Text: Kristel Vilbaste
Fotos: Arne Ader
Star beim Reinigen des Nistkastens
In diesem Jahr machte sich der Frühling nicht die Mühe, in den April hinein zu platzen. Er kam einfach ruhig und gelassen, und glitt heran mit langsam einsetzendem Vogelgesang. Nein! Das Vogelkonzert am Morgen ist eigentlich bereits ohrenbetäubend.
Die vier Wetterzeichen dieser Woche.
Weißstorch,
Bären beim Moosbeerennaschen,
erste Schmetterlinge
und Nebel und Regen.
Jetzt ist es höchste Zeit, die Ohren richtig auszuputzen, das Fernglas zu nehmen und ein Vogelbuch und in einen Park oder ein Laubgehölz zu gehen. Im südlichen Estland dauert es keine zwei Minuten, dann sieht man bereits irgendwo auf einem Nistkasten, in einer Birke, auf einem Dach, auf einer Telefon- oder Stromleitung ein Starenpaar, von denen der eine mit nach unten abgespreizten Flügeln sein durchdringendes Frühlingslied ertönen lässt. Es wäre natürlich interessant, bei einem Vogel an seinem seltsamen Dialekt zu erkennen, wo er die Zeit verbrachte während der in Estland die Schneewehen bis zur Dachtraufe reichten. Sicherlich gibt es fremde Autohupen und die neuesten Handytöne aus Europas Kulturhauptstädten, aber auch einige Hintergrundgeräusche von Biolandhühnern. Die Amsel verschmäht es ebensowenig, andere Vögel zu imitieren. In jedem Fall gibt es viele schöne Entdeckungen zu machen. Eines ist sicher, dieser kleine flitterbesetzte Vogel bittet uns: bitte baut hier, in diese Birke, einen schönen komfortablen Öko-Nistkasten — aus ungehobelten Brettern, mit einer tiefen Höhlung und einer passenden Öffnung, so dass keine Räuber herein können.

Die ersten Weißstörche sind eingetroffen
Buchfinken sind angekommen
Aber nicht nur die Stare sind Vorboten des Frühlings. Es ist interessant zuzuhören, wie sich das soeben angekommene Rotkehlchen seiner Freundin anzeigt im noch immer schneebedeckten Hof, in dem von Zeit zu Zeit sogar eine klingende Perlenkette in den Schnee tropft. Diese kleinen Vögel sind immer noch am Futterhäuschen geschäftig, um sich warm zu halten. Aber alle Drosseln sind da, neben der Rotdrossel die Wacholderdrossel und die Amsel und auch schon die Misteldrossel. Kaja Kübar sagt, in Nibula sei der Hof voller Buchfinken, Gruppen von 20-30 Vögeln. Und Kraniche und Weißstörche sind ebenfalls bereits da. Diesen Schrecken aller Frösche sah ich selbst auf einem Nest in der Nähe der Straßenkreuzung von Põltsamaa.
Hin und her ziehen
Bruder Enn ergänzt jedoch, obwohl der Nigula-See noch nicht singe und das Eis immer noch das Wasser bedecke, höre man am Morgen vom See her Gebell — die Zwergschwäne sind da: „Etwa hundert Singschwäne sind heute früh hier drüber geflogen!“ In der Mitte der Woche gab es viele Züge von Gänsen. 30-200 Vogelschwärme von Saat- und Blässgänsen zogen vorüber. Ein halbes Tausend Kiebitze hatte eigentlich beschlossen, direkt nach Norden zu ziehen, aber die Kälte am Freitag oder der eisige Anblick Nord-Estlands ließ sie umkehren und zurückkommen. Natürlich haben die ersten Eulen und Käuze bereits Junge im Nest und außerhalb herumhüpfen, aber das gab es auch schon im Januar. Jedenfalls sollte es derzeit genug Mäuse-Tartar für sie da sein.
Ein Fuchs ruht auf einem Heuballen. Schnee ist so unangenehm nass.
Große Füchse und beerengierige Bären
Der nasse Boden hat die Mäuse heraus gescheucht und nun werden sie außer von den Eulen auch noch von den Füchsen gejagt. Es ist seltsam einen Fuchs auf einem verschneiten Feld zu begegnen, das Wetter lässt sie größer erscheinen und so scheint es bisweilen ein Wolf zu sein statt eines Mäusejägers. Aber die Wölfe sind leise und bleiben versteckt, bis es Zeit ist. Die Bärenmännchen jedoch erwachen einer nach dem anderen. Aivar Sakala sah in Nigula die Spur eines jungen Bären aus dem Moor führen, wahrscheinlich war er Beeren naschen, denn die Beerenbüsche waren sauber abgeschleckt. Die Elche sind jetzt in den Weidengebüschen, denn die saftigen Weiden sind derzeit das beste Futter, aber auch junge Kiefernschonungen sind nun in Gefahr, da die Kiefernsprossen langsam zum Leben erwachen. Es haben etwa so viele Rehe überlebt wie im vergangenen Frühjahr, schätzt Enn Vilbaste. Von den Wildschweinen hat etwa die Hälfte den Winter überstanden, das Leben vieler Marderhunde jedoch neigt sich im Frühjahr einem flackenden Ende zu.
Mückentanz und Schmeißfliegenmarsch
Die Pflanzenwelt hat in dieser Woche einen großen Sprung nach vorn gemacht, vor den Mauern stehen die Schneeglöckchen in voller Blüte. Erlenkätzchen sind besonders lang und schwungvoll. Aber es sei daran erinnert, dass der Frühling im Norden Estlands zwei Wochen später dran ist. Und wenn im Süden in dieser Woche in Tallin bereits erste Schmetterlinge gesehen wurden, ist es zunächst noch nur ein schöner Traum vom Sommer. Natürlich waren auch die Mücken am Samstag dort zur Eröffnung der Frühjahrsballsaison, in Tartu fanden sie sich an jedem Autor und an jeder Hauswand wimmelnd. Schläfrige Fliegen öffneten ihre Augen und summten ein Frühlingslied. Aber es gibt noch überall dicke Schneewehen. Die oberste Schneeschicht ist geschmolzen, dazwischen Pulverschnee und darunter eine sulzige Masse. Das Wasser kann sich auch frei bewegen, aber bei Kärevere ist nur noch ein Meter der Böschung übrig. Möglicherweise beginnt nun das Hochwasser-Schauspiel dieses Jahres.

Auf dem Eis des Emajõe-Flusses breiten sich Wasserlachen aus
Blumen-Geschichten: Huflattichkinder
Der Ursprung der Huflattich-Familie begann mit einem hübschen jungen Mädchen mit einem sonnengelben Haarschopf. Hurtig war das Frühlingsdasein des Mädchens, über ihrem Kopf summten Hummeln, Kornblumen kränzten ihr Haupt. So kamen eines nach dem anderen kleine Kinder zur Welt, für die die Huflattich-Mutter behutsam sorgte. Aber der Frühling verging und der Hochsommer begann, der Schopf der Huflattich-Dame war grau geworden, der Rücken, der so aufrecht gestanden, war müde und krumm zusammengesunken. Dann blies eines Tages Vater Wind die Kinder übers Feld, jedes Kind nahm ein Haarbüschel der Mutter mit. Es war für die Kinder schwer, ein neues Leben zu beginnen, einige konnten sich an einer anderen Pflanzen festhalten, andere wurden sehr viel weiter weggespült. Aber das Huflattichblatt erinnert noch immer an die gute Mutter. Die weiche Unterseite des Blattes nennt man „eigene Mutter“ und die glatte und kalte Seite „Stiefmutter“. Auch heute noch lieben es die Kinder, sich die Blätter an die Wangen zu legen und das auszuprobieren.
Zitat:
Ein Tee aus Schiefem Schillerporling, gewonnen von einer Birke im Mauseohrenstadium, solle bei Krebs getrunken werden; der Pilz dürfe nicht mit einem Messer geschnitten, sondern nur mit einer Holzkeule abgeschlagen werden.
Übersetzung Liis und Leonia