Dritte Juli-Woche: bis zu den Knien im Straußgras

 

Verfasst von Kristel Vilbasteloodusenaine@hot.ee

Fotos von Arne Ader
 
Die Lachmöwenjungen sind flügge geworden und können sich selbst mit Nahrung versorgen. Aber noch wird jede Gelegenheit, bei den Altvögeln nach Nahrung zu betteln genutzt
 
Tripp-tropp fallen die regenschweren Tautropfen von den luftig zarten Köpfen des gewöhnlichen Straußgrases. Der Wind streicht als ruhige Melodie über die Wiese, ein Sonnenstrahl trocknet die letzten Perlen aus dem Stroh und das violette Strohgeflecht des Regenbogens erstreckt sich über die Felder.
 
Die vier Wetterzeichen dieser Woche:
regenbenetzter Fuchswelpe,
flatternde Schillerfalter,
ein mundvoll Himbeeren
und schlechtes Skiwetter.
 
Das gewöhnliche Straußgras steht tatsächlich bis zu den Knien und der ins Ungewisse führende Pfad ist von ihm gesäumt. Der farbige Weg der violetten Glockenblumen und der gelben Herbstlöwenzahns ist wunderschön, aber erzählt von der zweiten Hälfte des Sommers. Von dem sich auf dem Weg ausbreitenden Wegerich hat jemand einen kräftigen Bissen vom Blattrand genommen. Die in der Sonne glitzernde Spur führt zu den Erdbeerblättern, von dort unter ein großes Huflattichblatt. Ich schiebe das Türblatt spaltweit beiseite und lasse die Sonne auf jemandes schwarzen Rücken schimmern. Der Rücken ist nicht klein, etwa so lang wie mein Handteller. Muskulös und sehnig. Auf dem Rücken sitzt ein grauer Fleck, aber den hat dort jemandes scharfer Schnabel hinterlassen. Bäh! hat der gefiederte kleine Vogel beim Verkosten des schwarzen muskulösen Rückens dieses Wesens genölt. Eine schwarze Wegschnecke! Schön, aber als Futter untauglich. Und so knabbert sie jetzt hier Wegerichblätter. Oder war es jemand anderes, der von den Wegerichblättern abgebissen hat? Und tatsächlich, es scheint, als ob die große Schnecke ein kleines Lebewesen herunterschlucke. Dies scheint unmöglich, Schnecken sind letztlich Vegetarier. Aber das kleine graue Wesen verschwindet im „Schlund“ des mehr als 10 Zentimeter langen Geschöpfes. Schneckenforscherin Anneli Ehlvest erzählt, dass bisweilen, wenn Nährstoffe fehlen, es geschehen kann, dass eine Schnecke eine andere frisst, aber es bleibt seltsam. Um sicher zu gehen, stupse ich die schwarze Wegschnecke mit einem Strohhalm, unter dem Bauch der schwarzen Wegschnecke ist alles so leer, wie etwas nur leer sein kann ...
 
Mauersegler sind Vögel der Luft, die nur zum Brüten zu Boden gehen. Mauersegler mit kleinen Küken
 
Lass es gießen!
Unnötig in diesem Jahr über notwendigen Regen zu reden oder darüber, warum es so viele Schnecken gibt. Es gießt und gießt. In der Wochenmitte floh ich aus dem verregneten Estland, um dem ewigen Rasenmähen und dem Mangel an Sonne zu entkommen. Aber nein, als die Front meines Autos in Stockholm von der Fähre fuhr, begann auch auf schwedischem Boden ein furchtbarer Niederschlag. Es begann merkwürdig – für einen Augenblick sah ich etwas vor dem herannahenden Zug blinken und dann quoll Rauch von den Stromleitungen, so wie beim alten Mann Hottabõts aus dem Dschinnbüchse. Nach einem schrecklichen Kracher und in die auf der Straße schießenden Bäche begannen mit Scheppern gigantische Hagelbrocken zu fallen. Für einen Augenblick fühlte es sich an, als ob die Windschutzscheibe bersten würde und das Glas in kleinste Stücke zerbröseln, aber wir entkamen diesem Schrecken – und so sicher wie nur irgend etwas – zu Hause ist es besser als irgendwo sonst.
 
Fallende Nester
Zu Hause treiben die Kuckucke noch immer ihr Unwesen, obwohl sie eine Korngranne in der Kehle haben, ziehen sie noch immer um die Nester der kleinen Singvögel. Natürlich wird dieser graurückige und weißgebänderte „falsche Sperber“ von einem lautstarken Altvogel-Chor begleitet, und nicht ein einziges Ei konnte Frau Kuckuck irgendwo unterschieben. Aber bestimmt spreizen bereits irgendwo Kuckucks-Küken ihre Flügel. Aber sicher, in diesem Jahr gab es ständig Probleme bei den Vogeljungen. Die Schwarzstorchen-Jungen vor der Kamera sind bereits zwei Monate alt, aber eines von ihnen ist immer noch in Krankenbehandlung wegen einer Schnabelverletzung. Schwalbennester lösen sich in dem starken Regen auf, der schnabelvoll Schwalbenspeichel kann die aus Lehm und Matsch zusammengeklebten Nester nicht zuammenhalten, während des starken Niederschlags plumpsten alle acht Nester bei meinem Bruder in Pärnumaa herunter. Bei dem Regen ist das Heumachen unmöglich und so bastelte mein Bruder den ganzen Regentag lang Nistborde für die Schwalben.
 
In diesem Frühjahr geworfene Igel ziehen bereits selbstständig herum
 
Faule Stunde der Schnäuzchen
Und obwohl wir uns über den Regen beschweren können, können die Bauern sich auch ein wenig freuen. Alles was im Frühjahr in die Erde gesät wurde, ist in der angenehmen Feuchte größer geworden, selbst die Kartoffeln der faulsten Leute sind bald taillenhoch gewachsen und das Feld strahlt weiß von Blüten. Natürlich freuen sich die Wildschweine mit den Bauern und es scheint, dass unsere Familie ebenfalls Kartoffeln zur Freude der Wildschweine angepflanzt hat. Furche um Furche gehen sie mit ihren Rüsseln ihrem Geschäft nach und bei der großen Inbrunst der Zerstörung muss ich froh sein, solange noch mein Basilikum und meine Petersilie vorhanden sind. Privatwaldeigner, von denen viele Bauern sind, versuchen nun den Jägern klar zu machen, dass jemand die Verantwortung für solch unerlaubte Unverschämtheit übernehmen müsse. Weil die Wildschweine schon so faul geworden sind, dass sie sogar neben den Furchen schlafen.
 
Auf Wärme warten
Nördliche Landwirtschaft ist insgesamt ein seltsames Geschäft, besonders mit den zusätzlichen Euro-Zuschüssen. Die Euro-Bürokraten haben sich an ihren Schreibtischen niedergelassen und beobachten den Anbau von Flugzeugen aus. Und so werden die Bauern in jedem Jahr überrascht, dass ihre Felder nicht so groß sind, wie sie vermessen wurden. Auf den Luftbildern ist es nicht so deutlich, wo die Grenzlinien auf dem Boden verlaufen, die Baumkronen am Waldrand werden größer und daher verringert sich die aus der Luft zu sehende „Feldfläche“ ständig. Vielleicht ist es wirklich Zeit, mehr an die Ferien zu denken, der in der nächsten Woche eintreffende Sommer wird die Hitze bis auf 30 Grad ansteigen lassen und das Wasser wird vielleicht endlich angenehm sein zum Schwimmen.
 
Weidenröschen blühen
 
ZITAT: 
Wurzeln der zweiblättrigen Waldhyazinthe, Wurzeln des Mädesüß'. Diese Wurzeln werden an einer Schnur um den Hals kleiner Kinder gehängt, so dass die Kinder sie kauen können, wenn sie zahnen.
 
Empfehlung:
Der Duft des Mädesüß' ist nahezu betäubend, betörend, aber mit der Pflanze kann man auch einige nützliche Dinge anfangen. Mit Kupfervitriol als Beize kann man schöne schwarzfarbige Garne herstellen. Mädesüß-Tee hilft gegen innere Blutungen sowie Durchfall. Aber noch aufregender ist, dass es die Pflanze ist, von der 1897 Acetylsalicylsäure gewonnen wurde, dass von den Deutschen Aspirin genannt wurde nach dem früheren wissenschaftlichen Namen des Mädesüß', Spirea ulmaria.
 
Estlands Quellen: Lavi-Quelle
In Virumaa nahe Rakvere befindet sich eine von Estlands bekanntesten Quellen – die Lavi-Quelle. Seltsam genug wurde sie bisher in der virtuellen Welt wenig erwähnt, auch viele Einwohner Rakveres werden nichts über ihr Vorhandensein wissen. Über die Lavi-Quelle besagt die Information, dass sie sich im Lääne-Viru-Bereich in der Gemeinde Rägavere befindet, und dass aus ihren vielen Augen einige hundert Liter Wasser pro Sekunde herausquellen. Die Quelle selbst befindet sich nahe einer ziemlich großen Straße, in einem wunderschönen kleinen Tal, es ist faszinierend zu beobachten, wie aus den kleinen sprudelnden Quellen ein Fluss seinen Ursprung nimmt, der auch die Fischzucht von Põlula versorgt. Und wie immer besagt auch hier die Legende, dass man vom Waschen der Augen mit dem Wasser der Lavi-Quelle gutes Augenlicht erhielte, aber darüber hinaus auch gutes Aussehen. Die Lavi-Quelle ist eine heilige Quelle – hier gibt es auch einen Opferstein und im Dorf Lavi eine heilige Kiefer.


 

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