Die Geschichte der Woche

Wochengeschichte (Kristel Vilbaste).

Erste Märzwoche: Frühling kommt geschlichen

Text: Kristel Vilbaste
Fotos: Arne Ader
 
Schnee pickender Buntspecht
 
Mit schepperndem Getöse beginnt der Buntspecht sein Getrommel auf dem Metall der Straßenlaterne von Nõmme. Der Krach ist derart laut, dass keiner mehr Zweifel hegen kann, was das Herannahen des Frühlings angeht.
 
Die vier Wetterzeichen dieser Woche:
Frühlingsgrüße von Silbermöwen,
Spechtgetrommel,
plätscherndes Wasser
und Plusgrade.
 
Doch der Frühling schleicht sich noch langsam und heimlich ein, mit Sonnenschein und Schneefall, Plusgraden und klirrender Kälte im Wechsel – genau so, wie ein echter Frühling beginnen sollte. Im März ist er letztendlich dann da, und keiner muss mehr bezweifeln, dass er nasse Füsse kriegt, wenn er über den Hof läuft. Am Samstag ging ich, den Frühling am Wasserfall von Keila zu suchen, oder vielmehr zog es mich dorthin, weil ich dort Eispaläste zu sehen erwartete. Es war nicht so eindrucksvoll wie bei Jägala, aber die Sonne hatte Frühlingsglitzern an die Eiswände gezaubert, die von der Decke der Eishöhle hängenden Eiszapfen schimmerten in tausenden frühlingshaften Farben, das Wasser des Flusses bahnte sich mit plätscherndem Lied hier und da seinen Weg durch das Eis und und verzierte die Eisdecke des Flusses mit wundervollen Eiszapfen und kleinen Brückenbögen, so dass eine Hundertschaft von Frühlingssuchenden mit Fotografieren und entzückter Bewunderung beschäftigt war. Aotäht fand rasch einen in den Schnee getretenen Pfad, der uns zu einer natürlichen Rutschbahn führte, glitzernd, eisig und glatt. Viele Väter rutschten dort auf ihrer Kehrseite mit ihren Kindern herunter und übten schon mal für den verrückten Faschingsdienstag.
 
 
Gurkensamen in den Boden!
Sonderbarerweise jedoch blieben die Pflanzentriebe seltsam unberührt von dem klingenden Hintergrund all dieses plätschernden Wassers. Die Schneeberge an allen Seiten und über ihnen sind wie Kerkermeister, eisfreien Boden ohne Schnee gibt es nur an wenigen Wänden und unter einigen Fichten. Aber zur selben Zeit sind doch die Weidenkätzchen sowohl im südlichen als auch im nördlichen Estland aufgegangen. Die Haselzweige sind bereits gelblich-braun. Gleichzeitig wird Torf in Unmengen nach Hause geschleppt, die Tomatensamen sollen schon in die Erde, Gurken und einige Blumen müssen in den nächsten Tagen ausgesät werden. Die Fichten haben ihren dritten Nadelabwurf. Laut "Hallo Frühling"-Betreuer Val Rajasaar kündigt dies die große Schneeschmelze und das Hochwasser für Ende März an. Auch die Beobachtungsseite "Hallo Frühling" der Kinder ist voller Vorfreude.
 
Verdauungspause im Schnee. Das Reh hat sich für die Rast eine nach Süden hin offene Waldlichtung gesucht
 
Erfahrene Vogelbeobachter sind ebenfalls voller Enthusiasmus; als Mikk Sarv die von den Schülern auf CD gesammelten und ihm in Muraste von Terje Tuisk und Val Rajasaar überreichten Vogelgesänge im Auto abspielte und ein klarer Lerchentriller über dem Wald ertönte – klatschten wir alle glücklich in die Hände und riefen: „Die Lerche ist dal!“ Ein warmes Gefühl breitete sich im Herzen aus und dann die kleine Enttäuschung, als sich herausstellte, dass die Freudenbotschaft nur von der Scheibe kam. Aber das Wetter am Wochenende war einfach genau jenes, bei dem die Lerche trillernd in den Himmel steigt, bei dem der Star zu flöten beginnt und der Kiebitzregenpfeifer schluchzt. Das ist die rechte Zeit, eine Sammlung von Vogelstimmen zu veröffentlichen und sich zu erinnern, wie dieser oder jener Vogel ruft. Erinnern Sie sich beispielsweise, wie tapfer die Singdrossel jede ihrer Phrasierungen wiederholt. Deshalb trägt sie den volkstümlichen Namen "Nachtigallen-Kantor".
 
 
Alle singen
Die Vögel sind in dieser Zeit am lautesten. Kohlmeisen, Blaumeisen, Dompfaff, Stieglitze und sogar Elstern und Eichelhäher singen. Überall ertönt das Trommeln der Spechte auf Menschenwerk ebenso wie auf totem Holz. Jeden Tag besuche ich die Vogelstation von Sõrve, erster Informant zum Frühjahrszug, um auf ihrer Homepage nachzusehen, ob es erste Ankömmlinge gibt. Nur die Eulen rufen jetzt nicht. Im Nigula Wildtierreservat wurden unterernährte Eulen aus allen Regionen eingeliefert. Und die gleiche Bande, die bereits den ganzen Winter in unserem Hof verbrachte, singt jetzt hier. Aber es ist aufregend, dass Enten und Schwäne herumfliegen, dass sie Kraft und Frühjahrsfreude dafür hergeben können.
 
Rehfährten in der Schneedecke
 
Nistkästen in die Bäume!
Der schallende Meisenruf erinnert uns daran, dass das Futterhaus unserer gefiederten Freunde bald seine Sommerruhe antreten sollte, und dass man mit dem Zusammennageln der Nistkästen beginnen muss. Ja, genau jetzt ist der richtige Zeitpunkt, die Nistkästen für die Meisen anzubringen. Vogelkundler Agu Leivits meint: „Die Meisen suchen bereits nach Nistplätzen, man kann es an ihrem Lied hören, sie legen ihre ersten Eier bereits Ende April. Dann bleibt noch genug Zeit für die Starenkästen.“ Ich fragte nach Rat, wie ein guter Nistkasten auszusehen habe, sind zum Beispiel 26 cm tiefe Kästen, wie ich sie im Angebot sah, geeignet? Nach Meinung des Vogelspezialisten sind sie ein wenig zu niedrig, weil sie Katzen und Eichhörnchen den Zugriff ermöglichen. „Es lohnt sich, sie selbst anzufertigen, eine gute Anleitung zum Selbstbau findet man auf www.nigula.ee/pesakast,“ empfiehlt er.
 
Blumengeschichten: Erdbeerblüten
Als der Urvater die Erdbeere schuf, vergaß er, eine Blüte für sie zu machen. Einige Erdbeeren wuchsen unter Apfelbäumen und sahen in jedem Frühjahr, welch' wundervolle Blüten auf dem Apfelbaum prangten und wie herrliche Früchte sie im Herbst trugen. Ihr eigenes Dasein schien ihnen nutzlos und so beklagten sie sich beim Urvater über ihre Sorgen. Und so wurde ihnen erlaubt, sich ihre Blüten selbst auszusuchen, und sie baten um Blüten genau wie die der Apfelbäume. Nun haben Erdbeeren und Apfelbäume ähnliche Blüten, und die köstlichen Früchte verlocken die Menschen, sich um sie zu kümmern und sie zu erhalten.
 
Eiswelt von Valgejõe
 
Zitat:
Wer traurig ist, soll sich pulverisierte Blätter des Ruprechtskrautes auf sein Brot streuen und das Brot mit dem Pulver essen, dann wird die Trauer vergehen.


 

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