Interview von: Helen Arusoo, Loodusesõber-Journal
Bilder von Königskerzen aus dem Film
Übersetzung ins Englische: Liis
Übersetzung vom Englischen ins Deutsche: Leonia
Als ich die Premiere von Rein Marans Film "Hüter der Sieben Kräfte" besuchte, war Ich neugierig zu erfahren, wie es möglich sein könne, 33 Pflanzen-Portraits - das ist die Anzahl der Film zu sehenden Arten - zu einem Ganzen zu verbinden?
Filme über Pflanzen sind selten, und besonders solche mit vielen Pflanzenarten. Die Gefahr, dass man mit einer Reihe enzyklopäischer Bilder endet, lauert sicherlich in jedes Filmemachers Vorstellung. Aber das ist in Rein Marans Film nicht geschehen. Wie kommt das?
Der Film ist eine Einladung in einen heiligen Hain, estnisch hiis. Dieser Film handelt nicht nur von Pflanzen, sondern auch von Menschen. Die Welt der Pflanzen steht uns allen zur Entdeckung offen. Wir können Hilfe finden, wenn wir durch Beziehungsknäuel und Alltagsprobleme gestresst sind. In Kräutern können wir Kraft finden, wir sollten uns ihnen nähern wie einem Heiligtum.
Musik spielt im Film eine wichtige Rolle. Sie können in verschiedenen Kulten feststellen, dass an heiligen Orten schon immer musiziert wurde. Musik ist die höhere Sphäre, deren Kraft besonders Gefühle inspiriert. Ich gab den Musikern eine konkrete Aufgabe: sie sollten eine solche Musik für den Film finden, die diese Gefühle hervorgerufen würde - Musik, wie sie in einem heiligen Hain erklingen würde. In alten Zeiten gingen die Leute zu diesen Hainen - aber jetzt in dieser Zeit, in der wir immer weniger Kontakt mit dem Leben um uns herum haben - jetzt kann die unberührte Natur als Ganzes zu einer Art Heiligtum für uns werden, in dem wir inneres Gleichgewicht für uns und für unsere Beziehungen zu anderen finden können.
Die Musik war, wie ich zugeben muss, schwierig zu erzeugen. Ich hatte eine ziemlich lange Zeit mit der Auswahl zu tun. Ich suchte nach Komponisten, für die ein heiliger Hain eine natürliche und vertraute Sache sein sollte. Es war auch für sie sicher nicht einfach, mit mir zu arbeiten, wie sie vermutlich hinter meinem Rücken schimpften (Rein Maran lächelt - HA) - Nachdem ich bereits vorher alle Arbeiten von Mikk (Sarv - HA) und Aleksander Sünten gehört hatte, eine nach der anderen, entschied ich mich, diese beiden zusammen zu bringen. Und Tuule Kann, den ich als Musiker mit einer wahren Seele schätze, vervollständigte das Ganze. Ich suchte nach diesem Gefühl für die Heiligkeit der Natur in der Musik, und natürlich gab es Teile, mit denen ich nicht so glücklich war, und die gingen viele Male hin und her.

Die Musiker sangen keine alten Runenlieder im Film, warum? Das war wirklich Musik für ein Heiligtum. Aber in allem - den Stimmen von Tuule Kann, Aleksander Sünten und Mikk Sarv, den Klängen der Kantele und der Flöten – waren die Runenlieder gegenwärtig.
Die Melodien der Musiker waren aus alten Volksliedern geboren, aber die Musik selbst ist die Musik entsprechend den Themen der alten Runenlieder. Tuule sah zunächst einmal den ganzen Film, improvisierte dann ziemlich lange, später wählten wir Teile der Musik für den Film. Die meisten heutigen Menschen können sich mit den Runenliedern nicht anfreunden.
Ein Bild aus dem Film: weiße Wolken segeln über den blauen Himmel, im Hintergrund Trommelschläge. Aber die Trommel war keines unserer "eigenen" Instrumente?
Die Musik hat im Film eine weitere Aufgabe neben der, ein Gefühl von Heiligkeit zu erzielen: eine Pause zu schaffen. Eine Pause ist ebenfalls ein musikalisches Element. Der Herzschlag der Schamanentrommel und der endlose Strom der Wolken erzählen vom Fluss der Zeit, so hoffe ich. Wir leben oft im Augenblick der Gegenwart, so dass wir unsere Umwelt und die Zeit nicht als Werte des Lebens erkennen können.
Insgesamt ist dies ein unkonventioneller Film. Wir hören üblicherweise: "So kann man keine Filme machen". Weder eine Abfolge von Ereignissen noch eine Geschichte. Alles springt hin und her in der Zeit (im Film sehen wir Pflanzen im Frühjahr, Sommer, Herbst - HA). Vielleicht entdeckt der Betrachter eigene Fähigkeiten, diese Sprünge in Raum und Zeit in seiner Vorstellung nachzuvollziehen: Pflanzen dabei zuzusehen, wie sie sich schließen und sie sich gleichzeitig in voller Blüte und beim Fruchten vorzustellen. Die Wolken betonten ebenfalls die Zeitsprünge im Lebenslauf einiger Pflanzen.
Wie haben Sie diese 33 Pflanzen ausgewählt? Da gibt es die Ringelblume, ein Kraut aus späterer Zeit, Seite an Seite mit z. B. der Eiche, einem alten Volksheilkraut?
Das war wirklich harte Arbeit! Wir machten viele verschiedene Listen: die Pflanzen, die am häufigsten in alten Sprüchen und Texte vorkommen, die, die im heutigen Europa genutzt werden, die heutzutage am häufigsten gepflanzt und gesammelt werden etc. Wir legten diese Listen alle nebeneinander und trafen endlich die endgültige Auswahl. Ein Kriterium war auch, eine visuelle Vielfalt zu erreichen. Und dennoch musste die eine und andere schöne Pflanze ausgelassen werden. Für meine geliebte Kornblume – sie ist gut für die Augen - fand sich zum Beispiel kein Platz im Film. Wir nahmen einige Kürzungen vor, von Fall zu Fall, aber die endgültige Auswahl entwickelte sich in anderer Weise.
Der Film war als Ganzes eine komplizierte Aufgabe, keine einfach zu lösenden Sache. Für jede Pflanze hatten wir einen eigenen Ansatz zu finden. Ich plagte viele Leute mit meinen Fragen: Wissenschaftler, Heilpflanzen-Spezialisten und Pflanzer, vom Apotheker gar nicht zu sprechen. Im Gespräch mit ihnen allen kristallisierte sich die Idee des Films, wie er jetzt ist, heraus.
Wo können wir „Hüter der Sieben Kräfte" sehen?
Voraussichtlich im ETV [Estländischen Staatlichen Fernsehen]. Eine DVD mit Texten in vier Sprachen ist ebenfalls in Arbeit; mit der DVD gibt es ein Heft, in dem alle Pflanzen des Films vorgestellt werden.
Das obige Interview ist in der Juni-Ausgabe der Zeitschrift Loodusesõber veröffentlicht worden.
Große Königskerze (Verbascum Thapsus).
Runenlieder: Estnisch "regilaulud".
Heiliger Hain: Estnisch "hiis" ist vermutlich weniger mit formellen Riten und Priestern verknüpft, als der Begriff impliziert.