Text: Kristel Vilbaste
Fotos: Arne Ader
Füchse weben Spurenmuster in die Schneedecke ...
Wie kalt, wie kalt, diese ganze Woche . . . die Kälte beisst einen in die Nase und piekt ins Ohr. Aber dieses frostgepiekte Ohr ist gespitzt — wird die Wettervorhersage endlich die Ankunft von Wärme und den Beginn des Frühlings ankündigen?
Die vier Wetterzeichen dieser Woche:
Balzflug der Seeadler,
verendende Wildschweine,
tschilpende Sperlinge,
und -30 Grad Kälte.
Nein, der Wetterbericht verspricht nur ein Nachlassen der Kälte. Kein Frühling vor Ende März. Gleichzeitig wird der Frühling von der Natur selbst lauthals angekündigt. Weiden sind signalrot gefärbt, Birken und roter Hartriegel geben uns eine Ahnung vom Saftfluss in den Bäumen im Frühling. Ein Tropfen Schmelzwasser könnte die neugierigen Knospenspitzen aufspringen lassen. Meisen rufen ohne innezuhalten, Spechte jagen aufgeregt hintereinander her, Eulen sind irgendwie aktiver geworden. Die Adlerfamilie jedoch hat den Rand ihres Horstes mit grünen Hochzeitszweigen geschmückt und zumindest ein Seeadlerpaar besuchte die Robbenbeobachtungskamera in Saaremaa und führte vor, wie nächsten Generationen begründet werden. Wann wird der Frühling einsetzen — diese Frage ist derzeit in aller Munde. Eine Vorhersage ist unmöglich, nicht mittels eindrucksvoller wissenschaftlicher Modelle noch durch Volksweisheiten. Es ist besonders schwierig, alte Volksweisheiten anzuwenden, weil wir nicht mehr im Einklang mit der Natur leben. Außerdem ist es vielfach nicht feststellbar, ob die 14 Tage der Kalenderanpassung von Sammlern der Volksweisheiten bereits berücksichtigt wurden. Dennoch ist es möglich, einige der Naturzeichen zu nutzen. Zum Beispiel, dass 7 Wochen nach dem Abwurf der Fichtennadeln das Frühjahrshochwasser beginnt, weshalb in diesem Jahr die große Schneeschmelze um den 27. März einsetzen müsste. Man wird sehen. Im Herbst gab es viele Eicheln und die Angstblüte der Erlen — und es kam ein Winter mit hohem Schnee.

Birkenzeisige turnen in Erlenkronen und kündigen die baldige Ankunft des Frühlings an!
Wildschweinzucht im altem Bauernhof
Ja, der Winter mit seinem vielen Schnee hat unsere Schwarzkittel-Schnauzen ans Hungertuch gebracht. Die Notlage der Rehe ist allseits bekannt, diejenigen, die es bis jetzt geschafft haben, werden wohl auch den Frühling noch erleben. Die Böcke tragen bereits ein kleines pelziges Gehörn auf dem Kopf und es scheinen von beiden Geschlechtern etwa gleich viel überlebt zu haben. Im Gegensatz dazu sind die Wildschweine ernstlich in Schwierigkeiten. In Pärnumaa marschierte am Samstag ein kleiner Trupp durch eine versehentlich offen gelassene Tür in die Scheune meiner Kusine, einer der Grunzer war bereits in der Sägespäne auf dem Boden verendet und ein weiterer tat seinen letzten Schnaufer. Die anderen flohen in den Wald, als sie Leute kommen sahen. Bruder Enn scherzte, jeder wisse ja, dass Heino bereits seine Wildschweinzucht bei der PRIA habe registrieren lassen. Gleichzeitig verstehe ich die Jäger nicht, die 28 Ringelschwänze beim Verlassen des Futterplatzes abschossen. Welche Art Jagdvergnügen kann das sein?
Die Robbenkamera läuft wieder
Auf der Suche nach Frühlingsanzeichen in Saaremaa hat Umweltschützer Kadri Kullapere sich versichert, dass der Hartriegel wirklich schon rot ist, aber andererseits noch tiefer Winter herrscht und bei Vilsandi noch viel Eis ist. Die zum Überwintern eingetroffenen Höckerschwäne sind vom Eis sehr weit auf's Meer hinausgedrängt worden, wo ihre Hälse nicht mehr lang genug sind, um Futter auf dem Grund zu erreichen, so dass die Schwäne, ebenso wie in Pirita, auf den Straßen um Futter betteln. Wettermann Gennadi Skromnov ergänzt, dass die Robbenkamera wieder ausgerichtet ist, und dass man sowohl ein sich paarendes Seeadlerpärchen als auch Robbenweibchen beobachten konnte, die ihre Jungen säugten. Wenn jetzt nur keine Schiffe ihr Bilgenwasser im Heimatareal der Robben ablassen, eine Ladung gefährdete bereits die Eisenten an der nord-westlichen Festlandsküste.
Auf einer Eisscholle hockende Wasseramsel
Dieses Holz ist nicht zu holen
Eine weitere interessante Geschichte vom letzten Wochenende möchte ich mit Ihnen teilen. Mystik- und Technologie-Jahrhundert in einem. Als wir nämlich mit dem Auto aus der Region meiner Kinderzeit nach Tallinn zurückfuhren, bemerkten wir am Rande einer Lichtung einen winkenden Mann. Einen unglücklichen Holzlaster-Fahrer. Seine Geschichte war recht traurig, er war in der Kälte ausgestiegen, um die Holzladung mit Riemen zu sichern und ließ den Motor laufen und sein Handy im Fahrerhaus. Bei der Rückkehr waren die Lkw-Türen verriegelt, so verriegelt, das gar nichts half. Endlich konnte er ein Seitenfenster öffnen und ein Bruder (oder nur ein anderer Mann), den er gerufen hatte, mit Draht und Sägeblättern zu helfen, schaffte es letztlich mit einem Skistock, den elektrischen Fensterheber zu bedienen. Baumwiderstand?
Mäusejagd
Die Fließgeschwindigkeit der Gewässer hat sich in dieser Woche verringert, sogar Waldbäche mit kleinen Felskaskaden froren vielerorts ein. Die Schneeschicht jedoch trägt Skifahrer hervorragend. Die Schneeoberfläche ist mit den Spuren der Mäuse übersät, die ins Freie hinauskommen, weil unten die Luft knapp wird. Dort in der Nähe der Mauspfade sind auch Gefiederspuren von großen Krähenschwingen zu sehen, manch kleiner Piepser ist in den Krähenbäuchen verschwunden. Die mausehungrige Fuchsmeute jedoch hat sich diese Woche anderswo versteckt.
Der gefrorene Nõmmeveski-Fall. Valgejõgi-Fluss, Lahemaa
Blumengeschichten: Schneestichelndes Schneeglöckchen
In den alten Zeiten war das Meer blauer und der Schnee war höher. Aber dann erschienen winzige, zierliche, zartgrüne Blumen in dieser Welt — Schneeglöckchen. Einst, als die Schneelast des Alten Mannes Schneesturm zu schwer auf Mutter Erdes Buckel wurde, ließ sie die spitzen Knospen der Schneeglöckchen aus ihrem Boden sprießen. Die piekten den Schnee, bis er sich an diesen Stellen öffnete. Sofort ließen die Blumen schneeweiße Glöckchen aus ihren grünen Köpfchen wachsen und klingelten nach dem Frühling, er möge helfen. Und so geschieht es jedes Frühjahr, immer und immer wieder.
Zitat:
In Deutschland war es Brauch, dass ein Reiter, der wilde Erdbeeren am Wegesrand stehen sah, vom Pferde stieg, gleich wie sehr er in Eile war, und die Glücks-Beere kostete.