Erste Februarwoche: Wie kalt kann es werden?
Text: Kristel Vilbaste, loodusenaine@hot.ee
Fotos: Arne Ader
Der Frost ist streng, aber schnell fließende Flüsse haben noch keine Eisdecke. Stockenten knabbern an grünen Pflanzen.
Es reicht aus, die Morgenzeitung aus dem Postkasten zu ziehen, um zu begreifen – die Kälte draußen erlaubt dem Menschen kein Freiluft-Leben mehr. Aber . . . eine dem Futterspender holde Meise kam bei uns vorbei, um als Dankeschön auf das Außenthermometer zu hauchen. Die Natur kämpft mit dem Winter und Väterchen Frost hat bereits morsche Knochen ...
Empfehlung:
Am Tag der schmerzenden Knochen, dem 9. Februar, soll man länger schlafen als an gewöhnlichen Morgen üblich, um die Gesundheit zu stärken.
Gemeinde Saarde
Die vier Wetterzeichen dieser Woche:
Mäuse-Getrippel in den Zimmerecken,
ziehende Schwäne,
Eiszapfen an der Dachkante
und -35 Grad Kälte.
Und so ist es. Das sibirische Väterchen Frost grub seine Nägel in den letzten Tagen der Vorwoche tief in Estlands Fleisch. Land und Meer versuchten sich in dem milchigen Nebel zu verstecken, aber dort, wo keine freundlich warmen Meerwassermassen halfen, fiel das Thermometer unter das, was ein Mensch ohne Pelz auszuhalten imstande ist. Die Hauptstadt der Kälte [Jõgeva] erreichte fast die 35-Grad-Frostmarke und wurde davon komplett steif gefroren. Indessen verändert sich das Denken der Menschen jeden Tag – vor einer Woche brummelten wir, wenn sich das Thermometer weigerte, am Morgen mehr als 20 Grad zu erreichen, nun knurren wir morgens: „Minus 32, na gut...“ und schlafen weiter. Es ist wahr, dass die Beweglichkeit der Menschen derzeit ziemlich eingeschränkt ist, über die Tatsache hinaus, dass man noch nicht mal die Nasenspitze aus dem warmen Zimmer hinaus stecken mag, und die ganze Zeit redet man von „krokodil-artigem“ Anlassen des Auto. Aber das macht nichts, mit dem heutigen Tag sollte der Höhepunkt der Winterkälte überwunden sein und es geht abwärts in Richtung auf Faschingsdienstags-Tauwetter und Frühling.
Rauhreif auf Mädesüß.
Sogar Mäuse fliehen ins Warme
Das Seltsamste daran ist, dass während der Woche nur am Donnerstag eine nennenswerte Menge an Schnee herunter rieselte, und das war so wenig, dass es kaum die vorherigen Spuren abdeckte. Aber es war faszinierend zu sehen, wie der Fuchs kam und alsbald eine neue Reihe von Spuren exakt dorthin setzte, wo die vorherigen gewesen waren. Und nun ist unter meinem Fenster eine Reihe von Punkten mit exakt dem gleichen Abstand dazwischen. Quer darüber ist ein kleineres Geschöpf gehüpft. Frettchen?! Es kam von unter der Ecke der Garage, vermutlich hat es sich an den Mäuse dort gelabt, die ihrerseits sich an den Kartoffeln gütlich taten, die am Boden des Korbes vergessen wurden. Es wird erzählt, dass Mäuse sogar in Autos kriechen zum wärmen. Das Frettchen hat versucht, unter die Grundsteine des Hauses ins Warme zu kriechen, aber die fleißigen Handwerker hatten dafür keine Chance offen gelassen, daher ist es unter Aotähts Spielhaus gesprungen. Das beunruhigt mich ein wenig, denn dies ist tagsüber der Sonnenstrand der Grünfinken.
Die strengen Frostgrade stören nicht bei der Taubenbalz. Fall nur die Sonne scheint, stolzieren die Männchen den weiblichen Tauben hinterher.
Solarium
Das Dach des Spielhauses ist derzeit ein rechtes Solarium für die Vögel. Gerade weil die Kälte am schlimmsten bei Sonnenaufgang wird, sammelt sich ein ganzer Trupp grünröckiger Grünfinken dort, um sich von den Strahlen der aufgehenden Sonne wärmen zu lassen. Das es dort wirklich warm ist zeigen die langen Eiszapfen an den Dachkanten des ungeheizten kleinen Hauses. Die Sonne wärmt tatsächlich schon und taut. Aber die Vögel klettern dort herum, um sich zu wärmen, nachdem sie sich die Bäuche auf dem Balkon vollgeschlagen haben. Die Kohlmeisen scheinen eine Art Wettbewerb abzuhalten, aus anderen Gebieten wird berichtet, dass hier und dort bereits ihre Gesangswettbewerbe begonnen haben. Sie finden hin und wieder ein durch eine Elster verstecktes Stück Speck und dann ist ihr Gewimmel wie das von heißblütigen Stierkämpfern. Die Sperlinge werden ebenfalls in der Wärme glücklicher und fallen tschilpend ein. Am Sonntag morgen verirrte sich ein Neuling hierher – eine Blaumeise, vermutlich aus einem kühlen Waldwinkel. Lediglich die Elstern-Gesellschaft ist seit nun fast einer Woche verschwunden.
Schwäne auf der Flucht, die Kälte ihnen nach
Meine Überraschung war groß, als am Mittwoch morgen in Tartu ein Höckerschwan rauschend in Richtung auf den Raadi-Flughafen hinflog. Über Land und das zu dieser Zeit? Aber dann folgte ihm die Kältewelle auf den Fersen. Ich bin wirklich froh, dass es der größere Teil unserer Schwäne noch schafft, vor der Kälte im Süden Zuflucht zu suchen. Diese Woche erfolgte die freudige Nachricht, dass die Republik mit einer Ehren-Medaille unserem Beschützer der Gleithörnchen Uudo Timm dankt, und dem Hüter der Quellen und des Grundwassers, dem Kenner des Kalksteins Rein Einasto. Gesundheit und Stärke ihnen beiden für den Schutz der Natur auch in der Zukunft!
Laiuse Siniallikas oder Laiuse Wetter-Quelle.
Estlands Quellen: die Wetter-Quelle von Laiuse (Laiuse ilmaallikas)
Auf dem Laiuse Drumlin (Höhenrücken), hoch zwischen Himmel und Erde, direkt hinter dem Kamm des Hügels in einem Flecken Moor befindet sich eine geheimnisvolle Quelle. Der Quelltümpel ist recht klein geworden, aber diese Quelle hat eine faszinierende Geschichte. Und zwar kann mit ihrer Hilfe im Sommer Regen oder Dürre erzeugt werden. In Sommern mit wenig Regen wird ihre Umgebung geräumt, so dass das Gewässer größer wird, man glaubt, dass Wolken aus der Quelle aufsteigen, weil sich der Regen über dem Höhenrücken von Laiuse zu sammeln scheint. In einem nassen Sommer hingegen müssen drei verwitwete Frauen gehen und die Quelle abdecken. Deshalb ist die Entfernung der Blätter von der Oberfläche der Quelle, die vermutlich etwa 26 Meter tief ist, mir immer ein wenig zweifelhaft gewesen. Aber das Wasser aus der Quelle soll die Augen heilen und auch viele andere Krankheiten.
Zitat:
„Im Jahr 1573 herrschte in Livland eine solche Kälte, dass am Donnerstag vor Pfingsten (Mitte Mai) immer noch Menschen über das Eis von Schweden nach Tallinn kamen, und am ersten Pfingstag war die Reede von Tallinn noch gefroren, so dass auch beim Blick von Uferhöhen und Türmen nur Eis zu sehen war.‟
Balthasar Russow bzw Rüssow “Chronica der Provinz Lyfflandt”
[Originaltext nicht verfügbar, rückübersetzter Text].
Übersetzung: Liis und Leonia