Zweite Woche im Mai: Frühlingssturm

Verfasst von Kristel Vilbaste, loodusenaine@hot.ee
Fotos von Arne Ader
 
Festliche Segge-Horste: Rasen-Segge (Carex cespitosa) blüht
 
IN KÜRZE:
Samstag war Flugtag. Während fünf "schwarze Eisenfliegen" im Himmel über der Hauptstadt kreisten, war die Luft in der "Taara-Stadt" voll mit fliegenden Objekten. Große fliegende Untertassen mit Stahlantennen sausten vorbei – Kindertrampoline  erhoben sich in die Luft wie Spielzeuge.
 
Auch ich ging am Samstag fliegende Objekte fangen. Ich hörte gerade eine Vorlesung in Tallinn auf der Mutter-Erde-Messe zum Thema Nachhaltigkeit der Estnischen Landwirtschaft und auch darüber, wie dem Unterstaatssekretär des Ministeriums für Landwirtschaft, Illar Lemet, zufolge, die Zahl der Kleinbauern während der letzten Jahre um 16% zurückgegangen ist, oder jeder 6. Bauer war am Ende, als ein Report aus der "Taara-Stadt" kam, dass mein Anzucht-Gewächshaus samt aller sechs Tomatenpflanzen fliegen gegangen war. Es schien ein wenig seltsam, weil in Tallinn fast kein Wind war und der Himmel voll mit eiligen Flugzeugen. Wir gaben den Besuch des heiligen Gebets in Joarünka auf und eilten heim um die Dinge einzufangen, die zu Hause zu fliegen begonnen hatten. In der Tat war der Wind in Tartu so stark, dass es fast die Ohren vom Kopf riss. Mit dem Sturm kämpfend, hatte  Nachbar Kaido unser Gewächshaus mit großen Bausteinen auf dem Nachbarsboden verankert. Die fliegen gegangenen Pflanzen wurden von den Nachbarsfrauen gerettet. Aber ich suchte den ganzen Abend mit dem Rad nach Glashausteilen, auf einem Grundstück fand ich sogar zwei große Handvoll Spiralen, die von jemandes Trampolin davongeflogen waren. Die Sturmwinde hatten auch den Merko-Stahlzaun niedergerissen und Töpfe, Zaunteile, landwirtschaftliche Folien und was es sonst noch gibt, war wie bei einem US-Tornado ausgebreitet. Die Sturmwelle gab mir ein wenig das Gefühl der Hilflosigkeit, aber ich schwor dem Wind, dass es nicht so einfach ist, mich dazu zu bringen, die Landwirtschaft aufzugeben – der Metallrahmen des Gewächshauses ist bereits gerade gehämmert und jetzt wird es wieder aufgebaut werden, unter Berücksichtigung der windfesten Bauweise aus der Gegend des Peipussees. 
 
Blühender Zeitraffer

Es ist faszinierend, entlang der Frühlingszeiltline auf der Tartu-Tallinn-Autobahn zu fahren. In Emajõgi sind die Traubenkirschen bereits in voller Blüte, nahe der Hauptstadt noch in der ersten Freude der sich öffnenden Knospen. In Tartu haben die Birken bereits alle Blätter und sind ziemlich grün, am Fluss Pirita immer noch Birkenkätzchenrötlich. Das Rot in den Eschen ist im Süden stellenweise auch vergangen und die ersten Blätter sind auf den Bäumen. Die Bäume im Garten haben auch ihre erste Freude an berstenden Knospen, Obstbäume sind bereits in voller Blüte, in Gärten sind Tulpenseen und Schnittlauch blüht auch. Der Raps wird fast sofort blühen, das Getreide im Herbst ausgesät, hat gekeimt. Entlang der Waldränder blühen Trollblumen und Böden auf Kalk sind dicht gefüllt mit den gelben Schlüsseln der Himmelsschlüssel. Besonders liebenswert sind jetzt die Segge-Horste, die Seggeblätter spitzen tapfer nach oben und an den Spitzen der Blütenstängel hängen gelbe Blumenbüschel.

 
Paarende Haubentaucher (Podiceps cristatus)
 
Glücksbringer fliegender Kuckuck
Der Wind hat noch anderen Unfug hier angestellt, er hat Elsternnester heruntergezogen und –geworfen. Wie auch immer, gestern kamen zwei Elsternpaare an und sie stritten ein wenig untereinander und dann ließ sich schließlich ein Paar nieder, um das alte Nest im Mirabellenbaum zu reparieren, nur der lange Schwanz zeigt sich nun schon seit Stunden vom Weibchen. Das Männchen geht von Zeit zu Zeit die Kernbeißer vertreiben, aber sie kommen immer wieder zurück, weil sich aus den auf dem Boden liegenden Pflaumenkernen schöne grüne Sprösslinge geschoben haben und sie schmecken den Großschnäbeln sehr gut. Aber am letzten Donnerstag geschah etwas sehr seltsames, ich kam von den KUKU-Studios in der Stadt, wo ich den Ilmaparandaja (Weltverbesserer) Text gelesen hatte und genoss den angenehmen Sonnenschein auf dem Balkon; plötzlich flog ein großer, gestreift-bauchiger Kuckuck über die offene Fläche … und rief im fliegen nur: "Kuckuck! Kuckuck!" Auf der offenen Fläche und im Flug war der Ruf so mächtig, dass er Kilometerweit hallte. Einmal versuchte der müde Kuckuck sich auf dem Hausdach niederzulassen, aber er flog weiter zum Raadi-Herrenhaus-Park, um dem Nationalmuseum  Kuckucksglück zu rufen – ein Abendkuckuck ist ein Glückskuckuck.
 
Kameras voll mit Eiern
Unter Vögeln gibt es überall großartige Neuigkeiten – auf den Inseln haben die Gänse ihre ersten Küken, Waldschnepfenküken (Scolopax rusticola) wurden bereits gesehen. Hier und da werden die ersten Eierschalen von Staren gefunden. Meine Hausmeise sitzt allerdings ruhig auf Eiern im Nistkasten am Fenster. Wachtelkönig und Sumpfrohrsänger (Acrocephalus palustris) sind zurück. Hellgraue Kornweihen patrouillieren über den grünen Feldern. Am Ende der Woche werden große Neuigkeiten von den Kameravögeln auf looduskalender.ee erwartet. Das Schwarzstorchnest hat vier Eier, vom ersten kann bald Klopfen gehört werden. Die Schreiadler haben ein Ei im Nest, der Fischadler hat drei Eier. Ich kann gar nicht aufhören, mich zu wundern, wie das brütende Weibchen es die ganze Zeit schafft es  erstaunt herumzudrehen. Aber vielleicht bräuchten Computerleute dieses Training auch, dann würden wir weniger steife Nacken haben.
 
Aurorafalter
 
Ringelnatter-Paarungen und Schwalbenschwanz-Tanz
Natürlich sind der Aufhänger der Woche die Züngler. Die Paarungszeit der Ringelnattern bringt immer wieder Menschen zum Schauen, aus Neugierde, zur gleichen Zeit schaudernd aus uralter Schlangenfurcht. Hier und dort kann im Sonnenschein dieser schwarze windende Tanz gesehen werden. Diese Woche tanzen Aurorafalter mit den orangenen Flügelstellen und auch die gelben Schwalbenschwänze. Der Tanz der Schwalbenschwänze kann in unseren "Hügeln" besonders schön sein, ich habe es einmal selbst gesehen, am Väike Munamägi. Diese großen Asiaten mit Hexenblut versammeln sich für ihren Paarungstanz gerade an höher gelegenen Stellen. Die Marderhunde und Dachse suchen auch nach einfachen Leckerbissen auf den Straßen und sie haben unglaublich viele Kollisionen mit den eisernen Pferden. Autofahrer, seien Sie vorsichtig, bald werden Störche auf den Straßen sein, besonders bei starkem Wind können diese Vögel nicht schnell in die Luft gehen.
 
EMPFEHLUNG:
Maahinguspäev (Tag der Erdatmung) oder Großkreuztag ist in diesem Jahr am Donnerstag, 17. Mai.Es ist der Geburtstag der Erde. Die Erde, oder alles, was in der Erde wächst, sollte nicht berührt werden. Am Morgen des Kreuztags gingen alte Bauern hinaus um eine Prise Salz in allen vier Ecken des Felds zu säen, es sollte eine gute Ernte sichern. Am Abend vor diesem Tag wurden auch Feuer angezündet, wie am St. Georgs-Tag oder am Vorabend von St. Johannis. Und wenn Sie, nachdem die Feuer ausgegangen sind, die ganze Nacht in einer Fichte verbracht haben, würden Sie alles, was in dem Jahr geschieht, wissen.   
 
 
Spruch:
Am Kreuztag bedeckt der sprießende Mais bereits den Wachtelkönig (Crex crex).
Tori
 
Ein Blick hinter den Wasservorhang von Jägala juga oder Joarünka
 
Estnische Quellen: Joarünka-Quellen
In der Gemeinde Jõelähtme war noch vor hundert Jahren die uralte Tradition nach der Großkreuztag-Messe nach Joarünka oder Jägala juga zu wandern, lebendig. Früher war es möglich hinter den Wasservorhang zu gehen, so ein Pfad sollte für uns auch eingerichtet werden. Solche Wanderungen werden an einigen Orten der Welt gemacht, um von allem Bösen in Geist und Gedanken gereinigt zu werden. Die Kalksteinwand hinter dem Wasservorhang ist voller sickernder und fließender Quellen, wo unserem großen alten Mann des Kalksteins, Rein Einasto zufolge, Wasser aus dem Graptolithtonschiefer und Glaukonitsandstein fließt. Der ganze Kalksteinabbruch an der nördlichen Küste ist voller Quellen, von wo sich das Grundwasser speziell im Frühjahr selbst einen Weg zum Meer bahnt.
 
Übersetzung: Liis und Felis silvestris


 

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