Looduskalender bat Kalev Rattiste, der Jahrzehntelang Sturmmöwen beobachtet hat, um einen Kommentar:
Die Sturmmöwen sollten hauptsächlich in ihren Überwinterungsgebieten sein; was sind das für Vögel, die momentan an unseren Küsten überwintern und wie kommt es, daß dieser Vogel am Futterplatz der Seeadler landete?
Von den Sturmmöwen, die auf der Insel Matsalu brüten, fliegen die Altvögel sofort nach der Brutzeit weg und direkt in die Richtung ihres Überwinterungsgebietes. Gegen Ende Juli können wir sie schon in den Niederlanden, Dänemark und Deutschland erleben, kleinere Gruppe im südlichen England und nördlichen Frankreich. Anfang der 1960-iger Jahre waren die Winter in Westeuropa besonders streng und da wurden unsere Sturmmöwen sogar in Süd-Frankreich und Portugal beobachtet. Sturmmöwen sind ihrem Überwinterungsgebiet sehr treu – Jahr für Jahr verbringen die Überwinterer am gleichen Ort (zum Beispiel dem Freien Hafen in Kopenhagen oder in Amsterdam, dem Erasmus Park). Einen Rekord stellte eine männliche Sturmmöwe mit dem Plastikring P856 auf, der acht Winter hintereinander in der Stadt Bremen, insgesamt 142 Mal abgelesen wurde. Brutpartner ziehen und verbringen die Winter getrennt voneinander; sie treffen sich im Frühjahr am Nest wieder.
Jungvögel fliegen nicht mit ihren Eltern in die Überwinterungsgebiete und driften im Herbst ziemlich weitläufig herum. Manchmal geraten sie während dieser Reisen weiter weg vom Überwinterungsgebiet, zum Beispiel nach Finnland und Russland. Deswegen kommen sie auch später in ihrem Überwinterungsgebiet an.
Im Herbst ziehen zahlreiche Sturmmöwen aus anderen Ländern durch Estland. In bestimmten Herbsten können Hunderte von Sturmmöwen zum Beispiel auf dem Dach von Tartu’s Lõunakeskus gesehen werden, wo sie in Sicherheit rasten.
Eine kleine Gruppe der Sturmmöwen verbringt ihre Winter auf dem Meer in östlichen Teil der Ostsee. Woher sie stammen ist nicht genau bekannt. Doch erinnern wir uns an eine Sturmmöwe, die in Estland beringt wurde: sie wurde im Winter im Rigaer Meerbusen gefunden. Auch in diesem Winter folgen die Sturmmöwen im Finnischen Meerbusen und um Hiiumaa den Fischkuttern. Diese Möwen halten sich über dem offenen Meer um die Fischerboote herum auf. Kert Rannaste, einer unserer fleißigsten Möwenberinger, erzählte gestern, daß um sein Schiff mehr als 160 Möwen, meist Sturmmöwen, nur einige Silbermöwen, herum waren. Kert ist es gelungen ungefähr hundert Sturmmöwen zu fangen und zu beringen. Unter den gefangenen Vögeln waren welche mit Ringen aus den Niederlanden, Schweden und auch Finnland. Wo und wann und unter welchen Umständen (Nestling, Überwinterer) diese Vögel beringt wurde wird geklärt werden, wenn die Antwort von Beringungszentren der jeweiligen Länder kommt. Eine Möwe hatte einen estnischen Ring und war vor zwei Jahren von Kert selbst nahe Paldiski beringt worden.
Bei starkem Wind können die Sturmmöwen, die am Meer überwintern, bis aufs Festland geweht werden. Die Sturmmöwe am Seeadler Fütterungsplatz ist wahrscheinlich mit den starken Sturmwinden in Peraküla gelandet, hat dann bei der Beobachtung anderer Vögel den Futterplatz entdeckt (Krähen und Raben).
Im Winter sehen die Sturmmöwen im Vergleich zur Brutzeit im Frühjahr ziemlich anders aus. Der Vogel der sich am Seeadler Fütterungsplatz aufgehalten hat, war kein Jungvogel (die sind ganz grau-braun) sondern ein Altvogel. Kopf und Hals, wunderschön weiß im Frühjahr, sind jetzt gesprenkelt, der gelbe Schnabel hat sich in bräunlich/bläulich verwandelt mit ganz schwarzer Spitze, und die Füße waren auch merklich dunkler.