Die Geschichte der Woche

Wochengeschichte (Kristel Vilbaste).

Zweite Dezemberwoche: im Kamin spielender Schneesturm

Verfasst von Kristel Vilbasteloodusenaine@hot.ee
Fotos: Arne Ader
 
In Estlands Winter-Hauptstadt startete die Winter-Vogelfutterhäuschen-Kamera in ihre siebte Saison. Im Augenblick hat das Kamera-Auge Kohlmeisen im Blick
 
Alle aufregenden Dinge müssen in diese Woche hinein passen: St.-Thomas-Tag, das Ende der Welt und natürlich der Winteranfang. Und das Interessanteste – ein Tag muss all dem Raum geben.
 
Die vier Wetterzeichen der Woche:
hungrige Füchse,
Mäuse jagender Sperlingskauz,
Bäume unter Schneelast
und Glätte.
 
Der Winter beginnt am Freitag, den 21. Dezember um 13.11 Uhr. Und es ist großartig, dass er in diesem Jahr als echter Winter beginnt. Der Schnee geht einem bis über die Knöchel, es gibt Schneestürme und Kälte. Was die Kälte betrifft, so „hoffen“ wir endlich die 20 Kältegrade zu bekommen, die der Wetterbericht jetzt seit zwei Wochen verspricht. Wir können hoffen, denn Kältegrade halten in unserem Winter in der Regel nicht länger als eine Woche an, und dann wären wir mit der Kälte durch. Merkwürdig während dieser Woche daran zu denken, wie wir uns ein Bild einer nördlichen Weihnacht erschaffen. Wie seinerzeit sollte immer hoch Schnee auf dem Boden liegen, es schneit, damit der Weihnachtsmann aus der strengen Kälte mit frostigem Bart hereinkommen kann, das Meer ist bis zum Horizont gefroren. Es ist wahr, all dies gibt es, aber meist nur kurzzeitig und in der Regel ohne Weihnachtsmann. Vielleicht erinnern Sie sich, dass wir vor einem Jahr dieses Wetter draußen hatten: „Zu Weihnachten beginnt in Soomaa die 6. Jahreszeit, das Wasser steigt um mehr als einen Meter. Sturm Patrick drückt Seewasser gegen Haapsalus Strandpromenade. In Pärnu kann man im Strandpark in Gummistiefeln plantschen. Nõiakaev, der Hexenbrunnen, beginnt überzukochen.“ Nicht ein Fleckchen Schnee, so schrieb ich Ende des Jahres 2011. Ich gebe zu, dass ich es selbst nicht glaubte und auf Fotos prüfen musste – das letzte Weihnachten war ganz grün. Beim Blick auf das jetzige Wetter draußen erinnere ich mich einzig und nachhaltig an das unter Schneewehen begrabene Estland von 2010, als Monica am 9. Dezember das Wetter gestaltete und Padaorg mit Schnee randvoll stopfte. Aber in Wahrheit beginnt auch dies zu verblassen, weil es davon keine Bilder in meinem Rechner gibt – aus Võru kommend war ich beschäftigt genug damit, das Auto auf der Straße zu halten. Aber sei es wie es ist, dieses Jahr wird es ein klassisches Postkarten-Weihnachten geben, und in der Woche vor Weihnachten können die Kinder sich unabhängig von Kältegraden an Eislaufen und Skifahren erfreuen.
 
Reh-Ricke und Reh-Bock - wer ist wer? Die langen Haarbüschel an der Brust (Weibchen) und unter dem Bauch (Männchen) geben Anhaltspunkte zur Bestimmung des Geschlechts. Bei näherer Betrachtung des Bockes sind auch neue Gehörn-Stummel erkennbar
 
Gefräßige Finken
Die vergangene Woche zeigte den Vögeln die traurigere Seite des Winters. Die meisten versammelten sich um die Futterhäuschen herum und die Großzügigkeit der Menschen ist gegenwärtig nahezu uneingeschränkt. So müssen die Vögel nur durch den Schneefall zu dem Platz fliegen und sich mit Sonnenblumenkernen vollfuttern. Ich fühlte bei der Gier der Grünlinge ein wenig Frust, eine Tasse voller Samen wurde in Minuten verschleudert. Obwohl der Anführer der Bande versuchte, das Tempo vorzugeben und jeden sich annähernden Verwandten vom Futterplatz vertrieb. Gleichzeitig erzeugt das Spreiten der Flügel in der Drohgebärde so viel Wirbel, dass die aufgehäuften Samen einige zwanzig Zentimeter weit wegflogen und so auch in den Schnabeln des Restes der Truppe landeten. Und nun muss ich jeden Tag wieder einige zwanzig Grünlinge, ein Dutzend Feldsperlinge und fünf Kohlmeisen füttern. Nicht mehr, denn die Elster kommt kaum für irgendetwas außer für ein Stück Speck und das werde ich in diesem Jahr nicht hinaushängen.
 
Sperlingskauz
 
Hungrige kleine Eulen
Greifvögel sind in großen Nahrungsnöten, weil die Mäuse sich tief unter dem Schnee befinden, nur an Hauswänden finden sich ihre Rennbahnen auf dem Schnee. Am Mittwoch berichtete Enn Vilbaste aus Pärnumaa, dass ein winziger und hungriger Sperlingskauz im Garten aufgetaucht sei, diese faustgroße Eule mit dem irgendwie verärgerten Blick. Mein Bruder holte ein Netz aus dem Schuppen und fing den Vogel, aber es war alles in Ordnung mit ihm, außer dem Hunger, er hatte einen Ring am Bein und wurde bei den Tiergehegen freigelassen. Er wird dort sicherlich etwas mäuseartiges finden. Die Sperber werden nun wieder die Futterhäuschen besuchen, um Meisen zu ergattern und es scheint, dass in Tallinn ihre größeren Verwandten dasselbe tun – zumindest an der Tartu-Straße wurde eine Habichtsfeder direkt unter einem Fenster gefunden, die Jagd scheint an der Fensterscheibe zu Ende gewesen zu sein.
 
Wachsames Auge der Winter-Vogelfutterhäuschen-Kamera
Wie das eine oder andere beschwingte Wesen oder Gefieder aussieht, kann man mit der in der Winterhauptstadt platzierten Looduskalender.ee-Winter-Vogelfutterhäuschen-Kamera feststellen. In diesem Jahr ist die Kamera so nah bei den dortigen Vögeln, dass es fast möglich ist, der Amsel in den Schnabel zu schauen. Das Futterbehältnis, das die Kamera beobachtet, ist in diesem Jahr sehr ungewöhnlich, aus einer großen Saku Lätte (Saku-Quellen)-Flasche gemacht – es ist das Jahr der Quellen! Wer kommt, um auf dem Schiffssteuerrad unter der Flasche nach Samen zu angeln, kann man in den Vogel-Beschreibungen lesen. Looduskalender hat auch ein Forum, in das man das, was man gesehen hat, hineinschreiben kann und Ratschläge von anderen erbitten. Bald soll auch die Winter-Seeadler-Kamera wieder zusätzlich zur Wildschwein-Kamera, der Kegelrobben-Kamera und der Vogelfutterhäuschen-Kamera laufen, sie ist bereits in Vorbereitung.
 
Schneesturmmuster auf See-Eis
 
Feuerweg nach Raadi
Wer das Verlangen hat, nach draußen zu kommen, kann an der 1909-Kerzen-Tour am 21. Dezember teilnehmen, die mit Gesang vom Tartuer Raeplats die Roosi-Straße entlang bis nach Raadi führt, um den zukünftigen Standort des Estnischen National-Museums zu sehen; der Bau wird unmittelbar beginnen, sobald der Schnee verschwindet. Der Zug beginnt um 17.30 Uhr vom Raekojaplats mit der Öffnung eines Fenster des Raekoja-Adventskalenders, um 18.00 Uhr folgt eine Lichtinstallation an Hauswänden, um 18.15 Uhr eine Einweihungszeremonie und eine Feuershow, um 18.30 Uhr startet der Zug. Die Tour endet um 19.15 Uhr bei Raadi mit einer Feuer- und Tanz-Vorführung.
 
Empfehlung
Am Tag des Heiligen Thomas, dem Toomapäev, am 21. Dezember, sollte man beschädigte Herdsteine austauschen, denn nur so kann man am Heiligabend gesundheitsfördernden Sauna-Dampf haben. 
Der St.-Thomas-Tag ist Wurst-Zubereitungszeit. Wie in den nordischen Ländern, wo Brei als Weihnachtsmahl üblich ist, wurde auch in Estland Brei zu Weihnachten gegessen, aber er wurde in einen Darm gepresst. Vor hundert Jahren war die Weihnachtswurst in Estland noch immer weiß, ohne Blut. Die Kunst der Herstellung von Wurst mit Blut ist offenbar aus Schottland übers Meer nach Estland gekommen, wo unsere Blutwürstchen „Blutwurst“ heißen und zum Frühstück üblich sind.
 
Estlands Quellen: Aiataguse-Quellen
Die Quelle ist für die Menschen der Hauptstadt leicht erreichbar, man kann auch gut von dort gutes Trinkwasser mit nach Hause bringen. Am Ende der Kraavi-Straße in Nõmme ist ein Parkplatz und eine große Informationstafel zu dem Lehrpfad – hier beginnt ein Naturlehrpfad, dessen eines Ziel die Alutaguse-Quelle ist. Der 150 m lange Pfad führt zwischen Dünen-Kiefern direkt zur Quelle, er hat sumpfige Ränder. Um Wasser zu holen, geht man besser zur unteren Brücke. Aus dem reinen Sandboden sickert das Wasser an 10 verschiedenen Stellen. Der Lehrer am Nõmme-Naturhaus Lada Mehikas sagt, dass die Quelle seit 1992 geschützt sei und selbst jetzt im Winter als ein aufregender Platz zu entdecken sei. Entlang des Lehrpfades erreicht man auch die zweite Quelle Kasetuka schnell, aber dort Wasser zu entnehmen ist kompliziert. 
 
Estnischer Originalartikel hier veröffentlicht am 17.12.2012
Übersetzung Liis und Leonia


 

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