Geschrieben und illustriert von: Tiit Kändler
Übersetzung ins Englische: Liis
Vom Englischen ins Deutsche: Leonia
Von fern sehe ich den Zaun wachsen!
2. Dezember
Der Garten erfreut einen — es ist erstaunlicherweise immer noch recht warm. Und daher ist auch das Haus warm, obwohl der Gartenwerkler nicht die Energie hat, es besonders gut zu beheizen. Aber Vorsicht — auf dem Garten liegt bereits die eiskalte Hand des Winters. Nicht einmal ein richtiger Zaun hilft dagegen. Auch wenn es aussieht, als ob die Esten dies anders beurteilen. Warum sonst sehen wir derart unüberwindliche Zäune unsere Grundstücke einfrieden — ganz gleich wie liederlich der Hof sonst noch sein mag.
Der Zaun ist das Wichtigste für einen Gartenwerkler — besonders im Winter. Selbst wenn sonst weder Geld noch Zeit für andere Dinge da ist, der Zaun kann und muss errichtet werden.
Und wenn man schon dabei ist, dann sollte man ihn gleich auffälliger und auf jeden Fall anders machen als den seines Nachbarn. Gleich, ob er dann höher, niedriger, verquer, mehr rot, mehr gelb, mehr weiss oder mehr schwarz wird, das Wichtigste ist, dass der Zaun anders aussehen muss.
Spazieren Sie einmal eine Weile eine Seitenstraße entlang, und dies in einer dunklen Dezembernacht. Und Sie werden erkennen, dass selbst wenn die Gartenwerkler nicht das Geld zur Beleuchtung ihrer Häuser haben, die Zäune sämtlich alle hübsch von Scheinwerfern erfasst werden. Der Zaun muss gesehen werden, das ist eindeutig: dies ist mein Zaun und von niemandem sonst auf Erden. Und der ultimative Gipfel des Zaunes ist natürlich der Torpfosten — aber dies ist ein Thema jenseits der Macht von des Gartenwerklers Feder und muss vielmehr mit der subtil verfeinerten Wahrnehmung eines Psychiaters oder zumindest mit dem kraftvollen Zugriff eines Meisterringers erfasst werden. Obwohl kein estnischer Torpfosten einfach gepackt und rausgerissen werden kann.
Ich hatte einst einen Nachbarn, dessen Tor in einer dunklen Nacht als Vergeltung für irgendeinen Streit herausgerissen worden war — zwischen zwei kräftigen Pfosten! Er war ein eher gebrechlicher Mann, den alles nur Erdenkliche beunruhigte, aber dies, dass sein Tor herausgerissen war, und das noch zwischen zwei prächtigen Torpfosten, ließ ihn letztendlich zerbrechen. Er erholte sich nie wieder von dem furchtbaren Schlag. Und endete zwischen den Pforten des Todes.
Aber was tun, wenn es keine Nachbarn auf der anderen Seite des Zaunes gibt? Oder — entsetzlich — wenn der Nachbar, der jenseits des Zaunes lebt, keinen Zaun um seinen Grund zieht? Denn wir haben noch einige unmenschliche Mitmenschen, die — ihr Anwesen möge ihnen verzeihen — selbst keinen Zaun errichten.
In diesem Falle sollte man die Sache ökologisch angehen, aus einem Naturschutz-Blickwinkel. Und es sollte ein wirklich aristokratischer Zaun errichtet werden. Weil in der Natur etwas aristokratisches liegt — wie bereits Czesƚaw Miƚosz feststellte. Tatsächlich würde kein Bauerntölpel die Idee hegen, etwas so natürliches wie die Natur zu schützen. Was gibt es da zu schützen an einem Baumstumpf oder einem Graseckchen, was man nicht in die Pfanne tun kann oder seiner Schönheit wegen verkaufen.
Dass die Bauern einige Haine geschützt haben — das basiert natürlich auf der Idee von Stadtmenschen. Die Bauern hatten einfach nicht die Energie, diese gottvergessenen und überwucherten knorrigen ollen Stümpfe umzuhauen. Eine Axt soll man nicht vergeuden!
Daher sollte man einen Wälzer über barocke Architektur oder mindestens ein Handbuch über Gefängnismauern zu Rate ziehen und sich von dieser Lektüre anleiten lassen.
7. Dezember, morgens
Schnee, schon wieder dieser Schnee! Es ist, als ob er erst gestern da war und heute bereits wieder hier ist. Die Katzen haben eine andere Zeitwahrnehmung, sie laufen auf dem ersten Schnee wie eine Katze auf einem heißen Blechdach. Gefährlich! Und woher weiss der Gartenwerkler, wie ein Katze auf einem heißen Blechdach läuft? Nun, indem er eine Katze vorsichtig über den ersten Schnee laufen sieht. Die Russen haben eine Märcheneinleitung, die erzählt von einer Katze, die auf einem hohen Pfosten lebte. Während sie hinaufkletterte, erzählte sie ein Märchen. Was sie beim Abstieg tat, habe ich vergessen.
[Im estnischen Original wird der vorsichtige Gang der Katze über den frischen Schnee verglichen mit dem einer Fliege auf einem heißen Ofen, die zwar die Gefahr möglicherweise erkannte, sie aber nicht mied]
7. Dezember, abends
Der Gartenwerkler liest die Zeitung und freut sich. Er liest, dass sein Land jetzt so fortschrittlich ist, dass die Müllhalden sich um den Müll streiten. Schaun Sie — der Unrat und Dreck, Müll und Abfall ist nicht ausreichend für all die Deponien und Verbrennungsanlagen, die gebaut wurden. Der Journalist hat dem Artikel einen irgendwie besorgten Tonfall verliehen. Aber worüber sich sorgen? Wenn es Mangel an Müll gibt, dann lasst ihn uns kaufen. Es kann doch nicht zu wenig Dreck auf der Welt geben?
Und wenn man eine Wahl hat — entweder mitten zwischen Müllhalden zu sterben oder an der sauberen und farbenfrohen Wand einer Abfalllagerhalle oder einer nach EU-Richtlinien gebauten Verbrennungsanlage — wer würde da nicht die letztere Option wählen?