Text und Foto: Pille Tammur
Übersetzung ins Englische: Liis
Übersetzung vom Englischen ins Deutsche: Brit
Der Wetterbericht verspricht Schnee. Den ersten Schnee in den Wäldern zu erleben, ist ein bezauberndes Erlebnis. Beim Sonnenaufgang am Morgen machte ich mich auf zu einem bekannten Pfad im Alam-Pedja Naturschutzgebiet Richtung Rehesaare. Dort ist Herbststille. Ich lauschte aufmerksam ob zumindest jemand einen Ton von sich gibt. Nur ein beleidigter Rabe krächzte einmal, als ich unter dem Baum, wo er auf einem Ast döste, durchging. Einige beschäftigte Sumpfmeisen und das sind all meine diesbezüglichen Erlebnisse. Ich hielt und lauschte – nur das Wispern des Windes in den Moorkieferkronen und das leise Knistern des Regens auf meinem Regenhut. Das Wetter ist knackig doch werde ich heute keinen Schnee bekommen, das ist klar – es liegt weder Geruch von Schnee in der Luft, noch der eisige Atem, der Schneefall voraussagt. Nur ruhiger Regen.
Rehessaare empfängt mich mit der Ernsthaftigkeit des Herbstes, mit seinen großen alten Fichten und fast prähistorischen Apfelbäumen – Zeichen für den Ort eines alten Bauernhauses. Trotz der Tatsache, dass das alte Haus nicht mehr dort ist hat der Platz neues Leben bekommen, doch das ist schon eine andere Geschichte. Mein erster Besuch in Rehessaare war anders.
Alter Apfelbaum am Rehessaare Farm Platz
Es war Herbst, September 1982. Wir waren schon stundenlang auf den Waldwegen gewandert und ich konnte nicht müde werden zu staunen. Wir drängten durch Sumpfwald, erreichten einen offenen Heidelbeerwald mit hohen Kiefern wo auch die Sache wuchs, wegen der ich diesmal gekommen war – eine rosa Heidelbeere. Dann etwas mehr sumpfiger Wald und plötzlich waren wir auf einem hohen engen Kamm mitten in einem offenen Moor. Wo bin ich bloß angekommen? Mein Begleiter Einar machte nur ein schlaues-indifferentes Gesicht. Einige Stunden mehr Wanderung, dann mehr Sumpf und mehr Dickicht. In ein paar Waldlichtungen das Leben und die Aktivitäten von längst vergangenen Menschen zu erahnen. Wie konnte man überhaupt in solch einer Wildnis leben. Wir wanderten den ganzen Tag durch eine unglaublich abwechslungsreiche Landschaft.

Die Hütte, oder der Rehessaare Bauernhof, jetzt zerstört, 1982. Foto: Einar Tammur.
Am Abend erreichten wir ein Forsthaus von dem Einar wusste, dass es Rehessaare war. Wir hatten das Land der Wunder gefunden, wo alle Estnischen Adler, Auerhahn, Wölfe und Bären lebten. Und als ob dies nicht genug gewesen wäre. Hier waren die hügeligen Betten der Pedja und Umbusi Flüsse, riesige Freiflächen an den Ufern des Emajõgi, die geheimen Kurven der alten Flüsse, Auen, Talniederungen, stolzen Eichenbestände an den Ufern der Pedja und Pede Flüsse.
An diesem Herbsttag wusste ich noch nicht, das Rehessaare unsere „Waldheimat“ werden würde, liebevoll die Hütte genannt und diese Hütte würde eine ganze Gruppe von herausragenden Biologen hervorbringen: Einar Tammur, Urmas Sellis, Arne Ader, Asko Lõhmus fallen mir da spontan ein. Dass diese hohen Bergrücken den Namen Suur Peenar, Großes Gartenbett, hatte, das der Name des erstaunlichen Waldes Võiviku war, dass jede Moorinsel und offenes Feld einen Namen hatte und dass wir uns hoffnungslos in dieser wilden und unberührten Land verloren hatten. Keiner von uns wusste, dass die Idee von einem neuen und einzigartigen Naturschutzgebiet angefangen hatte zu keimen. Aber sicherlich die Kette von Ereignissen die mehr als 10 Jahre später die Schaffung des Alam-Pedja Naturschutzgebietes initiiert und dieses zugängig gemacht hatte.