Farben und Muster 65° 53’ Norwegische Küste. VOL 1

Text und Fotos Ingrid Maasik
Übersetzung ins Englische: Liis
Übersetzung vom Englischen ins Deutsche: Brit
 
 
An der Helgoländischen Küste in N-Norwegen ist das faszinierendste für mich, dass die Küste lebt. Sie lebt im Rhythmus der Gezeiten, die Inseln der Felsenstreifen erheben und senken sich wie der Brustkorb des Landes. Ebbe hinterlässt Muscheln, Seeigel und Krebsschalen und Seesterne liegen herum und die Möwen tragen Muscheln und Meeresschneckenhäuser die nie zuvor auf den Felsen gesehen wurden.
 
Jahrelang habe ich sie gesammelt und nachhause getragen, zuerst wahllos, später nur die interessantesten Exemplare, habe sie gereinigt und gelagert. Schließlich hatten sich so viele angesammelt, dass ich begann sie systematisch in Schachteln zu verstauen. Erst dann merkte ich, wie unterschiedlich die Krusten von einer Meerestier Art sein kann. Zum Beispiel können die Streifen auf den Gehäusen der Seeigel orange gefärbt sein, rot oder dunkelviolett mit einem weißen Band oder Punkten dazwischen. Sogar die Schalen der Wellhornschnecken, die auf den ersten Blick einheitlich pastell-grau getönt aussehen, haben unterschiedliche Muster und Nuancen. Die Carapaces, die Kopf und Abdomen der Strandkrabben bedecken, haben alle möglichen Farben, von gebleichtem weiß bis zu dunkelgrün und rot, nur das ähnliche Muster sieht aus, als ob es mit der Spitze eines Pinsels gepunktet worden wäre.
 
Irgendwie legte ich sie erst wahllos nebeneinander, passte sie dann an und so wurde das erste Foto geboren, von den Gehäusen der roten Seeigel. Die nächste Zusammensetzung war mit Muscheln, dann Meeresschnecken oder Nacktschnecken und dann verschiedene Arten zusammen zu stellen, blau und weiß  Kompositionen wurden geboren und schließlich, als sehr viele Sachen gesammelt waren begann ich Kompositionen in Farben zu machen. Schließlich entwickelte sich daraus der Verkauf von Fotos für Innendekoration.
             
 
Solch ein Bild zu machen ist ein langfristiger Prozess. Ich sammelte, bürstete und wusch sauber. Ich fand heraus, was zusammen passt. Sie in einem Rahmen zusammen zu setzen dauert normalerweise einen halben Tag, doch wenn das Material knapp ist und die Inspiration verschwindet, oder sich der Alltag hereindrängt, mache ich später weiter. Manchmal passiert es, dass das Bild des endgültigen Musters nicht passt, dann fange ich wieder von vorne an.
 
Wenn das Muster fertig ist, sehe ich mir alles mit einem Vergrößerungsglas an und entferne Staub und Schmutz. Die Fäden von Spinnen und Haare zu entdecken ist das Schwierigste. Sie können bei der Nachbearbeitung herausgenommen werden, doch es ist eher das Ziel das Foto sauber zu machen.
 
Danach lege ich den Rahmen auf den Boden des alten Holzschuppens, wo manchmal das Licht am Nachmittag sehr gut ist, und positioniere die Kamera. Der Kamerastativarm ist horizontal fixierbar, was ideal für die Schaffung solcher Fotos ist. Der Boden ist nicht eben, so achte ich darauf, dass das Objektiv perfekt parallel mit der Oberfläche des Objekts ist. Ich achte darauf, dass ISO 100 ist. Ich stelle Blende und Belichtung ein. Ich fokussiere manuell. Ich prüfe, ob und wie das Licht zu spiegeln ist. Jetzt ist es an der Zeit zu überprüfen, ob die Sonne in einer passenden Position ist und von wo und wie schnell die Wolken sich bewegen. Bei der Arbeit mit natürlichem Licht sind die Wolken Reflektoren und Diffusoren. Der Moment kommt nahe, ich besprühe die Muscheln und Gehäuse wahlweise mit Wasser. Ich warte bis das Wasser absorbiert wird, trockne schnell einige Stellen, die zu nass geworden sind und – mit angehaltenem Atem – mache ich das Foto!
 
Jetzt kommt der Moment der Wahrheit: am Computer Bildschirm zeigt sich, ob das Bild scharf ist, ob die Zusammenstellung immer noch attraktiv ist und ob nicht irgendwo etwas Außergewöhnliches zu sehen ist. Oft müssen die Plätze zwischen den Muscheln gewechselt werden, der Rahmen in einen besseren Winkel zum Licht gestellt werden oder Ähnliches. Das dumpfe Gefühl, dass es irgendwie besser sein könnte, bleibt.
 
Doch mein Nachbar sagte, oh Mist, ich habe noch nie vorher solche Dinge gesehen und ich nehme an ich werde sie auch nie sehen, kaufte es und hängte es sich an die Wand.
 
 
Die Ausstellung von Ingrid Maasik ist in Lihula Gut (Manor) bis zum 31. Oktober 2014 geöffnet.
 
Die Bilder der Autorin: LINK


 

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