Wenn Quellen versiegen …

Text und Fotos Kristel Vilbaste
Übersetzung ins Englische: Liis
Vom Englischen ins Deutsche: Leonia
 
Kristel einen herzlichen Glückwunsch zu ihrem Geburtstag!
 
Bisweilen fühlt man sich, als habe man alles Notwendige im Leben gelernt und erfahren, aber dann wird an irgendeinem Ort eine geheime Macht entfesselt, an die man noch nie dachte.
 
So schien mir, über die Quelle Kuremäe alle Geschichten gehört zu haben, beim Trinken von sieben Pud kristallklarem Wasser habe die Quelle ihre Anliegen mitgeteilt. Aber am Vorabend meines 50-jährigen Geburtstages überraschte mich die Quelle mit einer neuen Seite. 
 
Die trockene Quelle von Kuremäe
 
Am Montag, den 17. August, eilte ich nach Kuremäe, meine Gäste mit dem besten und gesündesten Wasser der Welt zu erfreuen. Und als ich die Quelle mit meinem Wasserkanister erreichte und wollte ihn mit Wasser tief aus dem kleinen mit Fliesen ausgekleideten Bassin füllen, erlebte ich eine Überraschung. Die Quelle war knochentrocken. Völlig trocken, nicht einmal ein Tropfen hing am Ausgussrohr oder auf dem Boden des Bassins, sie war so trocken wie sie nur sein konnte. 
 
 
Aber wie kann eine so kräftige Quelle austrocknen? Ich komme seit 10 Jahren zur Kuremäe, ein Fünftel meines Lebens – Wasser zum Trinken zu holen und zum Heilen in Winterskälte und Sommerhitze, stets murmelte kristallklares Wasser aus dem Rohr.
 
Es stimmt, als ich mein Buch „Eesti allikad – Estlands Quellen“ im Jahr 2013 schrieb, sagten mir Geologen, dass im Frühjahr ein 3-läufiges Rohr installiert worden war, weil während der Inbetriebnahme des Steinbruchs die Quelle begann, trocken zu fallen. Daher untersuchte ich zu der Zeit ausführlich, wer das Rohr in der Quelle installiert hatte und wann, aber dies war ein so großes Geheimnis, dass ich keine Antwort fand. Untersuchungen, die nach Inbetriebnahme des Steinbruchs gemacht wurden versicherten jedoch, dass der Steinbruch die Quelle nicht bedrohte, obwohl er nur 3,5 Kilometer entfernt lag.
 
Und so blieb die Angelegenheit liegen.
 
Aber als ich am Montag mit meinem leeren Kanister herumlief, beschloss ich, die Sache genauer zu untersuchen.
 
Eine seltsame Sache war es, dass im Badehaus der Quelle der Wasserspiegel ein wenig niedrig war, aber das Wasser war klar und frisch wie zuvor. Und als ich mit meinem Freund Mikk Sarv ein Bad nahm, fühlte ich Kraft in mich hineinströmen, der Geschichte nachzugehen.
 
Es schien logisch, zum Kloster Kuremäe zu gehen wegen des Verschwindens des Wassers. Aber weil es ein heißer Tag war und ich Shorts trug, schien es unhöflich, so zu gehen und die Bewohner des orthodoxen Klosters mit meiner unpassenden Bekleidung zu verstören.
 
Und dann begann es sich wie ein Märchen zu entfalten, wenn man einen kleinen Hinweis von der ersten Person erhält, die man trifft, und zur nächsten Person geschickt wird, um nach Weiterem zu fragen.
 
Die Leute in den Läden wissen immer am meisten über die Quellen und in dem Laden erhielten wir unsere erste kleine Information. Die freundliche Dame erklärte, dass das Wasser wirklich in einem Rohr verlaufe, und dass es in jedem Sommer immer ein wenig dürftig sei, und dass es in diesem Sommer einfach abgeschaltet wurde, weil die Menschen es in großen Kanistern forttrügen und es nun nicht genug Wasser sogar für die Bedürfnisse des Klosters gab. Aber wir sollten gehen und Mutter Sidorova fragen, die – schauen Sie dort! – gerade drüben auf dem Friedhof beschäftigt war.
 
Wir sagten unseren Dank und unter den dreifachen Kreuzen war tatsächlich eine Nonne in bräunlichem Gewand gerade am heiligen Heilbaum Eiche beschäftigt. Ich war schon immer ein wenig schüchtern, tief religiöse Menschen zu interviewen, weil ich Angst habe, sie aufgrund meines eigenen mangelhaften Wissens unbeabsichtigt zu beleidigen, und ich empfand sie auch immer als mir sehr fern. Der Augenblick, in dem die Nonne über unsere Frage lächelte und begann, über die Quelle zu reden, war daher umso überraschender. Eine liebevolle Hingabe Menschen und dem Quellwasser gegenüber zeigte sich in jedem ihrer Worte.
 
Ja, sie war diejenige, die den Zustand des Friedhofs und der Quelle beaufsichtigte. Ja, es gab ein Rohr in der Quelle und es wurde bereits in der Zeit des Bischofs Alexius installiert, als in der Sowjet-Ära Steinbrüche bei Kuremäe in Betrieb gingen, weil die Klosterleitung Sorge hatte, ohne Wasser zu bleiben. Durch Kontakte wurden Geologen aus Moskau und Sibirien geholt, und sie setzen die stets Wasser führende Röhre in die Quelle und sicherten so den Wasserdurchfluss. Nur zur Sicherheit wurde eine zweite Bohrung in der Nähe niedergebracht. Sie hatten gesagt, dass das Wasser aus einer Silberschicht käme. Zu Beginn wurde das Wasser alle 10 Tage gemessen, aber dann starb der Wasservermesser und der Wasserstand wurde nur alle drei Monate festgehalten, weil der Brunen mit einem sehr schweren Deckel verschlossen war.
 
Zu Beginn gab es genug Wasser, aber im Sommer fiel der Wasserpegel bedenklich tief ab. Diesen Sommer war er so niedrig, dass das Wasser nur noch dürftig in die Quelle tröpfelte, und so bat die Klosterleitung, den Regler zu schließen, und Wasser wurde nun nur gelegentlich geboten. Aber wenn wir Wasser wollten, würden wir es sicherlich erhalten, aber wir müssten hingehen und mit der Klosterleitung sprechen.
 
Ich schaute wieder auf meine nackten Beine und beschloss, darauf zu verzichten und sagte der Nonne, dass wir uns in einem Märchen befänden, in dem ein Akteur einen zum nächsten um Rat schickte. Und die Nonne sagte, ja, das ganze Leben ist wie ein Märchen. Als sie hier aus Abachan mitten im Winter eintraf, war das gesamte Kloster wunderbar mit Reif überzogen und so schön geschmückt.
 
Und sie erzählte uns auch eine Geschichte, die tatsächlich wirklich so geschehen war. In einem Jahr gab es am Kuremäe-Tag am 24. August wieder einmal wenig Wasser, aber für die heilige Zeremonie und das Ende der Vasknarva-Prozession mussten sie Wasserbecken mit Eimern mit Wasser füllen. Aber plötzlich begann das Wasser während dieser Tage in großer Menge zu fließen, dann sank die Menge wieder bis Oktober. Jeder war über dieses Wunder erstaunt. Die Dürre dauert in der Regel vom 1. Juli bis Oktober.
 
Aber damit wir nicht ohne Wasser gehen, verwies uns die Nonne an die Zwölf-Apostel-Quelle, die etwa 100 m abwärts entlang des Baches der Kuremäe-Quelle lag. 
 
Die Quelle der Zwölf Apostel
 
Und tatsächlich, dort wohin uns die Nonne geschickt hatte, glitzerte fröhlich eine Quelle, etwa eineinhalb Meter im Durchmesser. Alle Quellbesucher füllen ihre Wasserbehälter mit einer großen blauen Kelle. Es gab ein wenig schwebendes Plankton in der Quelle, aber die silbrig aufwallenden Stellen waren deutlich und das Wasser schmeckte so gut wie von der Kuremäe-Quelle. Vermutlich ist sie ein Teil davon.
 
Von der Quelle zurück war ich ein wenig verblüfft und rief unseren Sandstein-Meister Rein Einasto an. Er sagte, dass es in der Sowjet-Zeit üblich war, Geologie-Ingenieure aus Sibirien nach Estland zu schicken und unsere Leute nach Sibirien, damit alles gut verborgen blieb und ordentlich unklar. Und daher gibt es so wenig Information über das Brunnenrohr in der Kuremäe-Quelle.
 
Rein sagte auch, dass es derzeit ein schlechtes Jahr für die Quellen sei, weil es zwei schneearme Winter gab und die Schneeschmelze der größte Quellversorger sei. Der trockene Sommer hat in ganz Estland Brunnen und Quellen versiegen lassen. Ich erzählte Rein, dass die Information von Ain Kaha umso seltsamer gewesen sein, dass zu Mittsommer Wasser aus der seit langem ausgetrockneten  Pühaläte-Quelle am Ende von Võhandu rann. Aber Rein nahm an, dass wenn die Quellausgänge in diesem Sommer vertrockneten das Wasser sich den Weg hinaus an ungewöhnlichen Stellen gesucht habe.
 
Nun freue ich mich mit noch größerem Interesse darauf, welche weiteren Überraschungen die Quellen in diesem Jahr noch bieten werden. Geht die Quellen bei Euch zu Hause prüfen. Was werden sie Euch sagen?


 

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