Letzte Märzwoche: Marienkäfer auf Leberblümchen

Text: Kristel Vilbaste, loodusenaine@hot.ee
Fotos: Arne Ader
 
Blässgans: weißes Stirnfeld, tiefschwarze Querstreifen am Bauch
 
IN KÜRZE:
In der Mitte des mit Schnee kämpfenden Estlands gibt es eine Quell-Oase. Die Sonne lächelt herab auf grünes Gras und die silbrigen Pelzchen der Weidenkätzchen. Die Lerche schwingt sich in einem einzigen Augenblick hoch hinauf in den blauen Himmel und verkündet: „Ich bin wieder hier! Hailuu-hailuu!“
 
Die vier Wetterzeichen dieser Woche:
Gänseralley,
geöffnete Augen der Leberblümchen,
Spinne an ihrem Faden hängend
und das Treibeis auf Flüssen und Meer.
 
Tatsächlich war, als am Wochenende die Schneewolken Estland von allen vier Windrichtungen her attackierten, Tartu glücklich ergrünend. Am Samstagmorgen erzählte ein Freund aus Rapla bekümmert: „Ach, der Schneepflug kommt!“ Und versicherte mir, dass es in der Nacht mindestens 10 cm Schnee gegeben habe. Aus dem Osten berichtete Vogelkenner Jaanus Elts, dass es immer noch Schnee auf den Nordhängen der Drumlin-Hügel gäbe. Am Donnerstag in Kütioru in Võrumaa kam ich, als ich zur Quelle eilte, in ein Gebiet, wo der Schnee über die Stiefelschäfte reichte und die Hänge dick weiß verschneit waren. Und obwohl die EMHI-Schneehöhenkarte am Sonntagmorgen nur 10 cm Schneehöhe im Gebiet von Otepää anzeigte und er sogar in Narva bis auf 8 cm abgeschmolzen war, wird der Schneefall des letzten Märztages die Geschichte dieses Frühjahrs sein. Seine Bedeutung wird vielleicht ein wenig gemindert durch den stürmischen Aufbruch des Eises, der am Wochenende einsetzte. Die Sturmwinde schoben das Meereseis an manchen Stellen der Küsten Hiiumaas und des westlichen Estlands zusammen. Auf dem offenen Meer segelte auch eine große Menge des Flusseises davon. Die Menschen konnten das Krachen an den Ufern unseres längste Flusses – des Flusses Pärnu – mit gebannter Faszination bewundern; er fließt auch unter den Brücken Soomaas entlang. Aber auch kleine Waldbäche haben sich befreit, das Eis des Avijõe zog in großen Schollen und mit großem Krach davon und brach in die Vergnügungsgelände so einiger Menschen hinein. Die Nixen des Peipussees haben in dieser Woche mehrere Autos zu sich in die Tiefe gelockt. Die Frühjahres-Eisschwemme zwischen Estland und Russland beginnt.
 
Saatgans: dunkelbrauner Kopf und Hals, langer orangefarbener Schnabel
 
Eisbrecher bei der Arbeit
Ein echtes Frühlingszeichen ist, dass die Schwäne diese Woche den Peipussee erreichten. Aber weiße Schwanenrücken wurden überall in Estland futternd auf den sprießenden Getreidefeldern gesehen. Die ernsthafteste Frühjahrsralley wurde jedoch unter den Gänsen ausgetragen. Die Menschen haben natürlich Schwierigkeiten zu verstehen, ob diese Flüge auch ein Ziel haben, aber derzeit sind stets einige Gänseschwärme in der Luft, ihr Geschnatter und Geschrei kann man selbst drinnen bei geschlossenen Fenstern hören. Und natürlich hat das Eis auf den Flüssen und der See zu verschwinden, weil der unbezahlte und nie versagende Eisbrecher zurück ist – die Bachstelze. Aber bisher gibt es nur wenige dieser langschwänzigen Eisbrecher. Aber vielleicht werden ihnen die Vögel des Jahres, die Regenpfeifer, helfen. Die Waldschnepfe ist ebenfalls zurück, es gibt Buchfinkenscharen auf den Straßen, und ich sah drei Wiesenpieper bei einer Frühlingsauseinandersetzung.
 
Ahorn geschlossen, Leberblümchen offen

Am Donnerstag fuhren wir nach Kütioru, um Ahornsaft zu sammeln. Die diesjährige Ernte war nicht besonders üppig, vielleicht insgesamt 8 Liter. Am Donnerstag sagten auch einige Freunde, dass der Ahorn sich jetzt „schließe“. Aus der Saft-Öffnung der Birke jedenfalls kam kein Tropfen, es könnte sein, dass Birken auf einigen Sonnenhängen nicht saften. Aber die Knospen vieler Bäume öffnen sich bereits. Als ich Spielzeugtiere für Aotäht aus einem Eschenspross schnitzen wollte, hatte zu meiner Überraschung der wintergraue steife kleine Ast unerwartet einen biegsamen Spross mit hellgrüner Rinde und voller Leben entwickelt. Die Ahornknospen sind groß und rot, die Rosskastanienknospen tropfen schlicht vor Harz. Die Haselnuss blüht, aber man sieht keine roten weiblichen Blüten. Der Grund des Erlenholzes ist voller roter Kelchbecherlinge und unter den Fichten zeigen die Leberblümchen ihr Blau. Biologielehrerin Tiiu Ehrenpreis zeigt ihren Freunden ein Foto aus Tääksi, auf dem ein Marienkäfer auf einem Blatt neben der ersten Leberblümchenblüte herumwandert.

 
Leberblümchenblüte
 
Regenwurm und Onkel Maulwurf
Als ich das Unkraut aus dem Blumenbeet zog, entdeckte ich, dass ein recht kräftiger Regenwurm dort herauskroch. Die Maulwürfe scheinen bereits Jagd darauf zu machen, weil überall Maulwurfshügel sind. Aus einem Baum glitt auch eine verschlafene gestreifte Spinne auf mich herab. Die Bienen befördern geschäftig die im Winter eingegangenen Kameraden aus dem Stock. Mein erster einheimischer Schmetterling diesen Jahres war ein bunter kleiner Fuchs – wer weiß, ob das einen kurzen abenteuerlichen Sommer in Estland bedeutet, und jener, den ich vor zwei Wochen in Deutschland sah, zeugt von einem goldenen Leben außerhalb. Aber zunächst einmal werde ich mich am Frühlings-Topfgärtnervergnügen beteiligen, Tomaten pflanzen und Gurken aussähen. Aber die Menschen sind schon mit den Harken im Garten, die Sehnsucht nach Frühling ist groß.
 
Storchen-Nestarbeit
Diese Nacht bot die Looduskalender-Schwarzstorch-Kamera eine fesselnde Schau, als das Storchenmännchen mit hängenden Flügeln wie ein tiefschwarzer Geist sein Nest instand setzte. Am frühen Morgen schleppte es eine große Zahl von Aststücken ins Nest, um den Nestrand zu verstärken. Und mein Kopf begann sich zu drehen, als es im Nest herumwuselte, um es herzurichten. Runde um Runde, vielleicht zwanzig mal. Ehrlich, der Storch machte ein Gesicht, als ob er überlegte, wo der Ast passen würde. Endlich legte er den Ast ab und dann, als er den nächsten platzierte, legte er ihn anderswo hin. Aber sicherlich wusste er was er tat, die Bauten der Schwarzstörche bieten den Stürmen Jahrzehnte lang die Stirn. Aus der Storchenkamera ertönen auch die Rufe der anderen eintreffenden Vogel, es ist ein guter musikalischer Hintergrund für einen Menschen, der zwischen städtische Mauern gepfercht ist. Wir können das Flöten der Amseln hören, Kranichrufe, die gruseligen Töne der Ringeltauben und das Schreien des Schwarzspechts.
 
Empfehlung:
Am Gründonnerstag (in diesem Jahr am 5. April) soll jeder etwas grünes essen, damit die Felder und die Ernte nicht in der Sommerhitze verwelken. Am Gründonnerstag vor Sonnenaufgang wurden die Apfelbäume mit Stoff dekoriert, um im Herbst viele Äpfel zu erhalten. Wenn rotes Tuch auf einen Apfelbaum gespannt war, dann sollte der Apfelbaum blutrote Äpfel tragen.
 
Eis kommt und geht. Die Nachtkälte hat Eiszapfen an der Eisscholle wachsen lassen
 
Estlands Quellen: Vilbaste Quelle
Das Norra-Oostriku Quellgebiet im Endla-Naturschutzgebiet in Järvamaa ist das Quellgebiet mit dem größten Wasserausstoß Estlands (2,1 Millionen Liter pro Stunde). Das von menschlichen Aktivitäten unberührte Gebiet hat viele Quellen mit unterschiedlicher Quellgröße, Tiefe und Strömung. Bei Võllingi entspringt eine große Quelle, für die die örtliche Bevölkerung keinen Namen hatte. 1978 wurde sie nach Gustav Vilbaste (1885–1967) Vilbaste Quelle benannt. Die Vilbaste Quelle bietet einen einzigartigen Anblick: vom Quellgrund „kocht“ eine Sandwolke bis zu einer Höhe von zwanzig Zentimetern hoch und verleiht, da sie kleine Körnchen Quellkalk enthält, dem Wasser eine grün-bläuliche Färbung. Die Quelle ist von hohen Fichten, Kiefern und baumförmigem Wacholder umgeben. Zu dieser Quelle führt ein Holzplankenpfad.
 
ZITAT:
Die Vorbereitung einer Schaukel wurde am Gründonnerstag den Burschen überlassen. Wenn die Höfe nahebei waren, dann machten die Burschen von verschiedenen Bauernhöfen gemeinsam eine kräftige und hochfliegende Schaukel. Halliste
 
 
Übersetzung: Liis und Leonia


 

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