Fotos von Arne Ader
Landschaft im Nebel. Vihtjärv im Hügelland von Otepää
An jeder Nadel ist ein großer glitzernder Tropfen, einer von ihnen fällt mit ohrenbetäubender Lautstärke in die morgendliche Stille und sofort wird vom Nebel ein neuer an seine Stelle gezaubert. Es ist, als ob die Kinder des Weihnachtsbaumes weinten, wenn ich sie einlade, zu mir nach Hause mitzukommen.
Die vier Wetterzeichen der Woche:
Starenschwärme,
Hase im Winterrock,
grüner Rasen
und dichter Nebel.
Tatsächlich ist die Zeit, Weihnachtsbäume in die engere Auswahl zu nehmen, gekommen. Aber es scheint, als ob in diesem Jahr aus irgendeinem Grund niemand mit nach Hause kommen möchte. Der triefende Wald bringt meine eigene Nase zum Laufen und dazu, um die Fichten zu weinen. Aber schließlich finde ich eine kleine Fichte am Waldrand, die in die Arme eines größeren Baumes geschmiegt ist und einige der Zweige winken fröhlich: „Nimm mich! Nimm mich!“ Es ist jetzt der rechte Zeitpunkt, um die Fichte herumzugehen, ihre Nadeln zu prüfen, ob vielleicht ein Bereich zu mickrig oder die Benadelung zu dürftig sei. Bald wird weicher dicker Schnee fallen und der Fichtennadelpelz wird draußen ganz anders aussehen, als später in der Zimmerecke. Die rechte Zeit für die Weihnachtsbaumauswahl und die Verhandlungen ist dann, wenn in Weihnachtserinnerungen harzig duftende Bäume vorkommen. Meine Auserwählte möchte mitkommen, weil sie des Gedrängels mit größeren Kameraden müde ist, und ich verspreche ihr die Bewunderung strahlender Kinderaugen und schöne Weihnachtsmusik. Der Fichtenwald-Gang nach dem Katherinentag ist immer wie ein Ritual, mit etwas Schönem zu beginnen, die Anrufung der Stille und Besinnung. Es ist die Zeit, in der der Nebel bis ins Mark dringt, aber auch eine Zeit, in der es wieder möglich ist, in den Wald zu gehen, ohne dass hohes Gras einem an den Schuhen zerrt. Der erste Schnee ist fort, aber er hat das Gras zu Boden gedrückt. Der Wald ist erfüllt von Hauch des Ozons und der Geruch des Vergehens ist nicht mehr bemerkbar.

Kräuter sprießen auf den Feldern und das Rotwild genießt es
Elfenblauer Dunst
Der Nebel selbst jedoch ist so wunderschön, besonders wenn sich die Dunkelheit gerade auf Wälder und Felder senkt. Diese Woche besuchte ich eine Abschlussveranstaltung der Valgamaa-Freiland-Lehrerausbildung in Tõrva und der schönste Teil war ein Spaziergang auf dem illuminierten Pfad im Park rund um die Schule. Das Licht selbst war von dichtem Nebel verhangen, und als uns Lehrerin Lila Ortus für einen Augenblick in der Dunkelheit auf das Hochufer des Õhne-Flusses führte, erschuf das Licht des zunehmenden Mondes wahre Bezauberung. Weit unten, in tiefer Dunkelheit floss der kleine Fluss mit herbstlicher Trägheit, der vom Mondlicht erhellte Nebel darüber war elfenblau, so geheimnisvoll, dass es schien, als ob Elfenmädchen dort draußen tanzten in flatternden Kleidern. Aber weder Kantelenmusik noch Tanzwirbel folgten – nur noch tiefe, gedämpfte Stille. So ruhig, dass sogar ein Kind, dass für einen Augenblick vom Weg fortgelaufen war und wie eine Eule rief, schnell zurück zu seiner Mutter rannte auf der Suche nach Nähe.
Dohlenleiber am Abendhimmel
Der Tag ist gegenüber der Nacht so kurz, das die Vögel kaum Zeit haben, ihr Morgenmahl aus dem Komposthaufen zu holen, bevor sie sich beeilen, zum Abendessen zurückzukehren. Jedoch war an wenigen Tagen unter der Woche sogar ein Lächeln der Sonne zu sehen, so fröhlich, dass die Stare aus dem Süden zurückkehrten und großes Erstaunen unter den Leuten hervorriefen. Das Moorhuhn kann das Blubbern nicht lassen, obwohl fast Weihnachtsmonat ist. Dohlen und Krähen unternehmen tägliche Futterausflüge zu den abgeernteten Getreidefeldern, in den Abendstunden treffen sie in den Städten ein, die Nacht in Bäumen und auf Gesimsen in solch großen und lauten Horden zu verbringen, dass der Himmel manchmal bei Sonnenuntergang ziemlich schwarz ist.
In den Wäldern ziehen Meisenscharen herum. Die Weidenmeise hat ein männliches Erlenkätzchen im Schnabel
Auf Schnee wartend
Die Wälder sind wirklich durchsichtig bis zum Boden, nur einige Disteln mit grau zerfledderten Blattresten und schwarzer knubbeliger Rainfarn stehen aufrecht, aber alles was gebeugt werden konnte, ist zu Boden gedrückt. Die Bäume haben kein einziges Blatt mehr. Einige wenige Eichen mit südlicherer Natur behalten ihre im Wind raschelnden Blätter, und die Samenstände der Lorbeerweide noch am Baum, der gesamte Rest ist schwarz steckenartig und kahl von Regen und Nebel. Eine einsame weiße Taubnessel an einem Stein versucht noch mit grünen Blättern zu winken, und die abgeernteten Felder sind grün, aber all die anderen im Pflanzenreich warten ... warten auf den Schutz der warmen weichen Schneedecke. Und auf diese hoffen sie, bevor die bittere Kälte kommt, die gierig alle verborgenen Knospen verdorren würde.
Ergrauter Hase
In diesem nassen Wald mögen sich auch die Tiere nicht bewegen, nur der Feldhase, der sich winterlich grau gewandet hat, springt über das Feld. Anderswo sitzt ein Fuchs auf einem Haufen Stroh und wartet. Er ist noch nicht so hungrig, dass er über das Feld rennen muss und „Maussprünge“ tun. Tiere sind derzeit draußen vor allem auf Verkehrszeichen zu sehen. Ich studierte in dieser Woche mit großem Interesse, welche Tiere sich nach unserem Straßenverkehrsrecht in unserer Landschaft herumtrieben. Da nach dem jüngsten Straßenverkehrsrecht das rote Dreieck „Wildtiere“ vor den am Ort typischen Wildtieren warnt. Nach diesen Zeichen zu urteilen, sind Rehe in Estland am zahlreichsten, dann Elche, an einigen Orten Frösche. Im Põltsamaa Park kann man auf Enten treffen und an einem Ort haben wir genug Eichhörnchen, dass es die Warnung lohnte – in Kadriorg.
Licht auf Kiefernharz
Weiße Ringe mit großem Durchmesser um den Mond oder die Sonne, ähnlich wie nahe der Sonne stehende Streifen, sogenannte Parhelia oder Nebensonnen kündigen Kälte an. stud. astr. Hjalmar Mäe, 1921.
Empfehlung:
Bei Wunden, die nicht heilen wollten, wurde vor Zeiten eine Wundauflage aus Fichtenharz gekocht. Dafür wurden 4 Teile reines Harz, 1 Teil Schmalz oder Butter, 1 Teil Wachs oder Propolis-Bienenharz, ein paar Tropfen Weizenkeimsaft, ein wenig Salz in einen Topf mit dickem Boden getan und die Mischung wurde 10 Minuten gekocht. Alle Arten von Wunden, die „böse“ geworden waren, wurden damit behandelt.
Estlands Quellen: Põhjatu allikas (Quelle ohne Boden)
Auf Saaremaa in der Nähe des fünften Kilometers der Võhma-Straße befindet sich eine große und berühmte Opferquelle. Der heilige Brunnen sprudelt in einem kleinen Wäldchen auf einer niedrig gelegenen Wiese hinter dem Dorf Pähkla, es ist die Põhjatu-Quelle mit tiefgrünem Wasser. Den Namen erhielt die Quelle wegen ihrer Tiefe – man sagte einst, dass 7 Stöcke von einem Süld (Klafter) Länge jeweils mit den Enden verbunden und in den Brunnen hinabgelassen wurden, aber man erreichte keinen Grund (süld – ein Klafter war das Maß zwischen den Fingerspitzen der ausgestreckten Arme). Ebenso wenig reichten alle Seile des Dorfes zusammengebunden bis zum Grund. "Põhjatu" klingt aus dem Munde eines Einwohners aus dem Westen Saaremaas wie "pöhatu", was ähnlich ist wie "pühatu", und daher vermutet man, dass der ursprüngliche Name vom Wort püha für heilig abgeleitet ist. Die Quellen, von denen sich früher mehr im Boden öffneten, waren sehr berühmt, aus allen Ecken Saaremaas kamen Leute hierher, um zu opfern. Übliche Gaben waren Geldmünzen, die Menschen wuschen ihre Augen mit dem klaren Quellwasser und ihr Augenlicht wurde besser davon.
Estnischer Originalartikel hier veröffentlicht am 26.11.2012