Der Wolf in Volksglauben und Wirklichkeit

In das Dorf für einen Hund. Aus dem Journal Neue Baltische Waidmannsblätter, 1/1912.
 
Der Wolf im Volksglauben und Wirklichkeit
Im Volksglauben spielt der Wolf eine wichtige Rolle, schreibt Marju Kõivupuu im Journal Loodusesõber. Als einziges Wildtier hat er seinen eigenen Monat – Februar. Tatsächlich haben die Menschen beide, Januar und Februar als Wolfsmonate bezeichnet, Denn die Paarungszeit der Wölfe ist mitten im Winter, und sie werden mehr gesehen und gehört.
 
Der Name Wolfsmonat kann auch im Wiedemann Estnisch-Deutschen Wörterbuch gefunden werden. Wölfe töten im Winter häufig Hunde; vormals haben Menschen das damit begründet, dass das Wolf Weibchen während der Paarungszeit Hundefleisch fressen muss, sonst bekäme sie keine Jungen.
„Wölfe pflegten früher im Kerzenmonat zu Bauernhöfen zu kommen um Fruchtbarkeit von den Hunden zu bekommen: wenn das Wolf Weibchen kein Hundefleisch gefressen hat, konnte sie keine Jungen bekommen. Manchmal waren sechs in einer Reihe, die sich jeweils in des anderen Spur im Schnee bewegten. Am nächsten Tag wurden die Spuren überprüft – nur ein Satz Spuren,  doch in der Nacht ging eine lange Reihe vorbei. So mussten die Hunde während des Kerzenmonats eingesperrt werden oder die Wölfe hätten sie „verschlungen“, sie zu einem Feld getragen und in Stücke zerrissen.“
(Tarvastu Pfarrei, 1931.)
Müttern wurde geraten, ein Kind nicht während des Wolfmonats zu entwöhnen, sonst würde es zu einer liederlichen, leichtlebigen Person heran wachsen.
 
Mahlakuu – ein Monat  der Kontrolle der Magie des Wolfes
St. Georg Tag (Jüripäev), am 23. April, ist auch mit dem Wolf verbunden. Im Volksglauben war es auch der traditionelle Tag, das Vieh auf die Weiden herauszulassen, zusätzlich  zum Beginn des Wirtschaftsjahres und dem Tag um Verträge abzuschließen. St. George wurde als Herrscher der Wölfe angesehen, die die Kiefer der Wölfe ab dem St. Georges Tag in Eisen legten, damit die Raubtiere keinem Vieh etwas tun konnten. Die Menschen glaubten, dass St. George vom Himmel Futter  für die Wölfe warf, in einigen Gegenden wurde angenommen, dass es die „Wolken Klumpen“, geleeartige Dinge unklarer Herkunft,  auf den Boden warf.
Nach den Überzeugungen waren die gefallenen sogenannten Wolken Klumpen giftig für Menschen und alle anderen Tiere,  außer den Wölfen, und dass sie unheilbare Krankheiten verursachten – Tollwut.
In der Simuna Pfarrei bereitete der Schäfer einen speziellen Vogelbeerbaum Stock vor dem St. Georg Tag vor und las Wolf verhütende Worte  bei der Vorbereitung:
 
 Sankt George, Sankt George,
Halte deine Hunde fest.
Leg Zaumzeug auf ihre Köpfe,
Eisen in ihre Mäuler.
 
 Auch wurde St. Georg Feuer  angezündet um Wölfe während der Weidezeit  von dem Nutzvieh abzuwehren. Für die symbolische Abwehr von Wölfen wurden vielerorts an diesem Tag Geschütze abgefeuert und Krach gemacht. Ebenso wurden viele andere verhütende magische Riten ausgeführt, sodass der Wolf die Herde nicht belästigen würde. Hexenmeister Schäfer wurden auch gefürchtet, die die nötigen Zaubersprüche wussten, wie man die Wölfe schickt, um die Herde eines anderen Besitzers zu töten. Obwohl gesagt wurde, dass der Segen der Schafe in den Spuren der Wölfe lag (es wurde festgestellt, dass, wenn der Wolf ein Schaf aus der Herde nimmt es natürlich schlecht ist, doch danach werden die anderen Schafe gut wachsen). Die Frau eines guten Bauern befestigt mindestens ein Paar Handschuhe an der Wand des Schafstalls, dann würden die Wölfe nicht in die Nähe des Stalles kommen.
Schäfer aßen vor dem St. George Tag keine Butter oder Fleisch, denn sonst würden die Wölfe viele Tiere der Herde im Sommer töten. Am St. George Tag strickten die Frauen Socken und waren mit Nähen beschäftigt – so wurden die Augen symbolisch aus dem Kopf der Wölfe gestochen, sodass sie den Weg zur Herde nicht sehen konnte. Aus demselben Grund zündeten die Schäfer an manchen Orten Wacholderbüsche an. Man glaubte, dass die St. George Feuer und der Rauch des Wacholders reinigende magische Kräfte hätten – es war gut für die Gesundheit von Mensch und Tier und hielt die Wölfe während des ganzen Sommers fern.  Die Anmerkung von der Pfarrei Lisaku in Jakob Hurts Sammlung ist interessant und ungewöhnlich:
Am St. George Tag läuft der Hirte die Pfade entlang um den Wolf anzubinden, dazu verknüpft er 3 Nadeln mit Faden an Fichten, 3 Knoten an jedem Faden. Am St. Michaels Tag geht er um die Nadeln zu holen, dann kann der Wolf wieder Schaden anrichten (Ilsaku Pfarrei, 1888)
 
Der Wolf in den Überlieferungen
Kalevipoeg, bekannt aus den Hiiumaa alten Geschichten und der epischen Volkssage, warf auch Steine auf Wölfe und mehrere Findlinge sind bekannt als Wolfsfelsen.
Einmal fraß eine Stute mit ihrem Fohlen auf der Weide. Es war am Abend der Mittsommernacht. Ein Wolf kam, um das Fohlen zu töten. Kalevipoeg der nahe Hiiemägi im Ort Oore spazierte, in der Ohekaki Pfarrei, hat das gesehen (es war zehn Werst entfernt). Er ergriff einen Gesteinsbrocken  und warf ihn auf den Wolf, doch nachdem sie zu nah beieinander standen wurden alle drei von ihm getroffen, -  Das Fohlen hatte eine Glocke um seinen Hals. Jetzt wird jede Mittsommernacht das Läuten der Glocke um den Hals des Fohlens gehört (Rapla 1896).
In der Nähe des Ortes Kallste an der Peipsi Küste gibt es einen großen Fels der Kalevipoegs Fels genannt wird.  Diesen Fels hatte Kalevipoeg  bei der Verfolgung des Wolfes geworfen, der eine Schafherde angegriffen hatte. Sogar heute noch kann man die Finger von Kalevipoeg auf dem Fels sehen (Palamuse,  1928)
Einigen Wolfsfelsen  wurde ihr Name aus der Überzeugung gegeben, das seine Person durch Hexerei in einen Werwolf verwandelt wurde und ihr Wolfshaut darunter behalten hat, oder dort besucht hat um ihr Kind zu stillen. Einige Wolfsfelsen haben ihre Namen wegen ihres besonderen Aussehens.
 
Hunt oder susi?
„Susi ist angeblich eine  ältere Bezeichnung für den Wolf, als „Hunt“, von dem angenommen wird, dass es eines der ältesten Worte ist, die von der Germanischen Sprache abgeleitet wurde. Nach und nach rückte „Susi“ in Vergessenheit. Magischen Begründungen nach wird geglaubt, dass den richtigen Namen zu gebrauchen, eine Begegnung mit dem Namensträger bringt und so werden für die Bezeichnung von Wildtiere viele Euphemismen und Pseudonyme gebraucht. So wurde der Name „Susi“ als Pseudonym für den Wolf gebraucht, „Hunt“ als ein anderer Ausdruck dazu (Hiiemäe, 1969, p 411). Doch zusätzlich zu diesen beiden bekanntesten Worten, wurde der Wolf in verschiedenen Dialekten võsavillem, võsaelaja, kriimsilm, vanaonu, vana pikk hanna oder  pika sabaga mees, pühajürikutsikas, pajuvasikas, metsatöll** genannt. In der Rõuge Pfarrei wurde der Wolf sogar haavikuemand genannt, was normalerweise für Hase genommen wird. In den Grenzgebieten war auch der Wolfsname „vilks“, ursprünglich aus dem Lettischen, etabliert.  Es wurde angenommen, dass, wenn die Schäfer den Wolf bei seinem wirklichen Namen in der Nähe der Herde benennen, er bald da sein würde. Es wurde nicht für klug gehalten über den Wolf bei Tisch mit seinem richtigen Namen zu reden – man glaubte  dass er dann ein Ferkel aus dem Stall oder ein Lamm von der Herde entführen würde.
 
Der Artikel in voller Länge wurde im Journal Loodusesõber 2013 veröffentlicht. Februar Ausgabe.
 
 *Wiedemanns Wörterbuch, erste Ausgabe von 1869, Estnisch-Deutsch
 ** Wolf Pseudonyme: Hain-William, Hain Bestie, Strich-Auge, Großonkel, alter Langschwanz oder Langschwanz-Mann, St George’s Hündchen, Weiden Kalb, Wald Riese
 
Übersetzung ins Englische: Liis
Übersetzung vom Englischen ins Deutsche: Brit
 


 

EST EN DE ES RU  FORUM

       

Nachrichtenarchive