Vierte Juli-Woche: Schmetterlings-Freudenfeste

Text: Kristel Vilbaste
Fotos: Arne Ader
 
Schmetterlingstanz. Kaisermantel auf Wald-Engelwurz
 
Siuh! Säuh! Ein flammendrotes Gewand neben einem pastellblauen. Immer höher und drehend, wirbelnd und kreisend ... Die Schmetterlinge führen den Sommertag lang einen Freudentanz auf, eine Stunde später erscheinen dann die nächtlichen Tanztruppen auf der Bühne.
 
Die vier Wetterzeichen dieser Woche:
Herumgewusel der Marderhund-Welpen,
Tanz der Distelfalter,
Weiße Distel-Puschel,
und höllische Hitze.
 
Der Tanz der Tagschmetterlinge treibt über Blumenbeete, Blumenwiesen, überall dorthin, wo Tausende an Blüten die wunderschön gewandeten Wesen mit süßen Düften an ihre Tafel locken: Distelfalter, Schwalbenschwanz, kleiner Feuerfalter, Kaisermantel, Admiral. Aber es gibt rechte Tanz-Liebhaber im Stamm der Schmetterlinge, besonders die Bläulinge und Schillerfalter ziehen mit großen Schwüngen über die Schotterstraßen zwischen den Wäldern, die eigentliche Überlandreise beginnt, wenn die Bachstelze zwischen ihnen herumwirbelt. Ein Teil der Schmetterlingsdamen findet sich um die Pfützen herum ein, die der nächtliche Regen mit sich brachte, aber auch die männlichen Schmetterlinge kommen zum Trinken dorthin. Die Flügel der Tagestänzer erhalten jedoch an den letzten Juli-Tagen ein feuchtes Nebeltuch übergeworfen, jeder eilt wohin nur möglich, einige in die Rindenspalten, andere unter die Geißfußblätter. Und schon spielt der Fiedler auf – die Grillen lassen ihre Violinen in voller Lautstärke erklingen und auf der Bühne flattern die Tanzgruppen der Nachtfalter. Und welches Wirbeln, die Flugfiguren sind so vielfältig wie die Muster auf ihren samtigen Flügeln, da sind Gold und Silber auf den Flügeln und die Schönheit des Tanzes. Und wenn der Tanz-Virtuose erscheint – das Abendpfauenauge – dann haben alle nur Augen für ihn, nur diesem Tanzwunder gelingen solch schnelle Wendungen mit den Flügeln, fast am Fleck schwebend. Die Blüten schauen und präsentieren als Honorar für den wundervollen Tanz ein Tröpfchen Nektar. Der Alltag freilich bricht in diesen freudigen Tanz in Gestalt eines lautlosen Schattens, dieser schwarze Schatten mit seinem weit geöffneten Kiefer blitzt hier und dort ein paar Mal auf – die Tanzfiguren werden wirr. Rette sich, wer kann vor der Schmetterlingsjagd der Wasserfledermaus. Doch schon bald ist die Fledermaus verschwunden und der Tanz geht weiter.
 
Die Stare sammeln sich in Scharen. Im braunen Gefieder der Jungen erscheinen immer mehr der für das Wintergefieder charakteristischen Lichtpunkte
 
Bis zum Hals im Wasser
Für die Menschen bedeutet der helle Tag auch meist Flucht. Flucht vor der Hitze, und meist fliehen wir ins Wasser. Tief, weil die Bremsen-Patrouillen zur Strafe jeden beißen, der nur das kleinste Fleckchen Haut blicken lässt. Diese Woche jedoch bot der Peipussee eine angenehme Überraschung. Als wir zu unserem Heimatstrand bei Vilusi zum Baden gingen, war die gesamte Algen-Erbsensuppe verschwunden. Vermutlich hat der Westwind diesen dicken Brei nach Russland geschoben. Nur ein paar tote Zander und Kaulbarsche trieben im Wasser, das Wasser war warm und belebend zugleich. Vom zarten Algensommer zeugte nur ein langer Schaumstreifen am Ufer. Tochter Aotäht und ihr Freund Taaniel schoben den Seifenschaum zu einem großen Haufen und spielten Schaumbaden.  
 
Alles blüht
Sogar Pflanzen kann man sehr angenehm an der Küste beobachten. In der Sommerschule von Lohesuu lernten die Lehrer im Außenunterricht unter der Anleitung von Tiina Elvisto schnell den rosablühenden gewöhnlichen Wasserdost und den Sumpf-Ziest, das blau-behelmte Sumpf-Helmkraut, die weidenblättrige Sumpfschafgarbe mit ihrem weißen Blütenschaum, den Ufer-Wolfstrapp und die teeblättrige Weide kennen. Die filzige Pestwurz hat ihre zart wollig-grauen Blätter ausgetrieben, die Köpfe der Rohrkolben werden von Tag zu Tag dunkler. Die Schwanenblume und der gewöhnliche Froschlöffel, der Wasserschierling und der große Wasserfenchel blühen. Die Blütenkerzen des schmalblättrigen Weidenröschens sind diese Woche abgebrannt und verteilen bereits wollige Samen.
 
Pferdebremsen — leider sind auch sie ein Zeichen des diesjährigen heißen Sommers!
 
Vidiit!
Die Vogelvölkchen setzen sich langam in Bewegung. Die Grasmücken beginnen, sich im Schilf zu sammeln, die Kraniche auf den Feldern. Die Jungen der Weißstörche absolvieren ihre ersten Flüge, die schüchterneren unter ihnen lassen noch ängstliche Grunzer aus ihren Nestmulden hören, aber der Hunger wird sicherlich auch ihnen Wind unter die Flügel pusten. Die Starenschwärme sind gigantisch geworden. Eine wilde Vogel-Hundertschaft huscht jeden Morgen über meinen Rasen und beginnt, alle in eine Richtung marschierend, den Rasen abzupicken, dann wieder in die andere Richtung, von Zeit zu Zeit wird papageienartig laut geschrien und der Schwarm fliegt um das Haus herum und beginnt dann wieder neu mit dem Abgrasen. Aber die erste Lerche flog unter Zugrufen hoch über uns gen Süden.
 
Elchweidegründe sind im Moor
Man kann das langsame Wechseln vom Sommer in den Herbst auch durch die feisten, fetten Marderhund-Welpen feststellen, die in der Nacht am Straßenrand laufen und springen und versuchen Frosch-Kadaver zu vertilgen. Die klügeren sind jedoch in den Wäldern und vernaschen Heidelbeeren, weil auf dem Randstreifen dieses Eisenpferdeasphalts sehr viele Pelzbällchen zu den Herden des Schöpfers eingehen. Tiina Elvisot erzählte auch, dass sie ein Reh mit zwei Kitzen in Vääna gesehen hat, sonst gibt es kaum welche. Elche sind ebenfalls nicht zu sehen, sie stecken bis zum Hals in den Sümpfen, um sich vor den beißenden Insekten zu verstecken, und mampfen Fieberkleeblätter.
 
Schwanenblume
 
Blumengeschichte: Schwanenblume
Vor langer Zeit lebte am Peipussee ein sehr schönes Mädchen mit einem Schwanenhals. Sie hatte Freier von überall her, sogar aus Saaremaa war ein junger Mann da gewesen und hatte Birkenmaien an ihre Türe gestellt. Aber das Mädchen hatte alle weggeschickt, weil sie glaubte noch viel zu jung zum Heiraten zu sein. Aber dann kam eine große Kriegerschar mit stolzen Anführern auf dem Wasser daher, die das Mädchen mit Gewalt mitnehmen wollten. Das Mädchen bat um Erlaubnis, zum letzten Mal durch das Wasser ihrer Heimatküste zu laufen und sich zu verabschieden, was man ihr gestattete. Als sie bis zu den Knien im Wasser stand, seufzte sie: „Lieber Schöpfer, mach, dass ich niemals von hier weg muss!“ Und im selben Augenblick war das Mädchen vor den Augen verschwunden, nur eine wunderschöne rosa Blume auf einem langen, schlanken Stängel erinnerte an das schöne Mädchen, das einst an dieser Küste gelebt hatte. Seither kann man die Schwanenblume überall an den Ufern des Peipussees finden.
 
Zitat:
Von den Tierchen, die sich über den Körper her machen, wenn man sich mit der nackten Haut auf den Boden legt, stammen schmerzhafte Bläschen, dass man sich den Körper blutig kratzt. Dagegen hilft Ehrenpreis.
 
    
Übersetzung: Liis und Leonia


 

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