Die Geschichte der Woche

Wochengeschichte (Kristel Vilbaste).

Vierte Januarwoche: Frühlingswispern

Verfasst von Kristel Vilbasteloodusenaine@hot.ee
Fotos: Arne Ader
 
Am Morgen des 24. Januar lag Nebel über den verschneiten Feldern Mittelestlands

Der östliche Himmel beginnt zu leuchten, die Sonne hebt ihre Nase aus der Schneedecke. Steigt, vergrößert sich und atmet ihren warmen Hauch über die Erde – der Dunst des Atems fließt über die Felder und überzieht die Halme wie verzuckert.
 
Die vier Wetterzeichen der Woche:
Meisengesang,
Geweihstümpfe auf den Rehböcken, 
Schneeammern auf den Feldern
und von der Sonne triefende Traufen.
 
Eine Stunde später ist die gelbe Sonnenscheibe nur wenig höher gestiegen, höher wird sie nicht steigen. Gerade so hoch, dass sie einem Morgenmuffel genau in die Augen scheint, sich durchs Fenster des Hauses schleicht, die mit Influenzaviren kämpfenden Kinder weckt und sagt: „Haltet aus, von Faschingsdienstag bis Ostern sind es nur 40 Tage – spätestens bis Ende März bringe ich Euch Lerchengesang und blühende Leberblümchenaugen. Der Frühling ist nicht mehr hinter den Bergen. Er ist hinter den bald dahinschmelzenden Schneewächten. Eine weitere klirrende Februarkälte und das war’s!“ Es sind Spuren in diesem vom Gold der Sonne überfluteten Schnee. Diese Nacht schliefen 13 kleine Rebhuhn-Federbälle vor unserem Haus in ihrem Schneenestern, dicht um unsere kniehohe Liedeiche, die wir vor eineinhalb Jahren zusammen mit Freunden gepflanzt haben. Am Morgen hat eine der Hennen den unter dicken Schneewächten begrabenen Lavendel freigescharrt und vermutlich hat sein Geruch das restliche Hühnervolk geweckt, gemeinsam sind sie wie Raupen über das Schneefeld verschwunden, 13 gerade, nahezu parallele Spuren, jede Fährte gespickt mit dem schützenden Algiz-Runenzeichen. Die Vögel trippelten immer schneller und schneller und plötzlich, in der Mitte der Feldbrache, sind sie aufgestiegen. Ein Fuchs? Jedoch sind seine Spuren nirgendwo im Schnee zu sehen. Es gibt nur die Runenlinie, die sich mit langen Schatten in der niedrigen Sonne zeigt.
 
Die Wintertage sind kurz: Gimpel picken im Mondlicht weiter an Eschensamen
 
Fährtenspuren im Schnee
Ausgehend von der Rebhuhn- und Fuchsfährte beginnt diesjährige meine Winter-Gartenvögel-Beobachtung, wie bereits seit einigen Jahren nach dem britischen Beispiel von der Estnischen Ornithologischen Gesellschaft organisiert. Die Fährtenkette eines der Rebhühner geht direkt zu meinem Schlafzimmerfenster und dann zurück in einer runenförmigen Schleife unter die Hecke. Ein wenig später ist der Fuchs angekommen, sprang über den Rhododendron auf den Balkon, schnüffelte unterm Vogelhäuschen, studierte die unter dem Schnee angelegten Mäusetunnel und die Sonnenblumenkernhülsen, und dann ist er wieder gegangen. Ich räume die Fuchsspuren vom Balkon und häufle einen hügelhohen Sonnenblumenkern-Berg auf das Vogelfutterhäuschen und warte. Warte den ganzen Tag lang, zwischendurch nehme ich sogar das Fernglas zu Hilfe und sehe, dass sechs Grünfinken auf die Hecke zukommen. Sie denken nicht einmal daran, sich auf den obersten Zweigen niederzulassen und sich umzusehen, sondern „sinken“ im Flug zum nächsten Haus. Tatsächlich sinken, denn die prallen Bäuche scheinen sie zur Erde niederzudrücken.
 
Vogelbeobachtung ohne Vögel
Und beim Resultat Null bleibt es bei meiner samstäglichen Vogelbeobachtung; mit großem Interesse studiere ich, was sich andernorts in Estland tat. Mein Bruder sagt, dass es wahrscheinlich schlechtes Wetter war, Erde und Himmel gingen ineinander über, und die Vögel blieben in ihrem Unterschlupf. Aber zumindest in Tartu hat die Sonne zeitweilig geschienen, das bißchen Schnee, das zwischendurch fiel bedeckte noch nicht einmal die Spuren der Vögel. Die Sonntagnacht zeigte viel Mond, Vollmondnacht, so hell, dass sogar bei bedecktem Himmel die Nacht wie ein Tag zu sein schien. Aber als der Sonntag wieder mit einem unberührten Haufen Sonnenblumenkerne begann, war ich ratlos. Wohin sind meine Elstern verschwunden, die bereits einen Nistplatz hier hatten, wohin die rund 50 Grünfinken und das Dutzend Feldsperlinge, wohin das Blaumeisenpaar und vor allem die gelbbäuchigen Kohlmeisen. Ae! Hallo!
 
„Eisröcke“ an Weiden. Raudna-Flussaue, Soomaa

Tausende gezählte Vögel
Wahrscheinlich wurde an diesem Wochenende soviel Vogelfutter ausgelegt, dass die Vögel nicht zu wählen imstande waren. Sie sind einfach verschwunden. Daher blieb mein bestes Ergebnis 2 Kohlmeisen, ein Feldsperling und 5 Grünfinken (vorbeifliegend). In diesem Jahr habe ich seit Herbst keine Amsel gesehen und sogar selten Wacholderdrosseln. Wie auch immer, am Sonntagmittag waren bereits 293 Beobachtungen gemeldet und 10.611 Vögel gesichtet worden, wie auf der Seite der Estnischen Ornithologischen Gesellschaft zu lesen ist http://www.eoy.ee/talv/vaatlused/. Es ist natürlich erfreulich, dass die Vogelbeobachtungen überall in Estland stattfanden. Jeder kann auf der Karte sehen, welche Vögel in der Nähe seines Heimes gesehen wurden.
 
Robben auf Eis
Noch soviel aus der Vogelwelt, dass diese Woche die Kohlmeisen bereits ihren lauten Gesang in der Wärme der Sonne hören ließen. Vor der Adler-Kamera waren immer häufiger fröhliche Raben-Gluckser zu hören und die Rufe der Seeadler. Gennadi Skromnov sagt, das die Robbenkamera diese Woche mit voller Sonnenenergie arbeitet, am Freitagabend kamen drei Robben im Sichtfeld der Kamera zu liegen, es ist noch ein wenig zu früh für Junge, aber bald wird es soweit sein, wenn wir nur Sonne haben werden, so dass die Kamera-Akkus funktionieren. Überraschend war einmal mehr der Besuch eines Jungelches auf dem dünnen Eis von Vilsandi, wo Jaan Tätte versuchte, ihn zu retten. Vor drei Jahren geschah eine ähnliche Geschichte vor der Robbenkamera. Hierbei könnte die Treibjagd mit Hunden einen Teil der Verantwortung tragen, die Elche werden aus ihrem Unterschlupf gescheucht und sie verirren sich auf unbekanntes Eis. Kaja Kübar berichtet aus Pärnumaa, das unter ihren Heuballen immer häufiger Spitzmäuse erscheinen. Manchmal trippeln zehn von ihnen heraus, wenn der Ballen ausgerollt wird. Die Rehböcke haben kleine Geweihansätze auf ihren Köpfen, mit der Wärme kommen die Marderhunde heraus.
 
Es gibt jetzt lustvolles Geschrei im Leben der Seeadler: bereits in wenigen Wochen beginnt bei Ihnen die Zeit, den Horst herzurichten
 

Wenn es vor Lichtmess so kalt ist, dass die Eier im Nest Risse bekommen, dann wird das Frühjahr warm werden. Vaivara

 

Lichtmess, der 2. Februar, ist die beste Zeit zum Kerzenziehen, die Luft ist in der Regel dann so kalt, dass die Kerzen schnell aushärten und das Kerzenziehen binnen kurzem erledigt ist.

 
Landarzt: Bienenwabenwachs-Kaugummi

Eines der besten Viren-Bekämpfungmittel ist die Deckschicht der Bienenwaben, die mit einer speziellen „Harke“ vor dem Extrahieren des Honigs von den Waben abgezogen werden kann. Dort in die Deckschicht der Zellen stecken die Bienen alle natürlichen Schutzmittel, damit der Honig nicht verdirbt. Imker heben dieses Deckmaterial sorgfältig bis zum Frühjahr in Gläsern auf, indem sie es kauen, erhalten sie ihre Gesundheit. Natürlich ist es sinnvoll, festzustellen, in welcher Gegend der Honig gesammelt worden ist, aus dem Umfeld der Rapsfelder muss kein sehr heilsames Kaumaterial erwartet werden.  

 
Estnischer Originalartikel hier veröffentlicht am 28.1.13
Übersetzung Liis und Leonia


 

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