Schelladler Ann
Ann ist ein Schelladler mit einem ungewöhnlichen Schicksal. Um es klarer auszudrücken, Ann wurde eingefangen und im Jahr 2001 beringt. Zu dieser Zeit war Ann schon über 5 Jahre alt, folglich ist sie jetzt schon über 10 Jahre alt...
Es gelang uns sie am 14. Juli mit Hilfe eines Netzes einzufangen, nachdem wir es vorher schon eine Woche lang vergebens probiert hatten. Für alle Fälle ließen wir unser Tarnzelt in der Nähe des Nestes zurück und kamen fünf Tage später wieder dorthin um nachzuschauen, ob alles in Ordnung sei. Es zeigte sich, daß sich an Ann´s Verhalten nichts geändert hatte seit wir einen 45 g Sender auf ihrem Rücken angebracht hatten – sie fütterte ihr Junges und brachte, genauso wie vorher, frische Äste zum Nest. Und das Junge war beträchtlich kräftiger geworden. Wenn Ann ihrem Jungen Futter brachte, blieb sie längere Zeit im Nest, ordnete die Äste im Nest, saß am Rand des Nestes oder auf einem benachbarten Ast. Brachte das Männchen dem Jungen Futter warf er das schnell ins Nest und verweilte niemals länger. Es gab Tage an denen Ann überhaupt nichts und nur das Männchen Futter brachte. Alles in allem brachte das Weibchen ungefähr ein Fünftel des Futters, was bedeutet, daß der Hauptlieferant das Männchen war. Es ist möglich, daß ein früher Anfang des Zuges die Überlebenschancen für das Weibchen erhöhen – wie auch immer gibt es ein Defizit an männlichen Schelladlern. In Estland verpaaren sich deshalb die Hälfte der Schelladler Weibchen mit Schreiadler Männchen.
Ann´s Junges lernte normal zu fliegen obwohl Ann das Nest bereits Anfang August verlassen hatte. Das Männchen blieb noch mehr als einen Monat länger in der Nähe vom Jungen und dem Nest. Es ist uns leider nicht gelungen den genauen Abflugtermin zu bestimmen, aber wahrscheinlich gingen sie in der ersten Septemberhälfte auf den Zug.
Noch als das Junge im Nest war, fing Ann schon einige Male an ziemlich weit entfernt vom Nest herumzustreifen, manches Mal in bis zu 20 km Entfernung. Am 5. August flog Ann nicht zum Nest zurück und am Abend dieses Tages war sie schon 60 km vom Nest entfernt an der Lettischen Küste. Am 9. August flog sie eine längere Strecke bis nach Litauen; jedoch, aus welchem Grund auch immer, wollte sie nicht in Richtung Süden fliegen, sondern flog in östlicher Richtung und landete im nordöstlichen Teil von Litauen, wo sie 4 Tage verweilte. Von da aus nahm Ann die „falsche“ Richtung nach Nordosten und flog über den südöstlichen Teil von Lettland nach Pskov Oblast nahe Ostrov.
Ann blieb fast einen Monat lang in Pskov Oblast. Am 15. Oktober begann sie erneut zu ziehen, flog durch Weißrußland und kam Ende Oktober im Südosten Polens, 100 km von Warschau entfernt, am Fluß Visla an. Danach erreichten uns keine Koordinaten mehr von Ann.
Schelladler Mart
Mart repräsentiert den reinrassigen Schellader Estlands, was sowohl durch sein Erscheinungsbild als auch durch DNA nachgewiesen ist. Wir haben nicht mehr viele solche Schelladlerpaare bei denen beide Altvögel reinrassige Schelladler sind. Mart´s Territorium in Läänemaa ist gleichzeitg das größte bekannte Gebiet in Estland, wo Schelladler nisten.
Es dauerte über einen Monat um Mart zu fangen. Wir versuchten es mit einer ausgestopften Adler/Eule und Ködern, aber Mart war mißtrauisch gegen alle eingesetzten Lockmittel im Netz. Zuletzt setzten wir ein Netz mit Radiosender/Empfänger, den wir von unseren tschechischen Kollegen erhalten hatten, ein. Es gelang uns Mart zu fangen und ihn am 29. August 2006 zu besendern. Das Junge war zu dieser Zeit schon völlig selbständig, d.h. er flog frei herum aber bettelte das Männchen immer noch um Futter an. Wahrscheinlich war das Weibchen schon auf dem Zug. Zu der Zeit kreisten zwei fremde Schelladler über Mart´s Territorium doch konnten wir deren Herkunft nicht ausfindig machen. Der Zweck warum wir Mart einfingen war um mehr über die Futtergewohnheiten, den Zug und die Überwinterung der vom Aussterben bedrohten Schelladler zu erforschen. Nachdem wir Mart gefangen hatten erhielten wir Signale aus zehn und mehr km Entfernung vom Nest. Es schien so als wäre Mart auf der Suche nach den Erntemaschinen während der Ernte. Vorher wußten wir nur, daß solches Verhalten charakteristisch für Schreiadler ist…..
Mart begann seinen Herbstzug aus Läänema am 15. Oktober (genauso wie Juku in vergangenen Jahren) und begann sofort mit einem Rekord Tagesflug von 440 km. Am Abend desselben Tages war Mart am Fluß Nemunas nahe der Grenze zu Kaliningrad (Königsberg) Oblast. Dort machte er zehn Tage Pause. Während der nächsten zwei Wochen legte er noch einmal 440 km zurück und besuchte wahrscheinlich den bekanntesten Platz von Schelladlern in Europa – Biebrza National Park im nordöstlichen Polen. Unglücklicher Weise hat uns der Sender von Mart seit dem 24. November keine Signale mehr gesendet.
Schelladler Juku
Juku – der erste Vogel in Estland der einen GPS Sender erhalten hat – war ein Schelladler. 2005 hatten wir aktuelle Informationen über das Aufsuchen von Futterstellen, Beginn und Verlauf des Zuges bekommen. Juku wurde am 15. August 2005 in Raplamaa gefangen; zu der Zeit hatte er zwei Junge. Juku starb wahrscheinlich im Dezember 2005 während des Zuges in Serbien.
Schelladler Teele
Ein aufmerksamer Hobbybeobachter ist sich wahrscheinlich schon der Tatsache bewußt, daß beide Arten die in Estland leben, Schelladler und Schreiadler, gemischte Paare bilden, die ganz erfolgreich brüten. Es gibt Unterlagen über die Lebens- und Fortpflanzungsfähigkeit des Nachwuchses von gemischten Paaren. Es ist möglich, daß Teele genau ein Abkömmling davon ist. Ihre äußerliche Erscheinung und Maße stammen von beiden Arten. Die Länge der Flügel und Zehen, Farbe des Gefieders und das Körpergewicht sind eher die Merkmale eines Schelladlers – während die Farbe der Iris, die Farbe der Unterflügel und die Maße des Schnabels mehr denen eines Schreiadlers entsprechen. Demnach bietet Teele eine einzigartige Möglichkeit die Aktivitäten einer solchen Kreuzung zwischen Schrei- und Schelladler, zu beobachten. ….. Teele erhielt ihr Überwachungsgerät am 24. September 2005 im nördlichen Teil des Landkreises Viljandi. Als sie eingefangen wurde mag sie schon auf dem Zug gewesen sein und würde deshalb womöglich nicht zu dem Platz zurückkommen, wo sie eingefangen wurde. Nach ihrer Freilassung steuerte Teele nach Süden und innerhalb von 5 Tagen war sie mitten in Lettland. Anders als die Zugroute von Schelladlern führte die Zugroute von Teele nach Osten und sie flog über den östlichen Teil von Lettland, Weißrußland, Ukraine, Türkei, Ägypten und Sudan. Zwei Tage vor ihrem Tod machte Teele einen Rekordflug von 400 km, dann weitere 200 km doch an ihrem letzten Tag schaffte sie nur noch 120 Meter.