Vogelbeobachters Tagebuch — 24.4.12

Vogelbeobachter: Margus Otslinnuvaatleja.ee
Übersetzung ins Englische: Liis
Vom Englischen ins Deutsche: Leonia
 
Schwarzhalstaucher 
Mustkael–pütt      Podiceps nigricollis
 
Am Morgen war das Wetter in Tartu ausdauernd regnerisch und so konnte ich doch endlich ein wenig länger schlafen. Aber ich hatte dennoch geplant, raus zu gehen, das Ziel waren die besten Vogelbeobachtungsplätze Pärnumaas. Auf dem Weg machte ich den ersten Halt beim Polder von Rämsi, wo auf den überfluteten Arealen recht viele Wasservögel zu sehen waren. Unmittelbar beim Aussteigen aus dem Auto konnte ich die erste Art feststellen – 3 Bruchwasserläufer (Tringa glareola) flogen laut rufend herum. Wenige Augenblicke später ängstigte eine Kornweihe (Circus cyaneus) eine große Entenschar zum Abflug und beim Verfolgen der Vögel mit dem Fernglas entdeckte ich plötzlich zwischen den Pfeifenten (Anas penelope) einen ziemlich großen grauen Watvogel über meinem Kopf mit schwarzer Unterseite und Achseln. Es gab keine andere Möglichkeit, der Vogel war ein Kiebitzregenpfeifer (Pluvialis squatarola)! Aber was machte dieses Wesen jetzt hier? Üblicherweise werden durchziehende Kiebitzregenpfeifer hier im Mai gesichtet und hauptsächlich an der Westküste, im Inland ist er ein seltener Gast. Aber gleichzeitig zeigte ein wenig Suchen in der e-Biodiversitäts-Datenbank, dass im letzten Jahr drei Kiebitzregenpfeifer am Ardla-Polder nahe Tartu am nahezu gleichen Tag gesichtet wurden. Also ist nichts so Besonderes an diesem Fund.
 
Ich fuhr auch wieder zum Navesti-Polder. Das Hochwasser sind hier schnell, aber wie vordem sind noch viele Wasservögel in dem Gebiet. Der aufregendste Vogel hier war heute die Raubseeschwalbe (Hydroprogne caspia) (3 überfliegende Vögel), die nicht so oft im Inland gesehen wird. Ich fand keine neuen Arten am Navesti-Polder, aber im nahegelegenen Ort Venevere kreiste eine Mehlschwalbe (Delichon urbicum) über dem Navesti-Fluss zwischen den Rauchschwalben (Hirundo rustica). Sie treffen ebenfalls nach und nach ein. Uferschwalben (Riparia riparia) lassen sich Zeit, sie treffen hier erst im Mai ein.
 
In Pärnumaa wendete ich mich zunächst dem Audru-Polder zu und versuchte, die dortige „Entensuppe‟ mit dem Spektiv zu inspizieren. Innerhalb etlicher Stunden konnte ich nur den östlichen Teil des Polders durchsuchen, wo Tausende von Enten auf den umfangreichen überfluteten Flächen waren. Am zahlreichsten waren heute Pfeifenten (Anas penelope) (1100), Krickenten (Anas crecca) (850), Reiherenten (Aythya fuligula) (700), Spießenten (Anas acuta) (460), Schellenten (Bucephala clangula) (210) und Löffelenten (Anas clypeata) (120) vertreten, außerdem Gänse (vorwiegend Blässgänse (Anser albifrons)) und 500 Nonnen- oder Weißwangengänse (Branta leucopsis). Hier waren ebenfalls durchziehende Raubseeschwalben (Hydroprogne caspia) zu sehen – 5 Vögel zogen hoch über uns hinweg. Als neue Art für meine Jahresliste fand sich im Audru-Polder der Dunkle Wasserläufer (Tringa erythropus), aber der Tag endete nicht ohne eine noch weit größere Rarität. Ich hatte bereits die Entenschar mit dem Spektiv mehrfach durchsucht und wollte gerade weiter, als ich weit entfernt auf der anderen Seite des gefluteten Gebietes einen abtauchenden Zwergtaucher sah. Als der Vogel wieder auftauchte war alles klar – der Vogel war ein Schwarzhalstaucher (Podiceps nigricollis)! Er ist eine echte Seltenheit, der nach den Daten der Raritäten-Kommission in Estland nur etwa zwanzig Mal gesichtet wurde. In Pärnumaa wurde diese Art noch nie gesehen. Während der letzten Jahre wurden Beobachtungen von Schwarzhalstauchern in Estland häufiger, 2011 gab es 5 Funde. Von den frühen 90er Jahren an wurde die Art insgesamt 12 Mal hier gesehen und wie es so geschieht, habe ich bei 8 dieser Gelegenheiten den Vogel selbst beobachtet.
 
Ein weiteres unscharfes Foto – Schwarzhalstaucher im Audru-Polder 24.4.2012.
 
Weil der Vogel weit entfernt war und es nicht gelang, näher heran zu kommen, versuchte ich irgendwie ein Bild mit normalem Objektiv durch das Spektiv zu machen. Auf dem unscharfen Foto sind glücklicherweise die wichtigsten Merkmale (Kopfform und Muster) erkennbar und für die Raritätenkommission gibt dies zumindest einige Hinweise. Zum Glück hatte ich Zeit, den Vogel ein paar örtlichen Vogelfreunden zu zeigen. Hoffentlich wird der Taucher am Ort bleiben und ich werde morgen ein besseres Bild bekommen.
 
Aber der Tag hatte noch eine weitere Überraschung parat. Am Abend erreichte ich die Vogelstation Kabli. Weil am nächsten Tag mäßiger Ostwind blasen soll, könnte ein anständiger Kleinvogelzug zu sehen sein. als ich mich für den nächsten Tag in der Vogelstation vorbereitete, fragte mich Juho Könönen, der hier derzeit Durchzügler zählt, wann in Estland üblicherweise Doppelschnepfen einträfen? Zunächst verstand ich den finnischen Namen der Art nicht, aber als Juho erwähnte, dass gerade jetzt eine außerhalb der Station balze, sprang ich hinaus. Und tatsächlich, eine Doppelschnepfe (Gallinago media) „knipste” mit aller Kraft auf der Uferwiese etwa zwanzig Meter entfernt. Den Vogel hier zu finden hatte ich nicht erhofft. Wahrscheinlich war er gerade vom Zug gelanded, beschloss ein wenig zu balzen und dann weiter zu ziehen. Eine Stunde später war der Vogel nicht mehr zu hören.
 
Mit der heutigen interessanten Tour wurden 6 neue Arten auf meiner 2012 Artenliste ergänzt, insgesamt sind es nun 188.


 

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