Text: Kristel Vilbaste
Foto: Arne Ader
Alte Eiche
Windböen tanzen, pfeifen in den Kieferngipfeln. Wumm! fällt eine große Schneeladung mir fast auf den Kopf. Der Waldboden ist voller kleiner Schneebomben-Trichter.
Es ist nicht sehr sinnvoll, bei diesem winterlichen Bombardement in den Wald zu gehen, man kann es weder vorher sehen noch hören. Während eines etwas weniger stürmischen Augenblicks versuchte ich dennoch eine winterliche Gartenvögel-Versorgung. Wumm! – der nächste weiße Batzen trifft den Rand meiner Kapuze, meine Kopfbedeckung lässt den Wind nur noch lauter heulen. Beim Blick in die Baumkronen kann ich nur den irrsinnigen Tanz der Tannenzweige sehen, die mit dem Sturm kämpfen. Es gibt wahrhaftig keinen Grund für kleine Federbällchen, sich von diesem Sturm herumwirbeln zu lassen. Aber dann: „Krah! Krah-krah-krah...” Zumindest eine Krähe, stelle ich fest. Denn tatsächlich lassen sich die Krähen die Gelegenheit nicht entgehen, mit dem Wind zu tanzen! Der Graurock (eine Nebelkrähe) dreht ein paar Pirouetten bei seinem luftigen Ballett, gleitet im Wind ein wenig davon und verschwindet dann doch in den schützenden Zweigen einer großen Fichte. Ach ja, erst gestern war der Garten voll munterer Aktivitäten, nun ist die Spechtschmiede leer, auf dem Boden unter dem Baum häufen sich die Zapfen. Sogar die Samen der Schwarzerle (Alnus glutinosa), die es auf den Schnee geweht hat, scheinen niemanden zu interessieren. Und nicht einmal die frische Ladung Sonnenblumenkerne im Futterhäuschen setzt das Meisenkarussell in Gang.

Überwinternde Möwen auf der zugefrorenen Ostsee. Dirham
Der Frühling lebt in den Knospen
Mit dem Tauwetter gab es wieder Schneetreiben; der inzwischen gefallene Schnee rutschte mit solchem Ruck von den Dächern, dass es das Haus erschütterte. Aber der Schneesturm brachte hohe Luftfeuchtigkeit, und bevor der alte Herr Schneesturm seine Backen aufblies, bedeckte der Frost die Zweige mit wunderschönem Reif-Schmuck. Der Donnerstag zeigte tagsüber den Zauber eines Weihnachtsmärchens mit einem klarblauen Himmel und schneeweißen Bäumen. Jedoch war dies nur ein kurzer Augenblick der Schönheit, bereits am Freitag in der Nacht flatterten die langen Birkenzweige wieder ohne ihr Geschmeide im Wind. Aber eine Veränderung in Richtung Frühling ist geschehen. Weißt Du, wie lang die Erlenkätzchen bereits sind? Sie werden lang und länger. Und die Blütenknospen der Espen werden größer und größer. Viel trauriger ist es dann wieder in den Winter zurück zu kehren, auf die Fichtenhecke nahe Haljala zu schauen, von deren Spitzen nur eine Handbreit über den Schneewehen zu sehen ist.
Wahlversammlung der Elstern
In den Hecken, die nicht fest mit Schnee ausgestopft sind, geht das fröhliche Getschilpe weiter – die Spatzen sind in der zum Frühling passenden Aufregung. Auch zwischen den Meisen gibt es die ersten Auseinandersetzungen, und obwohl sie noch nicht nach dem „Sommerkleid” rufen („sitsikleiti” im Estnischen), hat der Anblick dieser Vögel täglich etwas Frühlingshaftes. Der Naturfreund Olev Merivee schreibt aus Tõrva, dass in der vorvergangenen Woche plötzlich 18 Elstern fünf Minuten lang in einer Birkenkrone saßen.: „Es gab eine lebhafte Debatte –
Wahlauseinandersetzung.” Aber die Spechte haben es nicht eilig, die Frühlingstrommel zu rühren, sie schauen eher nach dem Speckstreifen am Futterhäuschen und klopfen ein leises Schlagzeugsolo direkt auf die Schwarte. Mehr und mehr Beobachtungen hört man über die krummgeschnäbelten Baumläufer (Certhia), die man an Futterhäuschen sieht, normalerweise besuchen diese Insektenfresser keine Siedlungen der Menschen.
Kegelrobbe
Das Rätsel des Hafens von Haapsalu
Obwohl sich die Temperaturen in der letzten Zeit um Null gehalten hatten, war es kein wirklich gutes Wetter für den Bau von Schneefrauen in dieser an Schnee so unmäßigen Woche. Es ist faszinierend auf der Wetterkarte zu sehen, dass die Meeresbuchten und die Gebiete um die Inseln allmählich gefrieren. Dennoch ist bislang nur die Eisstraße von Haapsalu nach Noarootsi geöffnet. Aber man kann seltsame Dinge in den langen Listen der Wetterbeobachtungen entdecken. Die Temperatur, die derzeit in allen Wassertemperatur-Messstationen festgestellt wird, liegt nämlich bei etwa Null, nur das Wasser im Hafen von Haapsalu liegt 1,6–1,7 Grad über Null.
Hirsche auf Waldwegen
Wege und Straßen sind wieder im Schneesturm versunken und die Menschen sind wie Gefangene, die nur auf schmalen und kurzen Fußwegen hin- und her wandern können. Aber dennoch war im vergangenen Jahr die Schneeschicht um diese Zeit höher, vermutlich weil es damals zweieinhalb Monate hindurch kein Tauwetter gab, was sonst die Schneedecke wie jetzt verdichtet hätte. Ebenso wie bei Menschen ist nun der Bewegungsraum auch für Tiere deutlich eingeschränkt, so dass man sie sich derzeit sogar in größeren Städten finden. In früheren Zeiten waren um diese Jahreszeit die Förster und Jäger verpflichtet, die Schneisen von Stromleitungen und Waldlichtungen freizugeben, um dem Wild des Waldes mehr Bewegungsraum zu eröffnen. Heute hingegen organisieren die Jäger derzeit Jagd-Foren, in denen die Frage diskutiert wird, wie man die Jagdgebiete ausdehnen könne. Unter anderem hat man in Paide vorgeschlagen, dass Rehe und Wildschweine nur noch zum Niederwild zählen sollten!

Morgen-Liebkosung. Eine Krähe zupft am Kopfgefieder einer anderen.
Blumen-Geschichten: struppige Birke
Vor sehr, sehr langen Zeiten, so wurde erzählt, soll das Birken-Mädchen einen schönen, langen, wehenden Haarschopf gehabt haben und einen wundervollen weißen Leib. Aber das Mädchen war ein wenig zu leichtfertig und wollte mit dem jungen Burschen Wind nur herumtändeln. Dies verärgerte Mutter Wind sehr, denn sie war es gewohnt, dass alle Bäume sich höflich vor ihr verneigten. Deshalb ließ sie einen schrecklichen Sturm sich erheben um das Mädchen zu brechen, aber Birken sind zäh. Auch heute noch ist bekannt, dass Birken nicht im Stamm brechen, sondern dass die Äste einer nach dem anderen abbrechen. Dennoch trug der weiße Leib der Birke aus dem Kampf mit Mutter Wind lange schwarze Spuren ihrer Nägel davon, und fahle, im Winde seufzende Streifen loser Hautfetzen; und in ihren Haaren hinterließ Mutter Wind schrecklich struppige Knäuel von "Hexen-Reisern".