Vogelbeobachters Tagebuch — 29.3.12

Vogelbeobachter: Margus Otslinnuvaatleja.ee
Übersetzung ins Englische: Liis
Vom Englischen ins Deutsche: Leonia
 
Das unangenehme Wetter war nichts für Waldwanderungen und so blieb heute nichts zu tun, als Gänse mit dem Spektiv zu beobachten. Große Mengen an Saat- (Anser fabalis) und Blässgänsen (Anser albifrons) sind in den letzten paar Tagen in Estland eingetroffen. Unter den häufigeren Arten mögen sich auch Seltenheiten verbergen, aber eine interessante Aufgabe ist es, nach Halsringen zu suchen. Einen Ring las ich bereits in den Poldern von Südost-Estland ab, heute fuhr ich zu Pärnumaas besten Gänse-Feldern.

Der Audru-Polder war ganz geflutet, aber leider noch gefroren. Deshalb gab es dort nicht besonders viele Wasservögel. Doch an den Rändern, wo das Eis getaut war, waren ein paar Tausend Enten zu sehen. Am Rande einer Pfütze tummelte sich eine große Schar von Schneeammern  (Plextrophenax nivalis), insgesamt 140 Vögel. Unter den anderen stach ein dickeres Wesen heraus. Eine genauere Untersuchung erwies, dass es keine gutgenährte Schneeammer war; statt dessen war es der erste Vogel des Jahres, ein Sandregenpfeifer (Charadrius hiaticula). Einzelne Regenpfeifer waren bereits nach und nach eingetroffen. Im Polder selbst waren nicht besonders viele Gänse, aber auf den benachbarten Feldern waren bereits mehrere tausend Saat- (Anser fabalis) und Blässgänse (Anser albifrons) auf dem Boden. Zwischen den anderen befand sich 1 Kurzschnabelgans (Anser brachyrhynchus) und auf dem Golfplatz beim Polder liefen 20 Kanadagänse (Branta canadensis) herum.

 
Ein typisches unscharfes Raritätenfoto – die Rothalsgans, 29.3.2012, Rannametsa
 
Die bekannten Gänsefelder auf dem Areal von Leinaküla und Lepaküla waren heute vergleichsweise leer. Ein paar tausend Gänse waren da, aber ich hätte eher mindestens 10000 Vögel erwartet. Unter ihnen gab es ebenfalls keine Seltenheiten. Aber die Aussicht besserte sich auf den Mähwiesen von Rannametsa–Pulgoja. Unmittelbar am Rande des ersten Feldes waren ein paar tausend Gänse am Boden und in vorderster Reihe marschierte eine Rothalsgans (Branta ruficollis)! Noch vor rund zehn Jahren war diese Art eine nur selten gefundene Rarität, nur gelegentlich eine Beobachtung pro Jahr. Während des letzten Jahrzehnts ist sie weiter verbreitet, aber immer noch eine Seltenheit. Beim Wettbewerb Auffindung seltener Arten bringt die Sichtung dieses Vogels einen Punkt. Die Beobachtung ist interessant, weil die Rothalsgans bislang in Estland nicht so früh gesehen wurde. Typischerweise wird sie hier in der zweiten Aprilhälfte und im Mai beobachtet. Die Nachricht von der Rothalsgans wurde über Rariline verbreitet und in wenigen Minuten war der erst Twitcher da – der örtliche Vogelbeobachter Mati Kose. Gemeinsam durchkämmten wir die Felder in der Nachbarschaft und fanden unter den etwa 6000 Gänsen drei Vögel mit Halsringen – 2 Saatgänse und eine Blässgans. Unter den Neuankömmlingen an der Pfütze registrierte ich einen Rotschenkel (Tringa totanus), jetzt stehen auf meiner 2012er Artenliste 136 Vogelarten.
Gegen Mittag gab es ein paar Stunden etwas klareres und besseres Wetter, das sofort von vielen Zugvögeln genutzt wurde. Gänse und Enten, Kraniche und Kiebitze, Finken und andere Kleinvögel zogen beständig Richtung Norden. Ich besuchte auch den Turm der Kabli-Vogelstation. In diesem Jahr läuft dort ein Frühjahrszug-Monitoringprojekt, organisiert von der Estnischen Ornithologischen Gesellschaft und geleitet von Margus Ellermaa. Man kann das, was sich in Kabli abspielt, im Tagebuch der Vogelstation Kabli nachlesen.
Die Straße zurück nach Tartu begann an einem großen Kreisverkehr. Im Frühjahr ist der Navesti-Polder nahe Olustvere ein guter Vogelbeobachtungsplatz. Weil in diesem Frühjahr noch kein Vogelbeobachter dort war (zumindest ist keine Information in der Datenbank), wusste ich nicht, ob mich irgendetwas Besonderes erwartete. Aber schon von Weitem war eine weite Wasserfläche zu sehen – der Fluss Navesti veranstaltet in diesem Jahr ein rechtes Hochwasser. Und auf einer solchen Wasserfläche muss es viele Vögel geben. Bereits jetzt waren ein paar tausend Wasservögel in dem Gebiet, unter ihnen >400 Schwäne und >1500 Enten. In der zweiten Aprilhälfte wird dies sicherlich eine richtige Entenbrühe sein und Anfang Mai fallen hier auch viele Watvögel ein. Leider liegt das Gebiet selten an einer Vogelbeobachter-Strecke und es gibt nur wenige Zahlen von dieser Stelle. In diesem Frühjahr will ich versuchen, zumindest ein wenig häufiger zum Navesti-Polder zu kommen. Heute waren 2 Zwergschwäne (Cygnus columbianus) mit Halsringen hier, einer von ihnen hatte ein Senderhalsband. Informationen zur Geschichte dieser Vögel sollten bald vom Matsalu-Beringungszentrum eintreffen.


 

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