedermanns Tisch. Man kann sogar darüber lesen, was im „Herzen“ von Kronsbeeren verborgen ist und was die Wissenschaftler dazu sagen.
Die Geschichte eines nahezu halben Jahrhunderts estnischer Kronsbeeren-Forschung und -Kultur ist ebenfalls dokumentiert. Man erfährt, welche wahre Schönheiten die Beeren der Sorten der heimischen Kronsbeeren sind. Man findet genau Anleitungen, wie man ein Kronsbeeren-Beet von wenigen Quadratmetern im eigenen Garten anlegt, dessen Ernte den winterlichen Bedarf einer Familie deckt.
Und natürlich werden Kenntnisse vermittelt, wo die Kronsbeeren im Moor zu finden sind und wie man sie am sorgsamsten sammelt, reinigt und aufbewahrt. Es werden auch Geschichten mitgeteilt, wie in der Blütezeit des Kronsbeeren-Sammelns die Leute zum Pflücken am frühen Morgen mit der Taschenlampe gingen, weil man in dieser Zeit den wundersamen Wirkungen der Kronsbeeren ernsthaft vertraute. Und die Menschen waren gesund!! 


 

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