Illustration und Text: Tiit Kändler
Übersetzung ins Englische: Liis
Vom Englischen ins Deutsche: Leonia
Januar: Fütterung im Futterhäuschen
Der Januar könnte ein Fenster zum Frühling sein, oder mindestens ein winziger Fenster-Spalt — wenn nicht Schnee fiele und fiele und fiele. Wahr ist, dass man sagt, das Rückgrat werde dem Winter im Januar gebrochen, aber dieser Spruch mag eine Beschwörungsformel unserer Vorväter sein, um sich die Laune zu erhalten, wenn in der Scheune nur sich zügig leerende Kübel und Fässer und Vorratsbehälter und Butterfässchen zu sehen sind.
Es mag schwierig sein, im Januar an die Meeresküste zu gelangen, wenn man nicht die Kondition hat, durch die Schneewehen in den Dünentälern zu stapfen. Die See ist natürlich offen, aber sie wogt nicht mehr. Es gibt keine Schwäne dort, aber statt dessen erscheint zu Hause ein Specht am Futterhäuschen im Garten. Katzendame Ooper miaut ihm besonders heftig heftig durch's Fenster entgegen, als ob sie ihr trauriges Schicksal beklagte. Die Fensterscheibe war auch für einige Kleinvögel schicksalhaft, zum Beispiel für den armen Kleiber, der gegen das unsichtbare Hindernis prallte, so dass er mit den Füßen nach oben und einem im Schnabel sichtbaren Blutstropfen hinunter stürzte. Aber er war bald wieder verschwunden.
Und die Mitarbeiter der Umweltschutzbehörde informieren uns, dass die Leute keine Wasservögel füttern sollen. Sonst gewöhnten die sich daran und würden nicht mehr wegfliegen. Aber ist dies nicht auch eine Art natürlicher Auslese? Und was ist mit den Zoos? Und das Füttern der Vögel im Garten dient ebenfalls mehr zur Unterhaltung der Garten-Werkler und ihrem Eigennutz — schau, ich sorge für die Natur. Wie viele Vögel überleben deswegen?
Jedoch der Hofspecht, der fleißig in den trockenen Kiefernkronen klopft und klopft und dann abrupt seine Hoffnung auf das Futterhäuschen setzt, hat plötzlich Probleme. Hat plötzlich nicht mal die Kraft zum Fliegen, kauert kläglich auf dem Futtertablett, fällt scheinbar auf den Boden, kämpft weiter. Ist es Alter oder Krankheit oder die Folge schädlicher Gewohnheiten? Wie auch immer, am nächsten Tag klopft er nicht mehr. Was bedeutet, dass es nötig wird, auf das Dach zu klettern und Schnee dort herunter zu schaufeln. Obwohl auch ohne das im Garten mehr als genug Schnee liegt. Sind unsere Vorfahren auch auf ihre Scheunen und Ställe und Schuppen geklettert, um den Schnee herunter zu holen? Aus irgendeinem Grund hat der Garten-Werkler ernstliche Zweifel daran und bedauert, dass er nicht auch für sich selbst ein Scheunengebäude gebaut hat
Aber zur Entschädigung wird der Himmel faszinierend schön, wie er das nur im Januar sein kann. Der Ausblick nach Süden wird rötlich-gelb — oder mit einem edleren Ausdruck leuchtend orange — aber erst als die Sonne bereits im Westen steht. So schleppt der Himmel sich und seine Farben müde der Sonne hinterher. Und wieder fällt Schnee, lautlos.
Aber der Januar kann auch so stumpfsinnig sein, dass man nicht begreift, ob es Winter ist oder Herbst. Jedenfalls kann es vorkommen, dass Mitte Januar plötzlich Regen zu fallen beginnt nach dem lautlosen Schneefall. Aber das ist wirklich nichts Ungewöhnliches. Denn was ist seltener – Regen im Winter oder Schnee im Sommer? Die Frage verdient sicherlich eine ernsthafte ökologische Diskussion. Erstens: Was ist nachhaltiger – Regen im Winter oder Schnee im Sommer? Sicherlich Regen im Winter. Zweitens: Was verursacht die geringste Umweltbelastung – Regen im Winter oder Schnee im Sommer? Sicherlich Schnee im Sommer. Drittens: Was ist angenehmer – Regen im Winter oder Schnee im Sommer? Das hängt von Ihrer Kleidung ab.
Und schließlich: Was hilft, mehr Arbeitsplätze zu schaffen – Regen im Winter oder Schnee im Sommer? Ein wichtiges Thema für Wahlkämpfe.
Es regnet, wenn die Wolken nicht mehr länger den Wasserdampf halten können. Es schneit, wenn der Wasserdampf sich besonders hartnäckig in den Wolken gehalten hat. Schnee ist widerspenstiger Regen. Hagel? Hagel ist beleidigter Regen.
Schnee ist dauerhafter als Regen. Regen ist nur Regen zwischen Wolke und Erde. Dann verwandelt er sich in Matsch und Pfützen, Flüsse und Seen, Meere und Stürme. Schnee bleibt sogar auf dem Boden Schnee. Bleibt es, bis er sich in Matsch und Pfützen, Flüsse und Seen, Meere und Stürme verwandelt.
Also philosophiert der Garten-Werkler zur Haubenmeise, die stur auf dem Meisenknödel hockt. Hat nicht mal die Meise das Gefühl, die Wintersonne sei näher als die Sommersonne? Man kann sie fast mit der Hand berühren. Durch den Dunst der Wolken brechend, früh-mittags, ist sie aufgebläht und verschwommen groß und nahe. Eine große Fichte ächzt gegen die benachbarte Kiefer wie in jedem Jahr. Heißt das miteinander wachsen, Symbiose?
Nun denn, warum dies auslegen, besser die Sauna aufheizen, bevor es dunkel wird. Eine Sauna soll man nicht im Dunklen nehmen, dann könnten alle Arten von Kobolden und Wichteln zu Besuch hereinschlüpfen. Eine Sauna muss man tagsüber nehmen, und besonders dann, wenn Schnee liegt um hinein zu springen. Des Sauna-Gängers Platz ist nicht in einem Eisloch, denn er ist schließlich kein Fisch, sondern immer im Schnee. Interessant wäre, warum diese Besen aus irgendwelchen fremden Sisalfasern gebunden sind? Warum bauen wir keinen echten Hanf an und binden anständige Besen daraus?
Gegen Ende Januar bietet die See einen Anblick, als wäre sie eingefroren. Ohne Schnee, und so als ob die Welle halb eingefroren wäre. Kein Vogel oder irgendein anderes Tier. Der Schnee vom Wind auf den Dünenkämmen aufgetürmt.
Es sieht aus, als wenn sich die Sonne auf der Eisfläche spiegelte, aber der Himmel ist nicht sichtbar. Der Himmel ist verloren, verschwunden, irgendwohin fort. Die Sonne scheint sich nicht mal um eine Haaresbreite zu bewegen, sie verharrt in einer Position, zuerst dämmert es, dann dunkelt es, dann ist es finster. Als Isaac Newton zu untersuchen begann, was Licht tatsächlich ist, hatte er nicht viel mehr zur Verfügung als die durch ein Prisma gebündelten Strahlen der Sonne. Wenn Newton in Estland gelebt hätte, hätte er dann entdeckt, was ein Regenbogen ist?
Wer im Wasser ist, unter dem Eis, ist dort; wer draußen ist — ist draußen. Der Garten-Werkler ist glücklich, dass er für diesmal draußen ist. Von wegen. Der Treppoja-Bach, den er zu überqueren hat, ist tückisch unter seiner Eisdecke, und plötzlich steht ein Bein im Wasser.