Fotos Arne Ader
Übersetzung ins Englische: Liis
Vom Englischen ins Deutsche: Leonia
Die Wintermitte brachte Tage harschen Frostes: eine Sperbereule (Surnia ulula) aus dem Norden plustert ihr Gefieder auf zum Schutz gegen die Kälte.
Für mich war 2012 ein Schlangenjahr, es gab sowohl im Sommer wie auch im Herbst eine Fülle an Vipern und Nattern. Im Herbst gab es, bevor sie in ihre Höhlen krochen, so viele, dass an manchen Orten die Menschen panisch wurden. Das feuchte Drachenjahr rüstete für das beginnende Jahr der Wasserschlange.
Die vier Wetterzeichen der Woche:
Der Vogel des Jahres, das Rebhuhn, draußen vor dem Fenster,
jagende Luchse,
aus dem Schnee sich erhebende Maulwurfshügel, und
Tauwetter

An Tauwettertagen kann man viele Larven der Grasglucke oder Trinkerin (Euthrix potatoria) auf dem Schnee sehen.
Was war besonders am Naturjahr 2012:
Gennadi Skromnov: Die lang anhaltenden schönen Herbstfarben, und der hohe Wasserstand in unseren Flüssen, in denen die Salmoniden sicherer laichen konnten.
Mikk Sarv: Ein Jahr aufregender Pflanzen, im Mai entdeckte ich die Karde (Dipsacus sp) für mich, die die Zeckenborreliose heilt, im Juli fanden wir gemeinsam mit den Erlebnispädagogen die Teufelskralle (Phyteuma) in einem Quellwald im Setomaa.
Rein Einasto: Unsere Nationalkultur muss die Grundlage allen Wirtschaftens sein; in diesem Jahr machte mich der Sieg von Nabala glücklich, die Inbetriebnahme des Kalksteinbruchs wurde auf unbestimmte Zukunft ausgesetzt.
Kaja Kübar: Viele Schwäne kamen wieder auf unsere Felder, zeigten ihre gelben und blauen Halsringe und blieben hier bis der Schnee kam. Es gab so viele Moosbeeren in den Mooren, dass noch einige für die dritte und vierte Lese da waren. Die Bären-Waisen sind verschwunden!
Enn Vilbaste: Wasser, Wasser, Wasser. Als Schnee, Wasser und Niederschlag. Der Wachtelkönig ist verschwunden. Die Zahl der Beutegreifer hat zugenommen, der Wolf hat fünf Welpen großgezogen. Bären gibt es weniger, vielleicht sind sie nach Lettland gezogen, aus Süden ist statt dessen Rotwild gekommen.
Urmas Tartes: Für mich war der Sommer erstaunlich ― es gab eine solch große Zahl kleiner Eisvogel-Schmetterlinge (Limenitis camilla), sie waren früher sehr selten. Der Winteranfang am Jahresende war für die Schneeinsekten ausgezeichnet, ich habe niemals zuvor so viele Grasglucken-Larven auf dem Schnee herumkriechen sehen.
Vello Keppart: Ich habe ein Pflanzeninventar der Stadt Keila angelegt und fand 14 Orchideenarten und ein Schreiadlernest, das war die größte Überraschung. Ich fand außerdem ein lumineszierendes Myzel des Hallimasch (Armillaria mellea) auf einem Baumstumpf im Wald; ich brachte es nach Hause und es leuchtete mehrere Wochen lang.
Olev Merivee: Ein sehr gutes Preiselbeerjahr (Vaccinium vitis-idaea). Wir zwei pflückten in einer halben Stunde 35 Liter in der Nähe von Tõrva. Das Besondere für mich war natürlich die Sichtung der Hakengimpel im Dezember.
Arne Ader: Es gab aufregende Begegnungen mit der Rohrdommel (Botaurus stellaris). Und englich gelang es mir, einen Weißstorch zu fotografieren, der eine Ringelnatter verschlang.

Es war ein dramatisches Schlangenjahr: erwachende Kreuzotter am Saluvere-Ufer. Matsalu
Januar
Am Anfang des Januar überspülte das Wasser die Strandareale von Pärnu, und in Soomaa gab es eine Sintflut. Im Erlenstand trocknete ein gelber Schmetterling seine Flügel, die Knospen der Apfelbäume begannen sich zu öffnen, Schneeglöckchen schoben sich aus dem Schnee, in Tartu krabbelte ein Igel über den grünen Rasen. Und dann trafen Frost und Schnee mit einem starken Schneesturm ein, legten eine Decke über riesige Eisfelder. Am Ende des Monats rieselte eine 30 cm dicke Schneedecke nieder, Schwärme von Seidenschwänzen trafen aus dem Norden ein, und auch schneeweiße Schneeeulen kamen.
Februar
Anfang Februar erstarrte die Kältehauptstadt, Jõgeva, bei -35 Kältegraden. Schwäne flüchteten, flogen nach Süden. Wiesel drangen in die Häuser, Mäuse zu jagen, im Wald herrschte Hungersnot. Die „Hungerkätzchen“ der Erlen verstreuten ihren Samen auf dem Schnee, dass der Schnee gepunktet war. Ungeachtet der Kälte zeterten Mitte Februar laut die Kohlmeisen. Die Vogelbeobachter jedoch beschwerten sich, dass die Kohlmeisen von den Vogelfutterhäuschen verschwunden seien. Das Monatsende brachte Tauwetter und die ersten Lerchen.

Das Frühjahrshochwasser war beträchlich. Ein Marderhund, steif vor Kälte, auf dem Eis des Tõramaa-Flusses
März
Der Frühling traf mit großem Tempo ein, am Monatsanfang tropfte der Ahornsaft und die Schneeglöckchen baumelten. Das Staatliche Forstverwaltungszentrum, RMK, gesteht ein, nicht mehr die Wanderwege in Stand halten zu können, weil es an Geld mangelt, der Koigi-Pfad wurde in schlechtem Zustand belassen. Im Laufe des Jahres erlebten Wanderer in allen Ecken Estlands Überraschungen – Nigula, Taevaskoda ... Mitte des Monats war der Himmel voller Lerchen-Triller, die Frühlingsvögel trafen in großem Maß ein. Der Winter wirbelte noch einige weitere Schneesturmwolken herum, aber der Frühling war nicht mehr zurückzuhalten. Robbenjunge segelten auf Eisschollen im Meer. Das Monatsende brachte die ersten Leberblümchen (Hepatica nobilis), einige trugen einen Marienkäfer im Herzen der Blüte.
April
Huflattich-Blüten und dann kam der Osterschneesturm und teilte Estland in zwei Hälften, in der östlichen Hälfte war alles weiß. In der zweiten Woche kamen die Frosch-„Hochzeiten“ in Gang, die Weißstörche waren zurück und der Schwarzstorchen-Kamera-Vogel legte sein erstes schneeweißes Ei ins Nest. Es waren Zecken und Nattern im Gras, Buschwindröschen (Anemone nemorosa) blühten. Der Birkensaftfluss war kurz.
Mai
In der ersten Maiwoche blüht Löwenzahn und die Nachtigall schlägt und trillert. Schnecken beginnen alles Lebendige zu verschlingen und werden vor dem Herbst nicht damit aufhören; 2012 war wahrlich ein Schneckenjahr. In der zweiten Woche erhob sich ein Sturm, der sogar das Gewächshaus zum Fliegen brachte. Dachse haben gelernt, an Straßenrändern nach Nahrung zu suchen, und an den Straßenrändern ließen auch ungewöhnlich viele Dachse ihr Leben. Eine Dürre Ende Mai, das Meer erwärmte sich auf bis zu 18 Grad an der Nordküste.
Juni
Die Luft füllt sich sowohl mit Mücken als auch mit Libellen, alles was aus dem Wasser heraus in die Welt geboren wird, kommt in großer Zahl. Von jetzt an regnet es nur noch. Schauer gehen nieder, keine Notwendigkeit, die Gartenbeete zu wässern. Wilde Erdbeeren gibt es weniger als im Vorjahr, aber Grashalme sind voll bedeckt mit roten Baumwanzen. Eichenwickler (Tortrix viridana) fressen die Eichen kahl. Ein warmer und regnerischer Mittsommernachtstag.

Charakteristisch für den Sommer war der hohe Wasserstand der Seen: Haubentaucher (Podiceps cristatus) auf seinem Nest.
Juli
Gras wächst brusthoch, aber es kann nicht genutzt werden. Regen trieft vom Himmel, und eine rechte Gewitterperiode beginnt. Es gibt kein Ende der Gewitterrunden. Eine Gewitter-Ambosswolke hängt immer am Himmel. Die Luftfeuchtigkeit schiebt die Pilzkappen aus dem Waldboden hervor. Es gibt Unmengen Pfifferlinge. Ende Juli kommt tropische Hitze und alle Gewässer sind voller Menschen.
August
Nach der Hitzewelle fällt die Thermometer-Anzeige mit einem Schlag, es ist so kalt draußen, dass man gut Handschuhe anziehen könnte. Die Meteorologische Station warnt vor möglichen Nachtfrösten in der zweiten Woche, diese bleiben jedoch aus. Rebhuhn-Bruten tauchen aus dem Gras auf und kullern über die Straßen. Es ist ein gutes Jahr für Hühnervögel. Preiselbeeren im Wald und Moosbeeren in den Sümpfen reifen ungewöhnlich früh. Sammeln und pflücken ist in Mode.
September
Der verregnete Sommer hatte allem, was im Gras lebt, eine gute Brut ermöglicht und es sie gut gehen lassen. Plötzlich begannen sie alle, sich zu den Überwinterungsplätzen zu bewegen. Die Straßen waren zunächst voller Frösche, dann drängten so viele Mäuse in die Häuser, dass die Leute das Ende der Welt erwarteten. Das Werk zu vollenden waren die Gärten voller Vipern und Nattern. In Bauerndörfern wurden sie in besonders großer Anzahl registriert. Regenwürmer flüchteten aus dem Boden, weil er mit Wasser vollgesogen war. Und immer noch regnete es. Aber die Bäume waren in diesem Jahr schön bunt.

Der Herbstanfang war warm: nach dem Laubfall blüht die Winde (Calystegia) auf Weidenzweigen in Flussauen.
Oktober
Der Oktober war voller Gänse. So viele wie niemals zuvor. Dann kamen die Seidenschwänze, weg von den Frösten des Nordens. Aus unbekanntem Grund flogen sie in Scharen gegen Glasfenster. So viele, dass darüber auf Facebook geschrieben wurde und sogar in den Medien. Das Oktoberende überraschte mit einem Schneesturm, Schnee fiel auf Bäume, die noch viele bunte Blätter trugen.
November
Der Schnee verschwand und die Sumpfdotterblumen (Caltha palustris) blühten erneut. Nebel wechselte ab mit dem Fliegen von Nachtfaltern. Eine dichte Decke an Luftfeuchtigkeit hing über Estland. Pflanzen und Menschen warteten auf Schnee, aber der kam nicht. Wölfe rissen Schafe, es gab keinen Schnee und sie konnten nicht verfolgt werden.
Dezember
Schnee-Schock. Der Schnee kam als machtvoller Schneesturm. Tagelang flog kein Vogel und bewegte sich kein Tier. Nur Menschen versuchten, ihre Autos von einer Schneewächte zur anderen zu schieben. Zwei Wochen lang wurde das Land von einer –15 Grad windigen Kälte belagert, am Jahresende kam Tauwetter.

Ein unvergessliches Schnee-Erlebnis traf im Spätherbst ein, am 26. Oktober fiel luftiger Schnee auf noch ihre Herbstfarben tragenden Bäume!
(Estnisches Orignal veröffentlicht am 07.01.2013)