
Hasenklee-Wiese. Mohni
Es ist wirklich kalt. So kalt, dass man sich auf der morgendlichen Radltour nach Handschuhen für die Finger sehnt und man am Abend ein paar Holzscheite mehr aufs Feuer legt, um ein Gefühl von Wärme ins Haus zu bekommen. Aber es ist erst Anfang August, wenige Tage nach dem Laurentiustag.
Die vier Wetterzeichen dieser Woche:
heideviolett,
Fuchswelpen,
rotbackige Preiselbeeren
und Nachtfrostgefahr.
Wie ein Blitz aus heiterem Himmel traf die Esten am Mittwoch die Wettervorhersage, dass die ersten Nachtfröste für das Wochenende zu erwarten seien. Besorgt schleppte ich meine im Freien urlaubenden Topfpflanzen zur Überwinterung nach drinnen, die Königinnen der Nacht und Mimosen, aber tatsächlich wurde es hier in Tartu nicht so kalt. Aus dieser Sicht heraus war es interessant, Jüri Kameniks Artikel auf ilm.ee [ilm = Wetter] zu lesen, in dem er schreibt, dass am 11. August vor 20 Jahren der derzeitig offizielle Allzeit-Hitzerekord Estlands entstand, der 1992 in Võru aufgezeichnet wurde, wo die Höchsttemperatur auf 35,6°C anstieg. Dieser Rekord war wiederholt gefährdet, besonders am 7.-8. August 2010, als eine noch heißere Luftmasse als 20 Jahre zuvor Estland erreichte, jedoch wurde kein neuer estnischer Rekord aufgestellt. Wie auch immer, in diesem Jahr sind wir nicht auf dem Weg Hitzerekorde aufzustellen, sondern eher sommerliche Kälterekorde. Jedenfalls fällt in einem fort Regen und die Bauern haben die Hoffnung aufgegeben, das Heu aus tiefer liegenden Gebieten hereinzuholen. Selbst wenn es ihnen gelingt, das Gras zu mähen, schlägt es der nächste Regen nieder zum Boden und lässt es schwarz und rot werden. Sogar Vögel und Heuschrecken sind des Regens müde und zerzaust, dass sie noch nicht einmal morgens zur gewohnten Zeit einen Pieps von sich geben. In all diesem feuchten und müden Dasein gibt es noch einige gute Dinge.

Am Meeresufer ist Quallenzeit. Ohrenqualle
Weiße Heidelbeeren
Der Wald quillt über von Heidelbeeren, es gibt ihrer so viele in diesem Jahr, dass wir wirklich bis in den halben Herbst hinein reife Beeren pflücken können. Kaja Kübar jedoch berichtet aus Pärnuma von einer seltsamen Angelegenheit. Dort wurden nämlich weiße Heidelbeeren entdeckt! Kaja Kübar schreibt: „Kaja und Heino Ruul sind seit vielen Jahren Heidelbeer-Liebhaber ... Dieses Jahr fanden sie an mehreren Stellen Heidelbeeren, die weiß waren. Ich bekam Interesse an der Sache und wollte sie natürlich auch sehen und fotografieren. Es waren ziemlich viele ‚weiße Flecken‘ in der Gegend. Kaja und Heino versprachen mich wissen zu lassen, wenn sie wieder zur rechten Zeit am rechten Ort sein würden. Also klingelte am Samstag das Telefon. Glücklicherweise hatten vorher noch keine Sammler mit Beerenlesekämmen diese Stelle besucht. Ich habe mehrere hundert Fotos von den weißen Beeren. Ich brachte es nicht über mich, eine einzelne Beere in den Mund zu stecken, obwohl der Mund nicht besonders schwarz durch sie geworden wäre.“
Rote Preiselbeeren
Auch die Preiselbeeren-Kiefernwälder versprechen in diesem Jahr eine hervorragende Beerenernte. Es gibt besonders viele von Ihnen in der Gegend von Nõva, aber jetzt ist es nur sinnvoll, sie von den Rändern sonniger Wege zu pflücken. In zwei Wochen werden die Beeren vollreif und süßer sein. Aber es lohnt sich, zu den Rändern der Preiselbeer-Kiefernwälder zu gehen, um die violetten Felder der Heide zu bewundern, die gerade zur Blüte gekommen ist, sie sind wirklich schön, auch jetzt in diesem trüben „Frühherbst“. In den Wäldern gibt es jetzt auch viele Pfifferlinge und Steinpilze. Letzte Wochen aßen wir hauptsächlich Pfifferlinge, so oder so, mit Kartoffeln und mit Reis oder nur allein. Selbst jene, die nicht so glücklich darin sind, finden in diesem Jahr Pilze im Wald.

Wechsel vom Jugendkleid zum Schlichtkleid: an den Flanken junger Stare beginnen sich weiße Flecken zu zeigen
Schwalben im Schilf
Die Vögel sind so leise wie nur möglich. Die einzigen morgendlichen Lautgeber sind die Elstern, die versuchen, Platz für die ganze Horde im Nest zu finden, dass zu klein geworden ist, aber dies ist in keiner Weise erfolgreich und am Morgen ist der Boden unter dem Busch voller Elsternfedern. Vier Küken haben immer noch deutlich kürzere Schwanzfedern als die Altvögel und sie erbetteln gern Futter von Mutti-Vati. Die Bachstelzen piepsen auch, eindeutig noch hiesige Bruten. Nur die Größe der Starenschwärme wächst und wächst. Gleichzeitig können zwei-dreihundert lärmige Vögel auf dem Rasen landen. Die Rebhühner hatten heuer auch ein besonders gutes Jahr. Galeristin Tiia Karelson erzählte, wie fünfzehn kleine Hühnchen vor ihrem Auto über die Straße eilten – Rebhühner. Mithin 13 Küken noch übrig zum Sommerende. Vogelliebhaber murren, dass die Mauersegler fort sind, denn das geschieht in Estland normalerweise am 19. September. Aber es sind bereits deutlich weniger Schwalben, vermutlich sammeln sie sich bereits in den Schilfgürteln.
Salzbohnenzeit
Gärtner haben jedoch eine wirklich schöne Zeit. Die Mirabellen zeigen bereits gelbe Bäckchen, die Beeren sind alle reif. Die Erdbeerpflanzen senden Sprosse aus, jetzt muss man mit dem Düngen vorsichtig sein, von diesem Augenblick hängt die Beerenernte des nächsten Jahres ab. Die Zwiebeln sind zum Zusammenflechten bereit, Rüben müssen gezogen werden. Am Abend kann man die ersten warmen salzigen dicken Bohnen draußen essen, andere Bohnen bieten ebenfalls eine enorme Ernte. Was in der zweiten Sommerhälfte gesät wurde, will nicht mehr besonders schnell wachsen, aber vielleicht wird es wärmer. Die Rosen sind in diesem Jahr besonders duftend, es ist auch Sammelzeit der Kräuter. Jetzt ist ein guter Zeitpunkt, die Düfte der Kräuter zu erlernen und dann eine Reise der Sinne zu machen. Die Düfte verschiedener Pflanzen zu erkennen, macht die Welt um vieles reicher.
Nach Maria Himmelfahrt, rukkimaarjapäev, durften Kinder nicht mehr in den Peipussee gehen, weil die Nächte länger wurden und das Wasser des Sees nicht mehr die Zeit hatte, sich während des Tages zu erwärmen. Torma

Christophskraut
Empfehlung:
An Maria Himmelfahrt, rukkimaarjapäev, am 15. August, wurde in der Sauna Essen aufgestellt, auf dass die Seelen verstorbener Ahnen heimkommen und dort essen und trinken und glücklich sein konnten. Ebenfalls empfiehlt es sich im Sommer um Maria Himmelfahrt herum, beerenrot zu trinken – gewöhnlichem Wodka sollten ein paar Tropfen Balsamsirup beigefügt werden.
Estlands Quellen: Merioone-Quelle
Der in Põlvamaa von Tilleoru aus beim Maantemuseum (Autobahnmuseum) beginnende Fußweg läuft auf einen senkrechten kahlen rostroten Sandsteinfelsen auf der rechten Seite des Baches hinzu. Aus diesem Felsen entspringt die kristallklare Merioone-Quelle. Von den dortigen Quellen ist diese diejenige mit dem höchsten Wasserreichtum: Ausstoß 16–23 l/s. Ein solcher Fleck mit derart mystischer Erscheinung inspirierte natürlich die Phantasie der Menschen und daher wird der Ort mit einer Reihe von Legenden verbunden. Dem Volksglauben nach ist es nur möglich, einen solchen Wasserausstoß vom Meer her zu erhalten, daher also der Name – Meriooni-Quelle [meri = Meer] (oone ist im örtlichen Dialekt eine in einem Ufer ausgespülte Höhle, der eine Quelle entspringt). Einer anderen Überlieferung nach sprang einmal ein seltsamer Fisch aus der Quelle und die Menschen glaubten, es sei ein Seefisch. Einer dritten Legende nach gelang es einem zu Unrecht beschuldigten und gefolterten Herrenhaus-Wächter zu flüchten, und als er den Felsen erreichte zu beten, die See möge ihn verschlingen. Und so geschah es. Man glaubte, der Durchlass ende im Meer, tatsächlich beträgt seine Länge weniger als 5 Meter.